Ölen bringt Charakter

Oberflächen. Auch wenn sich im Fensterbau industrielle Beschichtungssysteme durchgesetzt ­haben, gibt es Spielraum für handwerkliche Lösungen. Eine davon ist die Behandlung mit pigmentierten Ölen. Diese Produkte eignen sich nicht nur innen, bei gutem Schutz auch aussen.

 

Sind Fenster Industrieprodukte oder Möbel? Diese Frage stellen sich nicht nur Architekten und Bauherren, sondern auch viele Fensterbauer. Die Antwort ist: Sowohl als auch, denn je nach Einsatzort sind die Ansprüche ganz verschieden. Handwerklich und mit Schreinerwissen gefertigte Fenster geniessen bei Bauträgern einen hohen Stellenwert. Das hat sicherlich damit zu tun, dass Architekten und Bauherren heute von den meisten Lieferanten ein Industrieprodukt geliefert bekommen, entsprechend schwer ist es, individuell hergestellte Fenster zu bekommen. Denn das Handwerkliche geht zunehmend verloren oder rückt angesichts neuer Produktionsverfahren in den Hintergrund. Kaum ein Fensterbauer fertigt heute noch Naturholzfenster. Wenn doch, kauft er die Kanteln vom Händler und hat damit unter Umständen am gleichen Flügel vier Friese, die von vier verschiedenen Bäumen stammen und entsprechend unterschiedliche Strukturen aufweisen. 

Authentische Oberflächen?

Auch vor der Fensterbeschichtung hat der Trend zur Industrialisierung nicht Halt gemacht. Gefragt sind Produkte, die sich mittels automatischer Beschichtungsmaschinen applizieren lassen oder in Handspritzanlagen sehr einfach und sicher zu verar-
beiten sind. Von Hand aufgetragene Lasuren oder Beizen finden kaum noch Verwendung. Auch im Lasur-Bereich wird heute vorwiegend mit pigmentierten Lacken gearbeitet. Möglichst alle Farbtöne und Deckgrade mit dem gleichen Produkt: Moderne Lacke kann man farblos, deckend pigmentiert oder durchscheinend formulieren – und dies immer mit dem gleichen Bindemittelaufbau.

Handwerkliche Fenster gefragt

Das es auch anders geht, zeigt zum Beispiel der Basler  Architekt Urs Gramelsbacher. Er bevorzugt handwerklich gefertigte Fenster mit eigenem Charakter. Als gestaltender Architekt sucht er sich gezielt Fensterbauer, die ihr Handwerk und nicht nur ihre Fertigungsstrassen beherrschen. Die industriel-
len Beschichtungen sind in seinen Augen zwar hochentwickelt und zweckmässig, vom haptisch angenehmen Baustoff Holz bleibt aber sensorisch wenig übrig. Aus diesem Grund ist er auch immer auf der Suche nach Oberflächen, welche das unterstützen. Das können zum Beispiel auch geölte Oberflächen sein.

Fenster wie Möbel behandeln

Im Möbelbau und bei Bodenbelägen haben sich die oxidativen Öle schon länger etabliert. Und was auf Wohnmöbeln gut ist, eignet sich auch für Fenstermöbel. Robert Ryter von der Firma Kissling Schutzanstriche in Oensingen ist ein Fachmann, wenn es um die Behandlung von Fenstern geht. Er hat sich intensiv mit alternativen Behandlungssystemen für Fenster auseinandergesetzt. «Wir haben neben dem Ölen auch schon mit dem Seifen von Fensterrahmen experimentiert, die Nachteile waren aber zu gross», sagt Ryter. Die Gründe für das Scheitern liegen beim PH-Wert und den Partikelgrössen der Emulsionen. «Öle bestehen aus sehr kleinen Teilchen, die sehr gut in das Holz penetrieren», erklärt Ryter. Seifen dagegen bilden relativ grosse Teile, die kaum in die Tiefe eindringen, dafür aber die Holzporen verstopfen. «Bei kleinen Verletzungen dringt das Wasser deshalb sehr leicht in den unbehandelten Bereich ein und breitet sich im Holz aus. Beim Öl dringen die flüssigen Bestandteile je nach Holzart bis zu drei Millimeter ein und sorgen so für wasserabweisende Verhältnisse bis tief in das Holz hinein.  Einen weiteren Nachteil sieht Ryter bei den eingesetzten Beschlägen: «Seifen sind stark alkalisch und können an den Beschlägen im besten Fall zu Farbreaktionen führen, im schlechtesten Fall kann es aber auch zu Korrosion kommen.» 

Einfach reparierbar

Umso bessere Erfahrungen hat er mit den oxidativen Ölen gemacht. «Die Erfahrung zeigt, dass geölte Fenster deutlich einfacher durch die belastende Bauphase kommen», meint Ryter. Kleine Verletzungen lassen sich beim Öl im Gegensatz zu den schichtbildenden Lacken sehr einfach korrigieren. Meistens genügt es, einzelne Friese soweit abzuschleifen, bis der Kratzer geglättet ist und dann das Holz von Hand nachzuölen. Danach sind kaum noch Unterschiede zu den werkseitig behandelten Flächen sichtbar. Hochwertige, sehr glatte und glänzende Lacke dagegen lassen sich von Hand nicht mehr in der gleichen Güte auftragen. Das macht oft den Rücktransport zur Werkstatt für die Rekonstruktion der Werksbeschichtung nötig. 

Brillanz des Holzes überzeugt

Zur Auswahl stehen sowohl farblose wie auch pigmentierte Öle. Letztere wirken leicht farbgebend, ohne die Holzstruktur abzudecken. Genau dieser Effekt hat Urs Gramelsbacher am schnellsten überzeugt: «Geöltes Holz strahlt Natürlichkeit und Brillanz aus.» Diese Farbintensität würde von keinem anderen System erreicht, schwärmt der Architekt. Die Pigmente im Öl haben aber auch noch andere Aufgaben. «Zum
einen überdecken sie den vom als Rohstoff verwendeten Sonnenblumenöl kommenden leichten Gelbton. Daneben sorgen sie für weniger Vergilbung der doch meist hellen Holzarten», meint Ryter. Diesen Hang ins Gelbe weisen alle Öle auf, egal ob sie eher sonnenblumenlastig oder leinöllastig gemischt sind. Helle Hölzer wie Fichte neigen zu einem intensiven Gelbstich, bei dunkleren Holzarten wie Eiche spielt die gelbliche Eigenfarbe des Öles eine untergeordnete Rolle.

Weichholzlauge zur Vorbereitung

Die Kissling Schutzanstriche vertreibt Produkte von Timberex. Es gibt sie sowohl farblos wie auch pigmentiert. Werkseitig eingefärbte Öle gibt es in zehn Varianten; wer differente Fartöne braucht, kann aber auch mischen oder mit farblosem Öl aufhellen. Die Verarbeitung ist einfach: Zur Vorbereitung empfiehlt Ryter die verwendung einer Weichholzlauge. «Damit erzielt man eine regelmässigere Penetrierung, die besonders bei harzhaltigen Hölzern in der unbehandelten Form so nicht erreicht wird.» Diese lässt sich mit einer weichen Bürste auftragen und trocknet ziemlich schnell ab. Überschüssige Lauge sollte man nach dem Trocknen ausbürsten.

Pigmente schützen

«Danach kann man das Öl streichen, spritzen oder rollen, denkbar ist selbst das Roboterspritzen», sagt Robert Ryter. Zwei Aufträge mit einer Pause von 20 bis 30 Minuten sorgen für tiefe Penetrierung. «Zwischen den Anstrichen soll man weder abstreichen noch schleifen, sondern einfach einwirken lassen» erklärt Ryter. Rund 40 Minuten nach dem zweiten Auftrag soll man das überschüssige Öl abtragen und mit einem Vlies nachpolieren. Nach 12 bis 24 Stunden ist das Öl ausgehärtet. Die beigesetzten Pigmente bleiben dabei an der Oberfläche und schützen das Holz vor UV-Strahlen. 

Einfacher Unterhalt?

Der spätere Unterhalt hält sich in Grenzen. «Verschmutzungen aus der Bauphase kann man einfach mit etwas farblosem Öl wegwischen», sagt Ryter. Auf keinen Fall sollte man saure oder alkalische Reinigungsmittel gebrauchen. Diese können Farbreaktionen auslösen. Genau das ist in Basel auf der letzten Baustelle von Urs Gramelsbacher passiert. «Ein starkes Reinigungsmittel hat sowohl auf den Fenstern wie auch bei den Bodenbelägen gelbliche Spuren hinterlassen», bedauert der Architekt. Diese Flecken müssen nun noch einmal geschliffen und nachbehandelt werden. 

«Der spätere Unterhalt wird sich auf das gelegentliche Nachölen beschränken. Zur Verwendung kommt dabei farbloses Öl mit 20% Weissölzusatz», erklärt Gramelsbacher.

Innen ja, aber aussen?

«Geölte Oberflächen im Aussenbereich brauchen viel Unterhalt», sagt Robert Ryter. Die Systeme eignen sich daher nur beschränkt für bewitterte, masshaltige Fassadenteile. So geschützte Flächen muss man mindestens einmal pro Jahr nachbehandeln, um Schäden zu vermeiden. Doch im Innenbereich und speziell bei Holz-MetallFenstern sieht der Fachmann keine Probleme. «Solange alle Metallteile sauber hinterlüftet sind und das Holz rumdum behandelt wurde, passiert nichts», meint Robert Ryter. Dafür entstehen Fenster wie Möbelstücke – ganz nach dem Geschmack von Urs Gramels­bacher. wi

 

www.schutzanstriche.ch

www.gramelsbacher.ch

Veröffentlichung: 20. Oktober 2011 / Ausgabe 42/2011

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