Nicht nur für eingefleischte Vegetarier
Der Wachstumsschrank mit stets frischen Kräutern schaltet beim Öffnen vom Pflanzenlicht auf ein Gebrauchslicht um. Geschlossen, bleibt am Rand ein farbiger Lichtstreifen sichtbar. Bild: Michael Liebert
Der Wachstumsschrank mit stets frischen Kräutern schaltet beim Öffnen vom Pflanzenlicht auf ein Gebrauchslicht um. Geschlossen, bleibt am Rand ein farbiger Lichtstreifen sichtbar. Bild: Michael Liebert
Vegi-Küchenentwurf. Die Küche als Ort, in dem etwas geschieht, was am Ende allen Freude bereitet. Damit die fleischlose Kost schmackhaft und praktikabel zubereitet werden kann, hat sich ein Team an das Design einer Vegi-Küche gemacht. Die Ideen schmecken auch mit Fleisch.
Schluss mit Fleisch. So denkt eine kleine, aber wachsende Minderheit von Menschen. Etwa zwei Prozent sollen es in der Schweiz sein, so eine Studie von Coop Délicorn vor drei Jahren. Laut anderen Quellen könnten auch drei oder vier von Hundert Konsumenten ganz auf Fleisch verzichten. Was die Studie auch gezeigt hat: Immer mehr Menschen gehören in der Schweiz zu den Teilzeitvegetariern, den sogenannten «Flexi- tariern». Dieser Gruppe sollen bereits 40 Prozent der Bevölkerung angehören. Diese verzichten nicht gänzlich auf Fleisch, Geflügel oder Fisch, sondern essen einfach weniger davon und öfter vegetarisch.
Für diese Konsumenten hat das österreichische Designerteam von Formquadrat, in Kooperation mit professionellen Köchen aus der vegetarischen Küche, Ansätze und Lösungen für eine Küche entwickelt, die den Kochfluss vegetarischen Kochens in den Funktionsabläufen unterstützt, verbessert und auch neu erfindet. Damit will man der stetig wachsenden Zahl von «Fleischverzichtern» praktische Lösungen in einem fordernden und flexiblen Alltag anbieten. Das Ergebnis – erstmalig an der letzten Möbelmesse «imm» in Köln gezeigt – ist die Küche nach Funktionsbereichen oder auch «Units» gegliedert. Die Units sind eine Konsequenz aus den praktischen Überlegungen für die vegetarische Küche, in der gekocht wird. Es sollte auch kein fertiger Küchenentwurf sein, den man dann so einfach bestellen kann.
«Wir haben uns fokussiert im Designprozess auf das Kochen und Wirken in einer solchen Küche und Lösungen gefunden», erklärt Mario Zeppetzauer vom Designerteam der Formquadrat GmbH. Die «Voo- king»-Konzeptküche besteht aus aktiven und passiven Zonen. Zur aktiven Zone zählen ein «Herd-Unit», ein «Spüle-Keimen-Unit» und ein «Würzen-Schneiden-Unit». Also Arbeitsbereiche, die mit einer längeren, aktiven Kochtätigkeit einhergehen. In der passiven Kochzone sind ein «Kühlen-Unit», ein «Ofen-Unit», ein «Getreide-Unit» und ein «Farming-Unit».
Besonders auffällig ist bei «Vooking» sicher das sogenannte «Farming-Unit». «Frische Kräuter und Gewürze oder sogar Nutzpflanzen selber ernten, ist für viele in urbaner Umgebung ein Traum», weiss Zeppetzauer. Die «Farming-Unit» in Form eines Wachstumsschrankes ist mit Pflanzen-LEDs und einem Lüftungssystem ausgestattet. Optional kann auch ein Bewässerungssystem integriert werden. Es können bis zu vier verschiedene Klimabereiche im Schrank nachgestellt werden, für die ein Gärtner die jeweilig geeigneten Pflanzen in vier Gruppen eingeteilt hat. Beim Öffnen der Tür wechselt das Wachstumslicht automatisch in ein Weisslicht, das die selektive Ernte der Pflanzen und Kräuter ermöglicht. So hat der Koch ganzjährig frische Kräuter zur Verfügung – auch ohne Garten.
In der vegetarischen Küche kommen tendenziell mehr Gewürze zum Einsatz. Darüber hinaus ist die Frische und Qualität der Gewürze für Vegi-Gourmets ein entscheidendes Kriterium. Deshalb hat man diese direkt bei der Arbeitsfläche in 36 Tongefäs-sen untergebracht. Denkbar ist auch, die Gefässe elektrisch aus- und einfahrbar auszustatten, ähnlich einem Lift für einen Flachbildschirm. Ebenso direkt am Schneidarbeitsplatz integriert ist eine Mörsersta- tion und eine Küchenmaschine. Die Keramikfläche ist aus «Dekton». Das recht unempfindliche Material eignet sich auch für die Verarbeitung von Teigen. Zwei mobile Schneidbretter können auch auf dem Spülbecken platziert werden.
In der vegetarischen Küche müssen viele Zutaten gereinigt, gewaschen und vorzerkleinert werden. Dementsprechend wichtig ist eine praktikable und grosszügige Wasserstelle. Die Designer haben deshalb ein geräumiges Doppelspülbecken mit zusätzlichen Ablaufflächen und einer Profi-Brause vorgesehen. Einmalig ist wohl die «Keimbrücke», die direkt in die Spüle integriert ist. «Die darauf angedockten Keimgefässe sind aus Glas mit speziellen Siebverschlüssen und können auch zur Aufbewahrung verwendet werden», erklärt Zeppetzauer, denn in der veganen und vegetarischen Küche werden für viele Gerichte gerne Keimlinge verwendet.
Ein extra Korpus beinhaltet das Kornlager samt Einbaumühle. In bis zu sechs Getreidesäcken werden die verschiedenen Sorten gelagert und können über einen Dosierungsmechanismus in den Trichter der Getreidemühle befördert werden. So lässt sich das Getreide frisch bereitstellen, dank der integrierten Waage auch portionenweise. Die Macher sind überzeugt: «Nicht nur der Mehlkern, sondern das ganze Korn ist wertvoll. Auch die Frische des Mehls ist entscheidend für die gesunde Ernährung und den Geschmack.» Während die Kornsäcke und die Mühle hinter Fronten versteckt bleiben, kann das zu befüllende Gefäss einfach unter die Befüllstation gestellt werden.
Profis kochen meist mit Gas. Neben einem normalen zweiflammigen Gasherd haben die Macher von «Vooking» noch eine Wok-Gaseinheit und eine Teppan-Yaki-Platte vorgesehen, um möglichst flexibel alle Bedürfnisse abdecken zu können. «Die vegetarische Küche kennt eine grosse Zahl an verschiedenen Kochformen», erklärt Zeppetzauer. Für Gas hat man sich entschieden, da man die Küche mit höchster Koch- und Speisequalität verbinden wollte. Anstelle von Gas sehen die Designer Induktionsherde hinsichtlich der energetischen Effizienz aber als gleichwertige Variante an.
«Kühlen und Frischhalten sind essenziell für diese Form des Kochens und somit quantitativ und qualitativ ausgeprägter als in normalen Küchen», sagt Zeppetzauer. Der verwendete Kühlschrank hat deshalb mehrere Kühlzonen, was helfen soll, die verschiedenen Lebensmittel individuell zu lagern. Zwar herrscht in jedem Kühlschrank ein gewisses Temperaturgefälle. Doch die klare Definition von Kühlbereichen mit unterschiedlichen Temperaturen ist in dieser Form sicher aussergewöhnlich und auch zielführend. Neben den verschiedenen Temperaturbereichen weist die Kühl-einheit auch ein Gefrierfach auf.
Eher konventionell zeigt sich demgegenüber der Bereich des Backens. Vorgesehen ist neben einem normalen Backofen hoher Qualität natürlich auch ein Dampfbackofen (Steamer). Gemüse kann so vitaminschonend gegart werden.
Überzeugte Fleischesser mögen beim ganzen Thema einwenden, dass es nicht eine Fleisch- und eine vegetarische Küche gibt, sondern nur eine feine und eine weniger feine Küche. Nicht zuletzt deshalb interessieren sich auch zunehmend Nicht-Vege- tarier für die Ideen aus der Vegi-Küche. «Wenn wir mehr Köche zu mehr Freude am fleischlosen Kochen verführen können, dann ist uns das natürlich recht», so Zeppetzauer. Ein Partnerunternehmen in Gestalt eines Küchenbauers gibt es bislang allerdings nicht.
Veröffentlichung: 26. November 2015 / Ausgabe 48/2015
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