Nichtbrennbares im Brennpunkt
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Paketzuschnitt von mit Kunstharz belegten Gipsplatten auf einer liegenden Zuschnittanlage bei der Eggimann Holzfertigung in Ramsei BE. Bild: Sven Bürki
Paketzuschnitt von mit Kunstharz belegten Gipsplatten auf einer liegenden Zuschnittanlage bei der Eggimann Holzfertigung in Ramsei BE. Bild: Sven Bürki
Zuschnitt. Der Zuschnitt von Brandschutzplatten ist für viele Schreinereien ein notwendiges Übel, denn das abrasive Material stellt Maschinen und Werkzeuge vor Herausforderungen. Ein abgestimmtes Gesamtpaket schont die Infrastruktur und das Nervenkostüm der Mitarbeiter.
Der Schreiner sieht sich in seinem Arbeitsalltag mit einer Vielzahl verschiedener Werkstoffe konfrontiert. Zweifelsohne gibt es dabei Produkte, mit denen er lieber arbeitet als mit anderen. Auch wenn die Vorlieben von Person zu Person verschieden sind, muss man kein Hellseher sein, um zu erraten, dass die meisten Schreiner am liebsten Massivholz in den Händen haben. Auf der anderen Seite der Beliebtheitsskala hingegen dürften wohl die verschiedenen Plattenwerkstoffe zu finden sein, die im Brandschutzbereich Verwendung finden.
Produkte, wie beispielsweise Fermacell, Duripanel oder Eternit sind wegen ihres Gewichtes oftmals schwieriger im Handling als andere Holzwerkstoffe. Zudem ist die Staubentwicklung beim Sägen und Fräsen in der Regel grösser, und der Staub haftet hartnäckig auf Material- oder Maschinenoberflächen. «Ich beobachte schon, dass die Schreiner deshalb ungern mit diesen Werkstoffen arbeiten», sagt Marco Sonderegger, Spezialist im Produktbereich Sägetechnologie bei der Arthur Bründler AG in Ebikon LU. «Die meisten unserer Kunden nehmen solche Aufträge gar nicht erst an oder lassen die Bearbeitungen von spezialisierten Unternehmen ausführen.»
Nachfragen zum Zuschnitt von gips- oder zementgebundenen Platten gebe es dennoch immer wieder, wie Sonderegger sagt. Grundsätzlich können diese problemlos auf den horizontalen oder vertikalen Plattensägen zugeschnitten werden. «Auch Firmen, die sich auf den Brandschutz spezialisiert haben, verwenden genau die gleichen Maschinen wie der Schreiner auch», sagt Sonderegger. Wer lange Freude an seinen Maschinen haben möchte, sollte dennoch einige Punkte beachten, denn die Abnützung an der Mechanik sei deutlich höher, als wenn nur MDF- oder Spanplatten zugeschnitten werden.
Insbesondere leiden Dichtungen, Lager und Linearführungen unter den abrasiven Gips- oder Zementstäuben. Deshalb gilt es, ein besonderes Augenmerk auf die Reinigung und die Wartung zu legen. «So oder so empfehlen wir, einmal pro Woche die Maschinen ab- und auszublasen», sagt Sonderegger. «Werden grosse Mengen an Brandschutzplatten zugeschnitten, empfiehlt sich dies vielleicht auch mal zwischendurch.» Zudem sollte darauf geachtet werden, dass Lager und Führungen stets gut, aber lediglich mit einem möglichst dünnen Film geschmiert sind.
Ist bereits vor dem Kauf klar, dass auf der Maschine vorwiegend oder zumindest regelmässig grosse Mengen an abrasivem Material zugeschnitten werden, sollte man dies im Vorfeld mit dem Maschinenhersteller besprechen. So können allenfalls spezielle Führungen verbaut werden, die den hartnäckigen Stäuben gegenüber unempfindlicher sind als die Standardführungen.
Die Art und die Menge des zu verarbeitenden Materials sind aber ebenso wichtige Faktoren, um die optimale Absauglösung zu finden. Denn Gips- und Zementstaub stellen auch an die Absaugung spezielle Anforderungen. Und je mehr Staub abgesaugt wird, desto weniger kann in der Maschine überhaupt erst zu Problemen führen.
Das spezifische Gewicht des entstehenden Staubes ist bei der Verarbeitung von Brandschutzplatten in der Regel deutlich höher als reiner Holzstaub oder jener von Holzwerkstoffen. «Deshalb ist der Unterdruck und die Absauggeschwindigkeit in diesem Fall etwas höher einzustellen, um die schweren Stäube optimal absaugen zu können», sagt Franz Bucher, Bereichsleiter Absaugtechnik bei der Fuchs Aadorf Absaug- und Lufttechnik AG im Thurgau.
Lange, bevor das erste Körnchen Gips- oder Zementstaub durch die Absaugrohre fliegt, sollte allerdings dessen Zielort definiert werden. Denn in der Heizung hat das nicht brennbare Material wenig verloren. «Einige unserer Kunden haben eine zweite, separate Plattensäge, um die Brandschutzplatten zuzuschneiden», sagt Bucher. «Hier kann dann auch mit einer kleinen, separaten Absauganlage gearbeitet werden.»
Wird auf derselben Plattensäge sowohl brennbares als auch nicht brennbares Material zugeschnitten, kann über Umstellweichen ein Abscheider in die Absauganlage integriert werden. Somit kann der Maschinist entscheiden, ob die Späne und der Staub ins Silo oder in eine separate Tonne transportiert werden sollen. «Für eine solche Lösung ist es immens wichtig, dass wir wissen, welche Mengen an gips- oder zementgebundenem Plattenmaterial verarbeitet werden», sagt Bucher. Denn der Staub stellt auch die Filtermatten in den Absauganlagen vor Herausforderungen.
Die herkömmlichen Matten würden sich in Kombination mit einer gewissen Luftfeuchtigkeit sehr schnell zusetzen, so der Experte. «Deshalb empfiehlt sich bei der Verarbeitung von grossen Mengen an Brandschutzplatten ein Filtermaterial mit einer speziellen Oberflächenbeschichtung», sagt Bucher. Dieses biete bei der gleichen Luftdurchlässigkeit einen wesentlich höheren Abscheidegrad. Mehr zum Thema Absaugung von nicht brennbaren Stäuben gibt es in dem Schreinerzeitungs-Artikel «Die Weichen auf sauber stellen».
Ist der Gips- oder Zementstaub dann separiert, ist das Thema allerdings noch nicht abgeschlossen. Denn dann steht noch die Entsorgung des Materials an. «Diese wird am besten bereits bei der Evaluierung einer neuen Maschine oder Absauganlage mitbedacht», sagt Bucher. Hier sollte mit einem spezialisierten Unternehmen angeschaut werden, wie das Material korrekt entsorgt werden kann.
Alternativ gibt es auch Angebote zur Rücknahme seitens der Hersteller oder Lieferanten. So gibt es etwa für die Fermacell-Gipsfaserplatte ein Rücknahme-System mit «Big Bags». Hier dürfen allerdings nur artenreiner Staub und Abschnitte zurückgegeben werden. Das Material muss zudem frei von Klebstoffen, Farben, Beschichtungen und anderen Fremdstoffen sein.
Bei der Eggimann Holzfertigung in Ramsei BE werden die Abschnitte der Brandschutzplatten in einer Mulde gesammelt, die regelmässig von einem Entsorgungsunternehmen abgeholt wird. Auch der separierte Staub aus der Absauganlage landet in der Mulde. «Das Handling des Materials ist aufgrund des hohen Gewichtes nicht zu unterschätzen», sagt Marcel Eggimann, Geschäftsführer der Firma. Auch beim Zuschnitt ist das Gewicht der Platten ein Faktor, den es besonders zu beachten gilt. Neben der liegenden Zuschnittanlage der Eggimann Holzfertigung hat es deshalb einen Vakuumheber, damit eine Person allein die Maschine beschicken kann.
Das Unternehmen aus dem Emmental hat sich unter anderem auf den Zuschnitt und die Fertigung von Brandschutzprodukten spezialisiert. «Unsere Kunden sind Schreinereien, Zimmereien oder auch Plattenhändler, die für den Zuschnitt, die CNC-Arbeiten oder auch das Bekanten nicht ausgerüstet sind», sagt Eggimann.
Die Betriebseinrichtung und die Maschinen habe man nach und nach auf die Werkstoffe aus dem Brandschutzbereich abgestimmt. So kann inzwischen beim Zuschnitt, der Breitbandschleifmaschine, den CNC-Bearbeitungszentren und dem Kantenleimer der nicht brennbare Staub separiert werden.
Auf allen Maschinen werden sowohl die normalen Holzwerkstoffe als auch gips- oder zementgebundenen Produkte bearbeitet. «Wird die Maschine zwischen einem Materialwechsel sorgfältig gereinigt, ist dies problemlos möglich», sagt Eggimann. Der Wartungsaufwand sei aufgrund des abrasiven und hartnäckigen Staubes aber durchaus etwas grösser, als wenn auf der Maschine nur Spanplatten bearbeitet werden. So komme es bei der Zuschnittanlage immer mal wieder zu Problemen bei den Druckluftventilen der Pneumatik. Auch die elektronischen Schutzschalter der Motorsteuerung musste man schon ersetzen. «Diese sind im Elektrokasten eigentlich geschützt, aber der Staub dringt dann eben doch irgendwie hinein», sagt Eggimann. Dass die Anlage den Gips- und Zementstaub ansonsten aber gut wegsteckt, zeigt ihr Alter. 20 Jahre lang arbeitet man nun schon mit der Zuschnittmaschine von IMA Schelling. «Probleme mit der Mechanik hatten wir bisher noch nie», sagt Eggimann.
Wie bei jeder Maschine des Schreiners gilt auch bei der Plattensäge: Ohne scharfes Werkzeug ist eine saubere Bearbeitung nicht möglich. «Beim Zuschnitt von Brandschutzplatten ist ein Diamant-Sägeblatt das richtige, insbesondere wenn grössere Mengen verarbeitet werden», sagt Stefan Zvar, Geschäftsführer der Leitz GmbH in Lenzburg AG. «Wir sprechen hier von 30- bis 50-mal höheren Standzeiten, im Vergleich zu einem normalen Hartmetall-Sägeblatt.» Idealerweise werde auch die Drehzahl und der Vorschub auf das zu sägende Material angepasst, sofern die Maschine das zulässt.
In jedem Fall ist es sinnvoll, sich in den technischen Datenblättern vorab über die Zusammensetzung der Werkstoffe zu informieren, damit zusammen mit dem Werkzeughersteller oder -lieferant das richtige Sägeblatt gefunden werden kann. Auch ob die Platten einzeln oder im Paket zugeschnitten werden, ist ein Faktor, der einen Einfluss auf die Wahl des Sägeblattes hat. Im Grundsatz gelte hier: Je dicker das Material, desto weniger Zähne sollte das Sägeblatt haben. «Denn im Idealfall sind immer zwei bis drei Zähne im Material», sagt Zvar.
Beim Zuschnitt von gips- oder zementgebundenen Plattenmaterialien sei vor allem ein stabiler Sägezahn und Blattkörper wichtig. «Deshalb sind Dünnschnittsägeblätter weniger gut geeignet», sagt Zvar. Zudem kommt es bei der Bearbeitung dieser Werkstoffe zu einem erhöhten Aufbau an der Schneide. Sprich, hinten am Freiwinkel des Sägezahns setzen sich die Staubpartikel und Inhaltsstoffe der Brandschutzplatten fest und sammeln sich an. «Das hat früher oder später einen Einfluss auf die Schnittqualität, auch wenn das Sägeblatt an sich noch scharf wäre», sagt Zvar. Eine Reinigung könne hier schon viel bewirken.
Bei all den Herausforderungen, die die Brandschutzplatten an Maschine und Werkzeug stellen, sehen die Experten aber auch den einen oder anderen Vorteil. «Im Vergleich zu den Standard-Spanplatten enthalten die Brandschutzplatten in der Regel weniger Fremdkörper», sagt Zvar. Gerade beim Einsatz von Diamant-Sägeblättern sei das ein Pluspunkt, da diese beim Kontakt mit Fremdkörpern im Material anfälliger sind für Schneidenausbrüche. Und Marcel Eggimann ergänzt: «Brandschutzplatten haben kaum Spannungen. Damit haben wir bisher nur bei Holzwerkstoffen Probleme gehabt.»
www.bruendler.ch www.fuchs-aadorf.ch www.eggispan.ch www.leitz.org
Veröffentlichung: 13. Februar 2025 / Ausgabe 7/2025
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