«Niemand will sich festlegen»

Wer unsorgfältig arbeitet, riskiert Warmluftlecks und entsprechende Schäden. Die Schulung der Mitarbeiter und die spätere Kontrolle der Abdichtung ist zentral. Bild: SchreinerZeitung

Montagetechnik.  Die Abdichtung zwischen Fensterrahmen und Baukörper ist eine Schnittstelle mit grossem Fehlerpotenzial. Umso wichtiger ist es zu wissen, wie die Vorschriftenlage ist. Für den Fensterbauer ist vor allem exaktes Arbeiten wichtig.

Was noch vor wenigen Jahren kaum ein Thema war, beschäftigt heute Bauphysiker und Planer gleichermassen: Die Anschlusssituation der Fenster im Bauwerk steht im Mittelpunkt. Die optimale Platzierung der Bauelemente in der Fassade beschäftigt den Fensterbauer weniger, dafür umso mehr die innere und äussere Abdichtung. Dabei bewegt sich der Unternehmer immer wieder in einer Grenzzone. Gemäss SIA 118/331, Allgemeine Bedingungen für Fenster- und Fenstertüren, hat es den Fensterbauer wenig zu interessieren, wie abgedichtet wird, er muss nur die Fenster so weit vorbereiten, dass eine fachgerechte Abdichtung möglich ist. Neben der Zuständigkeit für die Abdichtung regelt das Normenwerk auch, wie mit den Hohlräumen zwischen Fensterrahmen und Bauwerk zu verfahren ist. Diese müssen nicht zwingend vom Fensterbauer aufgefüllt werden.

Planer sind zuständig!

Das alles gilt aber nur, solange in der Ausschreibung nichts anderes definiert ist. Planer und Architekten können das Auffüllen der Hohlräume wie auch die innere- und äussere Abdichtung unter Entrichtung entsprechender Vergütung an den Fensterbauer delegieren. Unternehmer können sich aber auf die Unterstützung durch den Planer berufen. Er definiert die entsprechende Technik und gibt die einzuhaltenden Werte vor. Gemäss geltender Normen liegt die konzeptionelle Verantwortung also beim Planer. Fensterbauer, die von sich aus Lösungen vorschlagen oder die Abdichtung ungefragt mitofferieren und auch gleich ausführen, gehen damit ein unerzwungenes Risiko ein.

Fenster und Dichtung als Einheit

«Grundsätzlich gilt bei der Abdichtung der Grundsatz ‹innen dichter als aussen›», sagt Daniel Schumann, Verkaufsleiter von Tremco-Illbruck. Gemeint ist damit ein Unterschied beim Sd-Wert von 20 bis 30% von der Innen- zur Aussendichtung. Nur so ist das Austrocknen der Hohlraumfüllung nach aussen gewährleistet. Die minimale geforderte Dichtleistung innen wird aber von den aktuellen Normen nicht definiert. Die SIA 331, Fenster- und Fenstertüren, gibt aber den zulässigen Rahmen vor: Im Artikel 2.1.4 steht, dass der Anschluss zwischen Fenster und Baukörper mindestens die gleichen Anforderungen wie das Fenster selber erfüllen soll. Mit diesen Angaben kann ein Fensterbauer aber herzlich wenig anfangen, denn die Normen definieren Grössen wie den Sd-Wert überhaupt nicht.

Was ist optimal?

«Wie hoch ein optimaler SD-Wert beim Abdichten von Fenstern auf der Innenseite sein soll, darauf will sich niemand so richtig festlegen», sagt Schumann. Bauphysiker gehen aber von einem optimalen Sd-Wert der inneren Folie von 60 bis 80 m aus. Aussen sollte dementprechend keine Dichtung mit einem Sd-Wert über 40 m angebracht werden. Die meisten im Handel erhältlichen Produkte für die innere Abdichtung übertreffen den optimalen Diffusionswiderstand deutlich. So empfiehlt etwa die Firma Illbruck innen die Folie «Illbruck ME210» auf Basis EPDM. Die Folie weist einen Diffusionswiderstand (µ-Wert) von 300 000 auf, dies bei einer Dicke von 1,75 mm, was einen Sd-Wert von 171 m ergibt. Zudem sind heute feuchteadaptive Produkte erhältlich, die je nach klimatischem Umfeld einen ganz anderen Sd-Wert aufweisen.

Funktionell in beide Richtungen

Illbruck etwa gibt für die «TwinAktiv» bei 92,5% Luftfeuchte einen Sd-Wert von 0,03 m und bei 15% Luftfeuchte einen Sd-Wert von 15 m an. Damit funktioniert das System auch bei unterschiedlicher Belastung immer in der gewünschten Richtung. Ein Problem der immer dichteren Bauten ist das Auftreten von Umkehrdiffusion im Sommer.

Dabei kommt es zu einer Diffusion von aussen nach innen in der warmen Jahreszeit, die Abdichtung des Fensters wird plötzlich in umgekehrter Richtung belastet. Diese Gefahr besteht aber nur bei geschlossenen, klimatisierten Räumen und eventuell bei Gebäuden, in denen die Nachtauskühlung konsequent angewandt wird. Sobald die Fenster tagsüber zu Lüftungszwecken geöffnet werden – das ist in unbelüfteten Gebäuden zweifellos die Regel – kann man eine Umkehrdiffusion ausschliessen. Doch feuchteadaptive Bänder reagieren nicht so schnell, wie man es sich wünschen würde. Falls etwas Wasser im «Niemandsland» zwischen aussen und innen verbleibt, kann es dank adaptiver Abdichtung innert nützlicher Frist in die gefällsbildende Richtung ausdiffundieren.

Gut getränkte Schaumstoffe

Neben Dichtungsbändern aus Butyl oder Membranen, die man aussen und innen anbringt, haben sich auch Kompribänder aus Schaumstoff bewährt. Die Montage ist einfach: Man klebt die vorkomprimierten Zellstoffbänder an die Rahmenaussenkante, montiert den Rahmen in die Laibung und lässt die Struktur expandieren. Der Quellvorgang am Band ist temperaturabhängig, bei Kälte quellen sie langsamer.

In den Produkten steckt eine geballte Ladung Technik. «Die Schaumstoffbänder werden in der Produktion mehrfach komprimiert, durch Bäder mit Impregnat gezogen und darin wieder expandiert», sagt Schumann. Dadurch würden die Produkte optimal mit den entsprechenden Wirkstoffen getränkt. Zusätzlich erfolgt eine Beschichtung an den Flanken des Bandes um ein Diffusionsgefälle von innen nach aussen zu erzeugen. Die korrekte Ausrichtung des Bandes bei der Montage ist darum zentral.

Bei der Wahl des Abdichtungsbandes ist die Abstimmung auf die Fugenbreite wie auch auf die Rahmenstärke wichtig. Die zugelassene Fugenbreite kann man den technischen Merkblättern entnehmen. «Es ist äusserst wichtig, diese Leitplanken einzuhalten», sagt Schumann. Ansonsten sei die Funktion nicht gewährleistet. Bei der Bandbreite soll man zudem ein der Rahmendicke angepasstes Modell wählen. Im Bereich der Abdichtung soll es weder innen noch aussen zur Bildung von Hohlräumen kommen. Die Bänder sind ansonsten sehr einfach und effizient in der Anwendung. Sie erfüllen in allen drei Funktionsebenen – innen, Mitte und aussen ihren Dienst.

Klebstoff ist flexibler

Die einfach anzuwendenen Dichtmittel haben aber auch Nachteile: Ist die Anschlusswand nicht glatt, kann es schnell zu Lecks kommen. Im Gegensatz zu Pistolenklebern, wie sie bei Folien zum Einsatz kommen, passen sich die expandierenden Bänder scharfen Konturen nur zögerlich oder gar nicht an. Dieses Problem tritt vor allem bei unsorgfältig gemauerten Backsteinwänden auf. Fensterbauer sollten in solchen Fällen auf die einschlägigen SIA-Normen für das Erstellen von Fensteranschlägen verweisen. Im Laibungsbereich lässt die SIA 331 nur eine Toleranz von 0,5 cm pro Laufmeter Wand zu. Die Norm sagt allerdings nichts zu kleinen Absätzen im Backsteingefüge und unausgefüllten Mörtelfugen aus.

Wie dicht eine Fuge ist, hängt zu einem grossen Teil von der Verarbeitung ab. Ungenaues Arbeiten in den Ecken und beim Überkleben von Montagewinkeln kann zu massiven Lecks führen. Unternehmer tun also gut daran, ihre Monteure entsprechend zu schulen, zu genauer Arbeitsweise anzuhalten und die Fugen vor der Weiterarbeit zu kontrollieren.

www.tremco-illbruck.ch

Der unscheinbare Fachartikel in der werbelastigen Fachzeitschrift GFF des Holzmann Verlages sorgte für Aufregung: Fensterbauer Paul-Gerhard Stein aus Mücke in der Nähe von Frankfurt am Main hat dem Fachblatt erläutert, wie er seit Jahren Fenster nur noch schäumt und weder mechanisch befestigt noch zusätzliche Abdichtungen anbringt. Dabei vertraut er voll und ganz dem «Schnellstmontageschaum» von Belu Montagesysteme. Selbst Hebeschiebetüren mit einem Gewicht von bis zu 700 kg hat der Fensterbauer bereits ohne jegliche mechanische Fixierung montiert. Das Vorgehen ist so einfach wie bestechend: Zuerst setzen die Monteure den Rahmen mithilfe von Klemmkissen in die Laibung, schäumen partiell aus und bereits nach fünf Minuten ist der Schaum so weit ausgehärtet, dass die Kissen entfernt und auch der Rest noch geschäumt werden kann.

Zusätzliche Abdichtung nötig?

Eine zusätzliche Abdichtung zum Schaum braucht es aus der Sicht von Stein nicht. Offenbar hat Belu den Schaum geprüft und vermeldet einen Diffusionswiderstand von 1800 Pa, was in Fachkreisen als diffusionsgeschlossen gilt. Die geprüfte Wasserdampfdurchlässigkeit liege gemäss DIN 52615 bei 0,75, die Wärmeleitfähigkeit bei 0,033 W/mK. Gemäss Stein erfordere ein Schaum mit derart hohen Werten keine zusätzliche Abdichtung. Auch der Grundsatz «innen dichter als aussen» habe bei den gemessenen Werten keinen Bedeutung.

Angaben zur Statik macht das Unternehmen aber keine.

Auf der sicheren Seite bleiben

Die Ausführungen in der Fachzeitschrift haben das Institut für Fenstertechnik IFT in Rosenheim zu einer schnellen Reaktion veranlasst. «Es gebe keinen Grund, an solche ‹Wunderschäume› zu glauben», sagt Institutsleiter Ulrich Sieberath. Durch unsachgemässe Montage sowie durch Weglassen von Abdichtungen entstünden jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Die Leistungsfähigkeit von Schäumen sei ein Dauerthema, welche das IFT durch intensive Forschung auch immer wieder auslotet. Es seien zudem schon einige Schäume getestet worden, welche der klimatischen Belastung am Fenster zwar ganz knapp gewachsen waren, aber die statischen Belastungen sowie die Bewegung am Bau überhaupt nicht übernehmen konnten. Das IFT empfiehlt daher dringend, bewährte und geprüfte Lösungen einzusetzen. Im Schadensfall ist es äusserst schwierig, Rechtsansprüche durchzusetzen, wenn man nicht nach dem aktuellen Stand der Technik baut.

www.ift-rosenheim.de

Begriffe

μ-Wert

Der µ-Wert gibt den Diffusionswiderstand eines Materials ohne Dickenbezug an. Die Zahl zeigt, wie viel dichter ein Werkstoff gegenüber einer gleich dicken, ruhenden Luftschicht ist. Je grösser die Zahl ist, desto dampfdichter das Material.

Sd-Wert

Der Sd-Wert gibt den Diffusionswiderstand eines Materials an, den dieser gegenüber einer wasserdampfdiffusionsäquivalenten Luftschichtdicke aufweist. Der Wert beschreibt anschaulich, wie dick eine ruhende Luftschicht sein muss, damit sie im stationären Zustand und unter denselben Randbedingungen von demselben Diffussionsstrom durchflossen wird, wie die betrachtete Bauteilschicht. Die Formel zum Berechnen des Sd-Wertes lautet: µ-Wert × Dicke des Materials in Meter.

wi

Veröffentlichung: 04. April 2013 / Ausgabe 14/2013

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