Neues Zuhause für den Wein

Der Veranstaltungs-saal besticht durch das Zusammenspiel von Schrägen und Geradlinigkeit. Bild: Faruk Pinjo

Gegensatz.  Das Kulturzentrum Haus des Weins im st. gallischen Berneck ist Teil eines denkmalgeschützten Ensembles. Die Betonhülle steht im selbstbewussten Kontrast zum traditionellen Fachwerk. Im Innern huldigen präzise Schreinerarbeiten dem Wein.

Berneck liegt in einer Talmulde und ist die grösste Weinbaugemeinde des Kantons St. Gallen. Der Bus hält am Dorfplatz. Das Haus des Weins fällt sofort ins Auge. Der monolithische Betonkörper wirkt als Kontrapunkt zu einem denkmalgeschützten Ensemble, bestehend aus Bauernhaus und originalgetreu nachgebautem Wirtschaftsgebäude. Das Haus des Weins mit Veranstaltungssaal und grossem Weinkeller dient als Bühne zur Präsentation und Degustation von regionalen Weinen.

Das spitz aufstrebende Satteldach des Betonbaus lenkt den Blick hinauf zu den Rebhängen. «Es sollte ein Gebäude mit Leuchtturmcharakter sein», erklärt Projektleiter David Gschwend von der Carlos Martinez Architekten AG aus Berneck. Über eine seitliche Glastür betritt man ein lichtes Treppenhaus, von dem rechts der firsthohe Veranstaltungssaal mit einer Fläche von gut 80 m2 abzweigt. Der höchste Punkt der abgehängten Decke liegt bei gut sieben Metern. «Das Weinfass diente uns als Leitmotiv für Materialwahl und Design», erklärt der Projektleiter.

Die hölzerne Innenverkleidung wurde mit verschieden breiten Lamellen in unbehandelter Weisstanne ausgeführt. «Die unregelmässige Breite haben wir gewählt, weil es sonst im Auge zu flimmern beginnt», sagt Alexander Lang, Geschäftsführer der ortsansässigen Schreinerei Mobil Werke AG. Die Unterkonstruktion der Verkleidung besteht aus Vlies und Dämmung und sorgt für eine angenehme Akustik. Lüftung und Elektroinstallationen verbergen sich komplett hinter der Konstruktion. Auf diese Weise wird die stringente Linienführung durch nichts gestört.

Versteckte Technik, dezente Ästhetik

Schreiner Jörg Schmälzle, verantwortlich für Verkauf und Beratung bei der Mobil Werke AG, weist auf die Zuluftnaht unterhalb der Holzverkleidung hin. Die Abluft erfolgt über eine Nahtstelle am First des Gebäudes. Der Beamer wurde oberhalb der verglasten Eingangsfront hinter der Verkleidung integriert. Auf circa halber Höhe verläuft auf der rückwärtigen Raumseite eine horizontale Motivschiene für Leinwände. Was schlicht und dezent daherkommt, erforderte aufwendige Planung. Alle Hölzer sind unsichtbar befestigt. «Wir überlegen, die Konstruktion zum Patent anzumelden», sagt Schmälzle. Aufgrund der komplizierten Geometrie konnten die Lamellen nicht durchlaufend angeordnet werden.

Herausforderung in der Schräge

Es gibt fast nur schräge Wände und verschiedene Achsen im Gebäude. Keine Wand ist wie die andere, keine Seite gleich lang. Die Planung sei daher sehr aufwendig gewesen, sagen die Fachleute. «Wir haben in 3D erfasst und gezeichnet. Im Modell konnten wir sehen, wo es Kollisionen gab, diese korrigieren, und im Anschluss konnten wir die Teile an der CNC-Maschine umsetzen», sagt Geschäftsführer Lang. Das rechteckige Fenster auf der Giebelseite lenkt den Blick zum Aussenraum, zum Himmel, zum Wald und zu den Rebhängen.

Ohne Wein geht nichts, schon gar nicht im Winzerkeller ein Stockwerk tiefer: Ein markantes Deckengewölbe spannt sich über der Weinwelt. «Für die Trapeze in den einzelnen Kassetten war eine aufwendige Verschalung nötig», sagt Gschwend. Das Team stand vor der Aufgabe, leicht wirkendes und doch belastbares Mobiliar zu schaffen. «Gewünscht war die individuelle Präsentation der einzelnen Weingüter», erklärt Gschwend. In jeder Nische präsentiert sich ein Weingut. Die Rückwände dieser Nischen bestehen aus schwarz lackierten Holzwollplatten mit akustischer Wirkung. Die Tablare aus schwarz durchgefärbtem, lackiertem MDF wurden unsichtbar montiert. Für die dezente Beleuchtung der edlen Tropfen integrierte man vorne in den Tablaren verdeckte LED-Lichtleisten.

Zehntelmillimetergenau präsentieren

Zur Stabilisierung der Tablare verwendeten die Schreiner Metallwinkel im T-Profil. Diese verlaufen entlang der Unterseite. Beschriftungstafeln und Flaschenhalter stecken in eingefrästen Nuten in den Tablaren. Das Steckprinzip ermöglicht eine beliebige Anordnung der Ausstellungsobjekte. Die Schreiner fertigten verschiedene Muster an. «Wir haben im Zehntelmillimeterbereich gearbeitet, um die exakte Nutgrösse zu fräsen», sagt Jörg Schmälzle.

Für diese wie auch andere Feinheiten war es hilfreich, dass alle Handwerker aus der Gegend waren. Immer wieder traf man sich vor Ort, um Gestaltung und technische Umsetzung weiterzuentwickeln. In Teamarbeit entstanden auch die drei Degustationsmöbel in der Raummitte.

Die Aufgabe war es, ein luftiges und doch belastbares Möbel zu kreieren. Denn die integrierte Schublade für Weingläser stellt bei Auskragung ein zusätzliches Gewicht dar. Das Ergebnis: Ein schwebend wirkender L-Korpus. Sein Sockelfuss läuft zur Innenseite hin konisch zu, das obere Volumen ist leicht abgesetzt, auf dessen Unterseite wurde eine schmale Beleuchtungsleiste integriert. Für maximale Belastbarkeit sorgt die stählerne Innenkonstruktion, die zusätzlich mit dem Boden verschraubt ist. Auf der Stirnseite des Möbels ist ein Kühlschrank für die Weissweine untergebracht. Dafür entwickelte der Elektriker eine entsprechende Belüftungsspalte und Stromanschlüsse auf der Innenseite des Sockels. Die Möbel wurden vor Ort montiert.

Die sauber verarbeiteten und lackierten Oberflächen stammen wie auch jene der Stahlkonstruktionen aus der Lackierwerkstatt der Mobil Werke AG. Dank eines Lagers von 18 000 m2 kann das Unternehmen auch grössere, anspruchsvolle Baustellen wie unlängst jene der Kantonsschule Menzingen speditiv und schnell beliefern.

Strahlkraft gewünscht

Konsequente Materialwahl charakterisiert den Neubau. Die Auftraggeberin, die Ortsgemeinde Berneck, wünschte ein Kulturzentrum mit Ausstrahlung für die Region. Der Betonbau überzeugte sie durch sein charakteristisches Volumen und die Materialisierung. Der Mittelbau, das originalgetreu rekonstruierte Wirtschaftsgebäude des Ensembles, dient als Bindeglied zwischen Alt und Neu. Er beherbergt Erschliessung, Nebenräume und Gemeinderäumlichkeiten. Nach einjähriger Bauzeit feierte man im letzten Herbst die Eröffnung.

www.carlosmartinez.ch
www.mobilwerke.ch
www.hausdesweins-sg.ch

MZ

Veröffentlichung: 14. März 2019 / Ausgabe 11/2019

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