Die Robotik hält zunehmend Einzug ins Schreinerhandwerk und verändert die Art und Weise, wie Betriebe arbeiten. Automatisierte Lösungen bringen eine Effizienzsteigerung, höhere Präzision und auch eine spürbare Entlastung von Fachkräften. Trotz der offensichtlichen Vorteile stehen viele Schreinereien vor grossen Herausforderungen, wenn es um die Integration von Robotern in bestehende Produktionsprozesse geht. Investitionskosten, Platzbedarf und der Umgang mit der Technologie sind zentrale Fragen.
Einfluss auf Mensch und Produktion
Mit der zunehmenden Automatisierung stellt sich die Frage, welche Rolle der Mensch in der digitalisierten Schreinerwerkstatt der Zukunft spielt. Während Roboter monotone und körperlich belastende Tätigkeiten übernehmen können, bleibt die handwerkliche Expertise unersetzlich. Gerade bei individuellen Kundenwünschen oder aufwendigen Detaillösungen sind menschliche Fähigkeiten, Kreativität und Erfahrung gefragt. Automatisierung dient hier weniger als Ersatz, sondern vielmehr zur Entlastung von wiederkehrenden Aufgaben. Ein wesentlicher Faktor für die Effizienz der Robotik ist die Produktionsstruktur. Während automatisierte Systeme in der Serienfertigung ihre Stärken voll ausspielen, gestaltet sich der Einsatz in Betrieben mit hoher Variantenvielfalt und kleineren Losgrössen anspruchsvoller. In der Einzelfertigung «Losgrösse 1» müssen Maschinen flexibel auf unterschiedliche Werkstücke reagieren, was bisher oft eine manuelle Bearbeitung erforderte. Moderne Robotersysteme mit intelligenter Software und lernfähiger Steuerung verringern diesen Nachteil und machen auch individuelle Fertigung zunehmend automatisierbar.
Die Herausforderungen nutzen
Trotz aller Vorteile stehen viele Betriebe der Robotik noch skeptisch gegenüber. Einer der grössten Hemmschwellen ist die Investition. Die Anschaffung eines Roboters ist mit hohen Kosten verbunden und amortisiert sich oft erst bei grösseren Stückzahlen. Zudem braucht es entsprechendes Know-how für Bedienung, Wartung und Integration in bestehende Prozesse. Der erfolgreiche Praxiseinsatz hängt massgeblich davon ab, wie gut die Technologie in bestehende Strukturen integriert wird und ob sie den individuellen Bedürfnissen eines Betriebs gerecht wird.
Praxiswissen aus der Branche
Auf den nachfolgenden Seiten haben fünf Fachleute die gleichen zehn Fragen zum Thema Robotik in der Schreinerbranche beantwortet. Die Einsichten zeichnen ein differenziertes Bild über den aktuellen Stand und die Zukunftsperspektiven der Automatisierung mittels Robotern. Die Interviews zeigen auf, wie mit Robotik nicht nur Prozesse optimiert, sondern auch langfristig von der technologischen Entwicklung profitiert werden kann.
Potenzial mit Grenzen
Michael Gwerder ist Gebietsverkaufsleiter bei der Biesse Schweiz GmbH und zuständig für die Beratung und den Verkauf von Anlagen mit Robotern in Schreinerbetrieben.
- Schreinerzeitung: Wie verbreitet ist der Einsatz von Robotik in Schreinereibetrieben, und wie hat sich dieser Einsatz in den letzten Jahren entwickelt?
- Michael Gwerder: Der Einsatz von Robotik in Schreinereibetrieben ist derzeit noch gering, doch die Nachfragen und Lösungen nehmen laufend zu. Vereinfachte Programmierung, steigende Personalkosten und der Fachkräftemangel machen Roboter zu einer vielversprechenden Lösung, insbesondere für repetitive Aufgaben.
- Welche Roboter- oder Automatisierungslösungen sind besonders relevant für die Schreinerbranche und warum?
- Wir setzen Roboter vor allem für die Beschickung von CNC-Anlagen, Bohrzentren und zum Kommissionieren von Teilen ein. Dabei müssen sie passend zum Teilegewicht, den Abmessungen und den Platzverhältnissen beim Kunden dimensioniert werden. Besonders beim Kommissionieren nach dem Kantenleimen sind grössere Greifbereiche oder Linearachsen erforderlich. Bei unregelmässigen Formen oder im Pendelbetrieb bieten Roboter mehr Flexibilität. Zudem kommen sie in der Schreinerbranche fürs Lackieren, Schleifen und fürs Handling zum Einsatz.
- Welche Herausforderungen stehen einer breiteren Einführung in Schreinereibetrieben aktuell noch im Weg?
- Hohe Kosten, Platzmangel, die Programmierung und die geringe Flexibilität bei individuellen Aufträgen bremsen den Robotereinsatz in Schreinereien. Zudem fehlen Fachkräfte für Wartung und Bedienung, obwohl das Interesse stetig wächst.
- Welche Vorteile und Chancen ergeben sich aus der Nutzung von Robotik für Schreinereibetriebe, sowohl in Bezug auf Produktivität als auch auf Qualität?
- Die Robotik steigert die Produktivität und Qualität bei repetitiven Aufgaben durch präzise und schnelle Bearbeitung, weniger Fehler und geringere Personalkosten. Roboter haben eine sehr hohe technische Verfügbarkeit und werden für den Schichtbetrieb eingesetzt.
- In welchen konkreten Bereichen können Schreinereibetriebe durch den Einsatz von Robotik neue Möglichkeiten für die Produkt- und Produktionsgestaltung erschliessen?
- Aus meiner Sicht kann ein Schreinerbetrieb mit Robotik die CNC-Beschickung, das Schleifen und das Lackieren von Serien oder ähnlichen Teilen sowie die Kommissionierung von Teilen effizienter gestalten. Diese Vorteile kommen aus meiner Sicht vorwiegend ab gewissen Losgrössen ähnlicher Teile zum Tragen.
- Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Robotik in der Schreinerbranche? Welche neuen Technologien oder Trends könnten relevant werden?
- Die Robotik in der Schreinerbranche wird zunehmend benutzerfreundlicher. Cobots können beispielsweise direkt und ohne Abschrankungen im Montagebereich eingesetzt werden.
- Wie kann Robotik sinnvoll in traditionelle handwerkliche Prozesse integriert werden, um die menschliche Expertise optimal zu ergänzen?
- Hier sehe ich die Anwendungen bei repetitiven oder körperlich belastenden Aufgaben.
- Welche finanziellen Überlegungen sollten Schreinereibetriebe anstellen, wenn sie den Einsatz von Robotik erwägen?
- Grundsätzlich geht es um ein Abwägen der Investitions-, Platz- und Wartungskosten gegenüber den Einsparungen an Personalkosten und der Effizienzsteigerung des Betriebs. Auch muss abgewägt werden, wie sich das Teilespektrum und die Losgrössen des Betriebs während der Amortisationsdauer der Anlage entwickeln.
- Welche Auswirkungen hat die Einführung von Robotik auf die Ausbildung und das erforderliche Fachpersonal in der Branche?
- Die Einführung von Robotik hat ähnliche Auswirkungen wie die Auswirkung der C-Technologien. Das Fachpersonal muss sich das technische Wissen zur Bedienung und Wartung dieser Systeme aneignen.
- Welche praktischen Ratschläge würden Sie Schreinereibetrieben geben, die darüber nachdenken, in Robotik zu investieren?
- Schreinerbetriebe sollten den Robotereinsatz gut abwägen, da hohe Investitionskosten und Anpassungen nötig sind. Es sollte geprüft werden, ob Robotik eine echte Entlastung bietet und ein passendes Teilespektrum auch zukünftig vorhanden ist. Mit sorgfältiger Planung und Schulung kann die Technologie jedoch langfristig die Effizienz eines Betriebs steigern.
www.biesse.com
Chance für zukünftiges Wachstum
Eric Ineichen ist Leiter Innendienst und Produktmanagement bei der Ineichen AG aus dem luzernischen Ermensee. Das Unternehmen vertreibt Cobots von Universal Robots.
- Schreinerzeitung: Wie verbreitet ist der Einsatz von Robotik in Schreinereibetrieben, und wie hat sich dieser Einsatz in den letzten Jahren entwickelt?
- Eric Ineichen: Der Einsatz von Robotik in Schreinereibetrieben hat sich in den letzten Jahren auch in kleineren und mittelgrossen Betrieben verstärkt. Die Kostensenkung und Effizienzsteigerung, die Präzision und Qualität, die verbesserte Zugänglichkeit von Roboterlösungen für kleinere Schreinereibetriebe und die Integration von künstlicher Intelligenz haben den Nutzen von Robotern in der Schreinerindustrie weiter erhöht. Insbesondere bei kleinen Serien und individuellen Anforderungen finden die Cobots durch die einfach programmierbare Software Verwendung.
- Welche Roboter- oder Automatisierungslösungen sind besonders relevant für die Schreinerbranche und warum?
- Aufgrund der Flexibilität und platzsparender Automationslösungen bieten Cobots, die ohne externe Sicherheitstechnik funktionieren, eine flexible Möglichkeit der Automation von Kleinserien und in Betrieben mit Platzmangel. Typische Anwendungen sind Lackieren, Polieren, Schleifen, Sandstrahlen, Be- und Entladen von Maschinen, wie beispielsweise Kantenanleimmaschinen oder Nestingmaschinen.
- Welche Herausforderungen stehen einer breiteren Einführung in Schreinerei- betrieben aktuell noch im Weg?
- Oftmals stehen den Betrieben die Investitionskosten, der Respekt vor technischen Automationslösungen, die Angst vor Veränderungen sowie das fehlende Know-how im Weg. Wir empfehlen hier den Start mit einer konkreten, simplen Anwendung. Man muss einfach loslegen und sich von Anwendung zu Anwendung weiterentwickeln und Know- how aufbauen.
- Welche Vorteile und Chancen ergeben sich aus der Nutzung von Robotik für Schreinereibetriebe, sowohl in Bezug auf Produktivität als auch auf Qualität?
- Die Robotik ermöglicht eine höhere Maschinenauslastung und wird einfacher in der Programmierung. Es wird eine höhere Qualität durch wiederholgenaue Prozesse ermöglicht, und es ist ein Wachstum selbst bei den kleinsten Betrieben durch die Annahme höherer Auftragsvolumen möglich.
- In welchen konkreten Bereichen können Schreinereibetriebe durch den Einsatz von Robotik neue Möglichkeiten für die Produkt- und Produktionsgestaltung erschliessen?
- Der Einsatz von Cobots ist in praktisch allen Bereichen, von der Montage über Endbearbeitung, Zuschnitt, Dispensieren, Schleifen, Polieren bis hin zum Lackieren möglich.
- Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Robotik in der Schreinerbranche? Welche neuen Technologien oder Trends könnten relevant werden?
- Durch hohe Varianz beziehungsweise den Trend von «high mix» und «low volume» wird der Einsatz von künstlicher Intelligenz unabdingbar und gilt hier als der Wachstumstreiber.
- Wie kann Robotik sinnvoll in traditionelle handwerkliche Prozesse integriert werden, um die menschliche Expertise optimal zu ergänzen?
- Menschen können mit Robotern über verschiedenste Anwendungen und Industrien hinweg zusammenarbeiten. Sie bieten Unterstützung bei monotonen und repetitiven Aufgaben, sodass Mitarbeitende für kreative und anspruchsvolle Aufgaben eingesetzt werden können.
- Welche finanziellen Überlegungen sollten Schreinereibetriebe anstellen, wenn sie den Einsatz von Robotik erwägen?
- Es gilt, die Kosten-Nutzen-Rechnung, die Kostenersparnis beim Einsatz des Personals für wertschöpfende Tätigkeiten und die generellen Personalkosten zu beachten. Oftmals herrscht das Problem, dass Unternehmen keine Mitarbeitende finden, hier können Roboter eine gute Unterstützung darstellen. So kann ein Betrieb ohne neue Fachkräfte dennoch ein Wachstum generieren.
- Welche Auswirkungen hat die Einführung von Robotik auf die Ausbildung und das erforderliche Fachpersonal in der Branche?
- Man sollte sich frühzeitig mit den Trends in der Branche vertraut machen, sodass man auch für zukünftige Eventualitäten gewappnet ist. Zusätzlich zu dem traditionellen Handwerk wird künftig die technische Expertise gefordert.
- Welche praktischen Ratschläge würden Sie Schreinereibetrieben geben, die darüber nachdenken, in Robotik zu investieren?
- Handwerksunternehmen wie Schreinereien sollten sich schnellstmöglich mit den Trends und Möglichkeiten der Branchen vertraut machen, um auch für die Zukunft entsprechend aufgestellt zu sein. Als Start empfehlen wir, den Kontakt zu lokalen Vertriebspartnern zu suchen, sich beraten zu lassen, damit die Angst gegenüber Robotik abgebaut werden kann.
www.ineichen.ch
Vom Zuschnitt über CNC bis zur Sortierung
Patrik Meyer ist Ansprechpartner für Schreinerei und Holzbau im Handwerk und Industrie bei der Homag Schweiz AG aus Höri ZH. Homag bietet als Hersteller die gesamte Prozesskette der Fertigung an.
- Schreinerzeitung: Wie verbreitet ist der Einsatz von Robotik in Schreinereibetrieben, und wie hat sich dieser Einsatz in den letzten Jahren entwickelt?
- Patrik Meyer: Die Roboter sind in den Schweizer Schreinereien noch eine Seltenheit. Durch die Flexibilität der Roboter, die Technik und den Umstand, dass es schwieriger wird, zuverlässige Mitarbeitende zu finden, wird die Entwicklung der Robotik in den Schreinereien sicher gefördert und findet stets auch mehr Akzeptanz.
- Welche Roboter- oder Automatisierungslösungen sind besonders relevant für die Schreinerbranche und warum?
- Wir sehen die Robotik stark beim Zuschnitt und bei den CNC-Maschinen. Beim Zuschnitt sind alle Bewegungen, Formate der Teile und Daten klar definiert. Auf diese Weise kann man die Technik des Roboters sehr schnell und einfach implementieren. Weiter ist bei den Schreinern im Bereich Zuschnitt die Akzeptanz sehr gross, denn welcher Schreiner schneidet gerne den ganzen Tag Platten zu?
- Welche Herausforderungen stehen einer breiteren Einführung in Schreinerei- betrieben aktuell noch im Weg?
- Zentrale Herausforderungen sind der Wille, die Produktion zu automatisieren, der Platz, welcher der Roboter durch den Schutzbereich benötigt, und die Daten, damit der Roboter angesteuert werden kann.
- Welche Vorteile und Chancen ergeben sich aus der Nutzung von Robotik für Schreinereibetriebe, sowohl in Bezug auf Produktivität als auch auf Qualität?
- Als grössten Nutzen sehen wir die Möglichkeit, dass wir unsere Fachkräfte in jenen Bereichen einsetzen, in denen sie ihr Können und Wissen am besten einsetzen können. Monotone Arbeiten, welche sich immer wiederholen, sollen von Robotern erledigt werden. Diese werden auch nicht müde oder krank. So betrachtet sind Roboter auch bei körperlich sehr anstrengenden Arbeiten von grossem Vorteil.
- In welchen konkreten Bereichen können Schreinereibetriebe durch den Einsatz von Robotik neue Möglichkeiten für die Produkt- und Produktionsgestaltung erschliessen?
- Bei allen Tätigkeiten, welche von einem Roboter ausgeführt werden können. Es kommt immer auf den Kunden und dessen Produkte an. Bei uns sind die Roboter hauptsächlich in der Plattenverarbeitung im Einsatz, des Weiteren auch in den Bereichen Kante, CNC, Teile sortieren usw.
- Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Robotik in der Schreiner- branche? Welche neuen Technologien oder Trends könnten relevant werden?
- Die Tendenz ist ganz klar steigend. Dies vor allem, weil die Mitarbeitenden fehlen, welche die Fleissarbeit an den Maschinen erledigen. Weiter wird die Ansteuerung einfacher, und die Daten für den Roboter werden immer durchgängiger. Mittlerweile kann ein chaotischer Stapel, welcher ein Roboter auf der Säge zusammengestellt hat, über die Kante zur CNC durchgeschleust werden. Die Roboter, sprich die Steuerung weiss, was kommt und was gemacht werden muss. So können einzelne autonome Zellen erstellt werden, welche miteinander kommunizieren.
- Wie kann Robotik sinnvoll in traditionelle handwerkliche Prozesse integriert werden, um die menschliche Expertise optimal zu ergänzen?
- Überall dort, wo die Betriebe und Personen offen für neue Technologien sind.
- Welche finanziellen Überlegungen sollten Schreinereibetriebe anstellen, wenn sie den Einsatz von Robotik erwägen?
- Schreiner müssen wissen, was für Arbeiten sie mit einem Roboter erledigen wollen und wie viele Arbeitsstunden mit der Technologie eingespart werden können. Zudem muss klar sein, wie die Robotik den Betrieb bei der Entlastung des Fachpersonals unterstützen kann.
- Welche Auswirkungen hat die Einführung von Robotik auf die Ausbildung und das erforderliche Fachpersonal in der Branche?
- Das Fachpersonal muss technikaffin sein, aber keine spezielle Ausbildung vorweisen. Wichtig ist, dass die zu bestückende Maschine fehlerfrei bedient werden kann. Das ganze Konzept soll, wenn möglich, aus einer Hand kommen, damit aufwendige Schnittstellen reduziert werden können.
- Welche praktischen Ratschläge würden Sie Schreinereibetrieben geben, die darüber nachdenken, in Robotik zu investieren?
- Man sollte sich Gedanken machen, was und wie viel man produzieren möchte. Es ist wichtig, zu wissen, von wo die Daten kommen und wo die Anlage im Arbeitsfluss Sinn macht. Zudem ist die passende Wahl des Partners entscheidend, der mich vom Konzeptgedanken über die Planung zur Realisierung bis hin zum Support unterstützen kann.
www.homag.com
Zusammenspiel von Maschine und Prozess
Luca Föhn ist Chief Operating Officer (COO) und Mitinhaber der Borm-Informatik AG aus Schwyz. Das Unternehmen ist auf Branchensoftware und Digitalisierung spezialisiert.
- Schreinerzeitung: Wie verbreitet ist der Einsatz von Robotik in Schreinerei- betrieben, und wie hat sich dieser Einsatz in den letzten Jahren entwickelt?
- Luca Föhn: Die Anwendung von Robotik und ähnlichen Automationen nimmt kontinuierlich zu. Es bleibt jedoch im Vergleich zu anderen Industriezweigen in den Schreinereien vorerst ein begrenztes Einsatzgebiet aufgrund der hohen Individualität der Produkte.
- Welche Roboter- oder Automatisierungslösungen sind besonders relevant für die Schreinerbranche und warum?
- Roboterunterstützung für die Beschickung und das Teilehandling ist interessant. Beispielsweise beim liegenden Zuschnitt oder beim Teilehandling an einer stehenden CNC. Diese repetitiven Aufgaben eignen sich für die Automatisierung besonders. Zudem ermöglichen moderne Softwarelösungen mittlerweile eine gute Integration von Automatisierungstechnologien in den Produktionsprozess, indem sie die zusätzlich benötigten Informationen wie Teilehandling oder Stapelinformationen bereitstellen.
- Welche Herausforderungen stehen einer breiteren Einführung in Schreinerei- betrieben aktuell noch im Weg?
- Herausforderungen für eine breitere Einführung von mehr Robotik in Schreinereien liegen hauptsächlich in der hohen Individualität der Produkte und Bauteile. Die Anpassung von Robotersystemen an variierende und komplexe Aufgabenstellungen erfordert erhebliche Investitionen in flexible Automatisierungslösungen und entsprechende Softwareprozesse. Nach wie vor ist spürbar, dass viele Robotersysteme und deren Steuerungssoftware in der Serienindustrie gross geworden sind.
- Welche Vorteile und Chancen ergeben sich aus der Nutzung von Robotik für Schreinereibetriebe, sowohl in Bezug auf Produktivität als auch auf Qualität?
- Aktuell hat ein Roboter oder eine erweiterte Automatisierungslösung zunächst das Potenzial, Flaschenhälse in der Produktion zu reduzieren und somit die Produktivität zu heben. Erweitert eingesetzt, gibt es Vorteile in der präzisen und konsistenten Arbeit sowie der Entlastung von Mitarbeitenden bei monotonen oder körperlich belastenden Aufgaben.
- In welchen konkreten Bereichen können Schreinereibetriebe durch den Einsatz von Robotik neue Möglichkeiten für die Produkt- und Produktionsgestaltung erschliessen?
- Aktuelle Anwendungen in der Schreinerei sind oftmals auf Teilehandling ausgelegt. So kann das Handling beim Zuschnitt, das Handling an der CNC und das Handling beim Sortieren oder Abstapeln automatisiert werden. In industriellen Betrieben der Möbelherstellung wird viel mit Robotik gearbeitet. Hier sind oftmals explizit Automatiker-Teams angestellt für die Implementierung und den Unterhalt der Anlagen.
- Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Robotik in der Schreiner- branche? Welche neuen Technologien oder Trends könnten relevant werden?
- Es ist zu erwarten, dass der Einsatz von Robotern in der Schreinerbranche zunehmen wird. Ebenso werden kleinere Cobots günstiger, robuster und flexibler. Ich denke, dass der Einsatz von Robotern bei spezifischen Prozessen in den kommenden Jahren auch bei Kleinschreinereien Sinn machen kann. Auch hier müssen gleichartig zu verarbeitende Bauteile vorhanden sein, damit sich dies überhaupt lohnen kann.
- Wie kann Robotik sinnvoll in traditionelle handwerkliche Prozesse integriert werden, um die menschliche Expertise optimal zu ergänzen?
- Hier muss gut geplant und abgewägt werden, wo sich der Einsatz effektiv lohnt. Unsere Schreinerbranche lebt von der schnellen Anpassbarkeit an Umstände und dem breiten Know-how der Mitarbeitenden. Dies ermöglicht es Betrieben, sich in Krisen schnell an Umstände anzupassen. Eine Roboteranlage bringt diese Grundlage nicht oder nur teilweise mit.
- Welche finanziellen Überlegungen sollten Schreinereibetriebe anstellen, wenn sie den Einsatz von Robotik erwägen?
- Viele Kosten sind erst ersichtlich, wenn man sich vollumfänglich mit den Prozessen vor und nach der Automatisierung beschäftigt. Eine Roboter- oder Automatisierungslösung erfordert teilweise enorme Daten, um selbstständig arbeiten zu können. Dies muss frühzeitig berücksichtigt werden.
- Welche Auswirkungen hat die Einführung von Robotik auf die Ausbildung und das erforderliche Fachpersonal in der Branche?
- Wir müssen uns sicherlich überlegen, ob wir in Zukunft aufbauend auf dem Wissen um Werkzeuge und deren Anwendung auch vermehrt hinsichtlich Prozesswissen in der maschinellen Automation ausbilden sollten.
- Welche praktischen Ratschläge würden Sie Schreinereibetrieben geben, die darüber nachdenken, in Robotik zu investieren?
- Es gibt keine pfannenfertigen Automatisierungslösungen. Eine Automatisierung ist immer ein Zusammenspiel von Maschine, Prozessablauf, Daten, Werkstücken und Mensch. Ich als Betrieb muss dabei Wissen aufbauen und im Projekt mitwirken.
www.borm-software.com
Investitionen wohlüberlegt tätigen
Urs Scherer ist Unternehmensberater und Partner bei der Tre Innova AG aus Hünenberg ZG. Er berät Unternehmen aus der Holz- branche unter anderem in den Bereichen Produktionsplanung und Wirtschaftlichkeit.
- Schreinerzeitung: Wie verbreitet ist der Einsatz von Robotik in Schreinerei- betrieben, und wie hat sich dieser Einsatz in den letzten Jahren entwickelt?
- Urs Scherer: Aus meiner Sicht muss man unterscheiden zwischen Robotik und Automation. Beides wird immer mehr zum Thema in grösseren Schreinereien. Die Robotik bietet Vorteile beim Lackieren von Fenstern oder individuellen Einzelteilen, dem Beschicken oder Abstapeln von Teilen bei Maschinen und der Ein- oder Auslagerung von Teilen.
- Die Automation bietet sich zum Flächenlackieren, bei Beschickungs- oder Abstapelungsanlagen von Teilen bei Maschinen und bei Transportanlagen an. Meistens werden diese Anlagen in grösseren Firmen eingesetzt, um einfache oder unbeliebte Arbeiten zu erledigen, da es immer schwieriger wird, Personal zu finden.
- Welche Roboter- oder Automatisierungslösungen sind besonders relevant für die Schreinerbranche und warum?
- In der Schreinerbranche sehe ich momentan vor allem Einsätze bei Lackieranlagen und der Beschickung und Abstapelung von Teilen auf Maschinen.
- Welche Herausforderungen stehen einer breiteren Einführung in Schreinerei- betrieben aktuell noch im Weg?
- Die Kosten stellen meistens eine grosse Hürde dar. Auch die Ansteuerung und das Know-how der Mitarbeitenden können eine Herausforderung darstellen. Die benötigten Sicherheitseinrichtungen werden oftmals ebenfalls unterschätzt, was den Platzbedarf und die Vorschriften betrifft.
- Welche Vorteile und Chancen ergeben sich aus der Nutzung von Robotik für Schreinereibetriebe, sowohl in Bezug auf Produktivität als auch auf Qualität?
- Eine zentrale Chance ist die Möglichkeit, eine einheitliche Qualität, unabhängig von der individuellen Tagesform, zu erzielen. Auch der Fachkräftemangel kann durch die Automation etwas gelindert werden, und die Produktion ist nicht mehr an die Arbeitszeiten gebunden.
- In welchen konkreten Bereichen können Schreinereibetriebe durch den Einsatz von Robotik neue Möglichkeiten für die Produkt- und Produktionsgestaltung erschliessen?
- In Zukunft werden auch Cobots vermehrt eingesetzt werden können. Diese werden angelernt und müssen sicherheitstechnisch nicht abgesperrt werden. Auch kostenmässig können solche Roboter attraktiv sein. Im Tech-Center in Biel BE wird ein solcher Roboter für die Beschickung einer stehenden CNC eingesetzt. Dieser ist mobil und kann an verschiedenen Maschinen eingesetzt werden. Im Bereich der Oberflächenbehandlung werden Roboter immer gefragter und auch eingesetzt.
- Wie kann Robotik sinnvoll in traditionelle handwerkliche Prozesse integriert werden, um die menschliche Expertise optimal zu ergänzen?
- Einen sinnvollen Einsatz sehe ich bei Arbeiten, welche unattraktiv oder repetitiv sind. Auch Arbeiten, welche immer die gleiche Qualität haben müssen, bieten viel Potenzial für den Robotereinsatz.
- Welche finanziellen Überlegungen sollten Schreinereibetriebe anstellen, wenn sie den Einsatz von Robotik erwägen?
- Die Anschaffungskosten und zusätzlichen Betriebskosten müssen mittelfristig durch Einsparungen beim Personal oder durch weniger Ausschuss und Verbesserungsleistungen gedeckt werden können.
- Welche Auswirkungen hat die Einführung von Robotik auf die Ausbildung und das erforderliche Fachpersonal in der Branche?
- Die Programmierung ist heute nicht mehr so anspruchsvoll, da die Ansteuerung durch gute Software unterstützt werden kann. Es wird aber zukünftig noch mehr Spezialwissen erfordern, was eine Zusatzausbildung bedeuten kann. Ich glaube nicht, dass in der Grundbildung zu stark auf Robotik oder Automation eingegangen werden muss.
- Welche praktischen Ratschläge würden Sie Schreinereibetrieben geben, die darüber nachdenken, in Robotik zu investieren?
- Experimente, beispielsweise den vorschnellen Einsatz von Neuentwicklungen, sollten möglichst vermieden werden. Es sollte auf Technologien und Partner gesetzt werden, welche schon etwas etabliert sind oder in vergleichbarer Situation bereits Erfahrungen haben. Der Einbezug von Referenzen aus der Branche kann viele Fragen oder Antworten liefern, welche vorgängig zu Erkenntnissen führen können.
www.treinnova.ch
Noah Gautschi, NJG