Spannungsfeld Niederspannung


Bei der Pendelleuchte «Domita» von Bover sorgen die zusammengesteckten Sperrholzfragmente für ein spannendes Lichtspiel. Bild: Bover
Bei der Pendelleuchte «Domita» von Bover sorgen die zusammengesteckten Sperrholzfragmente für ein spannendes Lichtspiel. Bild: Bover
Holzleuchten. In seinem Berufsalltag hat der Schreiner immer öfter mit Beleuchtungslösungen in Möbelkonstruktionen zu tun. Damit auch Leuchten und Lichtobjekte aus Schreinerhand entstehen können, gilt es, einige Normen und Verordnungen zu beachten.
Wer schon mal ein Furnierblatt gegen das Licht gehalten hat, weiss, dass manche Holzarten wie geschaffen dafür sind, auf diese Weise in Szene gesetzt zu werden. Denn derart hinterleuchtet, zeigt sich die Schönheit des Naturprodukts Holz sozusagen im Rampenlicht.
Aber egal, ob hauchdünn oder als massives Stück – der Werkstoff Holz kann eindrucksvoll mit Licht kombiniert werden. Hierfür steht der Schreiner quasi in der Poleposition, wäre da nicht der Normendschungel der elektrischen Niederspannungserzeugnisse. Wer eine eigene Leuchte herstellen und verkaufen will, kommt nicht umhin, sich damit zu befassen.
Denn nach Lust und Laune eine Lampe aus Einzelteilen zusammenzubauen und diese zu vertreiben, ist nicht erlaubt. Jedes elektrische Produkt muss die Anforderungen der NEV (Verordnung über elektrische Niederspannungserzeugnisse) erfüllen, um auf dem Markt bereitgestellt werden zu dürfen. Sprich, das Erzeugnis muss den anerkannten Regeln der Technik entsprechen und darf bei bestimmungsgemässer Montage, Gebrauch sowie Unterhalt die Sicherheit von Personen, Haustieren und Sachen nicht gefährden. «Der Wirtschaftsakteur, der die Produkte physisch verkauft oder über ein Webportal anbietet oder auch nur vermittelt, ist auch dafür verantwortlich», sagt Severo Nicoli, Leiter Marktüberwachung beim Eidgenössischen Starkstrominspektorat Esti. Als eigenständiger Bereich von Electrosuisse (Fachverband für Elektro-, Energie- und Informationstechnik) übernimmt das Esti im Auftrag des Bundes die Marktüberwachung. Dazu gehören unter anderem Aktivitäten wie der Besuch von Ausstellungen, Messen und Branchenakteuren, Kontrolle der Werbung für elektrische Erzeugnisse, Nachkontrollen bei beanstandeten Produkten und das Erteilen von Auskünften über die technischen Anforderungen und die gesetzlichen Vorschriften.
Anforderungen und Vorschriften, über die der Laie schnell einmal den Überblick verlieren kann. So müssen die Hersteller eines elektrischen Erzeugnisses beispielsweise mit einer technischen Dokumentation nachweisen können, dass ihre Produkte sicher sind. Anhand dieser technischen Unterlagen (erforderliche Angaben unter Art. 12 NEV) erstellt der Inverkehrbringer der Leuchte eine Konformitätserklärung.
Diese muss mindestens die folgenden Informationen enthalten:
Auch Importeure müssen im Besitz der technischen Dokumentation und der Konformitätserklärung sein. Die anderen Wirtschaftsakteure (Händler, Dropshipper usw.) müssen zumindest die Konformitätserklärung besitzen und prüfen, ob die technische Dokumentation seitens der Hersteller existiert. Das Esti ist befugt, die Konformitätserklärung sowie die technischen Unterlagen von jedem Wirtschaftsakteur zu verlangen.
Ein Importeur oder Händler wird aber zum Hersteller, wenn er ein Niederspannungserzeugnis unter seinem eigenen Namen oder seiner eigenen Handelsmarke abändert oder in Verkehr bringt (NEV Art. 4, Abs. 3). In einem konkreten Fallbeispiel bedeutet dies: Möchte der Schreiner nun mittels zugekaufter Leuchtkomponenten und einem selbst gefertigten Holzobjekt eine Lampe auf den Markt bringen, sieht er sich mit den Pflichten des Herstellers (siehe Box) konfrontiert. Sprich, er muss für die hergestellte Lampe eine eigene Konformitätserklärung erstellen. Und auch wenn die einzelnen elektrischen Komponenten geprüft und sicherheitskonform sind, muss das Endprodukt als Ganzes elektrisch sicher sein und nach den Leuchtennormen EN 60598-1 und EN 60598-2-xx geprüft werden. Diese Prüfungen können bei entsprechender fachlicher Eignung selbst durchgeführt werden, oder es wird eine externe Fachperson oder Prüfstelle damit beauftragt. Akkreditierte Prüfstellen in der Schweiz sind etwa die Quinel AG in Perlen LU oder die Regent Beleuchtungskörper AG in Basel.
«Können die geforderten Nachweise nach einer Beanstandung oder einem Schadensfall nicht erbracht werden, muss der verantwortliche Wirtschaftsakteur Massnahmen ergreifen, damit kein Risiko mehr für Personen besteht», sagt Severo Nicoli. «So müssen beispielsweise alle fehlerhaften, verkauften Leuchten zurückgerufen werden.» Je nach Schadensfall (Brand, Personenschaden oder Ähnliches) hafte der Wirtschaftsakteur aber auch privatrechtlich.
Um eine solche Situation zu vermeiden und damit der Durchblick im Normendschungel nicht verloren geht, sollte der Laie also am besten mit einer entsprechenden Fachperson zusammenspannen.
Dass mit einer solchen Zusammenarbeit dann aber auch tolle Leuchtobjekte aus Holz entstehen können, zeigen die folgenden Beispiele.
Bei der Pendelleuchte «Fossa» der kln.swiss GmbH aus Kehrsatz BE sorgt das etwas zurückversetzt eingebaute Leuchtmittel für blendfreies Licht. «Wenn man am Tisch sitzt, sieht man das LED-Band nicht direkt», sagt Luca Oberli, Mitbegründer und -inhaber des Unternehmens. Dank abgestufter Einfräsungen wird die Umgebung dennoch gut ausgeleuchtet, und es entsteht ein filigranes Kantendetail.
Bei den Details der Leuchte hat der junge Familienbetrieb die Grenzen des Möglichen ausgelotet. So gehe immer mal wieder eine Lampe beim Fräsen kaputt, weil die äusserste Rippe so dünn sei. «Mit solchen Details heben wir uns aber von der Masse ab», sagt Oberli. «Bei uns wird auch nichts verleimt, alle unsere Leuchten fräsen wir aus einem Stück Massivholz.» Das nötige Know-how liefert hier Cousin und Schreiner Kim Mumenthaler, der zusammen mit seinem Bruder Nico das Gründungstrio komplettiert. Ziemlich bald nach der Firmengründung vor fünf Jahren habe man eine Elektro-Fachperson ins Team geholt, um auf das nötige Wissen rund um die Elektrotechnik zurückgreifen zu können.
Eine neue Lampe ist nicht über Nacht entwickelt. «Bei der Pendelleuchte ‹Fossa› sprechen wir von rund 400 Stunden reiner Entwicklungszeit, bis die Lampe marktfähig war», sagt Oberli. «Und diese Zahl kann man verdoppeln, rechnet man die Weiterentwicklung mit ein, die wir nach der Markteinführung gemacht haben.» Ein stetiger Optimierungsprozess, der gemacht werden muss, möchte man nur auf die Produktion von Lampen setzen. Denn die Konkurrenz in der Branche sei riesig.
Bis auf die Leuchtkomponenten kommen alle Bauteile und das Holz für die «Fossa» aus der Schweiz. Produziert wird in der Manufaktur in Kehrsatz. Auf Kundenwunsch ist die Pendelleuchte in allen gängigen Holzarten erhältlich. Standardmässig gibt es die Lampe in fünf Längen zwischen 900 und 1900 mm, andere Längen sind aber möglich. Aufgehängt ist die Leuchte an filigranen und Strom führenden Stahlkabeln. «Mit einer Betriebsspannung von nur 24 Volt ist dies auch bei einer Berührung ungefährlich», sagt Oberli.
Beim Innenausbau mit Altholz wird oftmals nur die Oberfläche der Balken oder Bretter verwendet. Für das Restholz mit den typischen Fräsgängen gibt es kaum weitere Einsatzzwecke. Peter Ammann hat bei entsprechenden Innenausbauten in Gstaad viel mit dem Material gearbeitet. Irgendwann sei die Idee entstanden, daraus eine Lampe zu realisieren.
So hat der Schreiner aus Thierachern BE begonnen, mit Altholz und verschiedenen Trägermaterialien herumzutüfteln. «Bald einmal bin ich auf Plexiglas gekommen», sagt Ammann. «Aber das Material gibt es in vielen Ausführungen, und ebenso verschieden ist die Lichtdurchlässigkeit.» Je nach Holzart brauche es ein anderes Plexiglas, damit der Lichtdurchlass stimmt. Und damit das Licht letzten Endes auch durch das Holz dringen kann, muss dieses sehr dünn sein. Das Altholz kann bis zirka fünf Millimeter Dicke gehobelt werden. Ab dann wird geschliffen – auf 0,9 mm oder weniger.
Nach und nach sind auch Lichtsäulen aus anderen Werkstoffen und Holzarten entstanden. «Die Oberfläche bietet viel kreativen Spielraum. Das Material muss einfach möglichst hell sein», sagt Ammann. So funktioniere Olivenholz beispielsweise sehr gut. Mit welchem Klebstoff er das Holz und das Plexiglas verklebt, möchte der Schreiner nicht verraten. «In den zehn Jahren, in denen ich die Lampen nun schon produziere, konnte ich dahingehend aber einiges an Erfahrung sammeln.» Damit alle vier Seiten der Stehleuchten homogen ausgeleuchtet werden, hat Ammannn auch beim Leuchtmittel etwas tüfteln müssen. «Da kann man nicht einfach eine Lampe in die Säule stellen und erwarten, dass das gut aussieht.» Schliesslich habe er aber eine Lösung gefunden, die mit einem fertig konfigurierten LED-Leuchtmittel funktioniert.
Das Design für seine Lampen hat Ammann schützen lassen, da seine Produkte in der Vergangenheit bereits kopiert wurden. In der gleichen Bauweise wie die Stehleuchten wird es neu auch eine Pendelleuchte im Querschnitt 80 × 80 Millimeter geben. Ebenso fertigt der Schreiner Wandleuchten und hinterleuchtete Wandbilder.
Seine Lampe «Sinus» würde Erschaffer Tinu Ryter am ehesten der Kategorie «Skulpturales Design» zuordnen. Denn die Leuchte verbinde Minimalismus mit einem verspielten Kunstaspekt. «Für mich darf das Design eines Objektes gerne etwas spannungsgeladen sein», sagt der mittlerweile in Zürich lebende Berner. Bei der Pendelleuchte «Sinus 1» und der Hinstellleuchte «Sinus 2» wird diese Spannung durch die eingefräste Sinuskurve in dem schlichten, runden Lampenkörper erzeugt.
Wer die Bezeichnung «Hinstellleuchte» bisher nicht kannte, kann beruhigt sein. Andere ihrer Art gibt es wohl nicht, und der Begriff sei zufällig entstanden. Denn die Lampe war ursprünglich nur als Pendelleuchte geplant. «Nach der CNC-Bearbeitung habe ich den ersten Prototypen mal kurz in die Ecke gestellt und war von der Wirkung sofort überzeugt», sagt Ryter. Und so sieht die Leuchte final auch aus, wenn sie in der Ecke steht – wie zufällig hingestellt.
Die «Sinus» ist aber sowohl als Hinstell- als auch als Pendelleuchte in der Stückzahl limitiert. Denn die Firma, welche die verklebten Furnierrohre herstellte, gibt es nicht mehr. Für Ryter waren die «LignoTubes» als Halbfabrikat das optimale Produkt für seine Lampen. «Die Qualität war grossartig, und die Toleranzen waren stets sehr gering.»
Da für ihn eigens eine ganze Serie der Rohre mit individuellem Durchmesser und in Kirschholz produziert wurde, können aber noch einige Lampen entstehen, bis der Restbestand aufgebraucht ist. Als Designer fertigt Ryter die Prototypen seiner Objekte in der Regel selbst und arbeitet für die weitere Herstellung mit anderen Unternehmen zusammen. «In Sachen Elektrotechnik habe ich mir Unterstützung von einem Lichtplaner sowie von meinem Bruder geholt, der die Ausbildung als Elektriker gemacht hat», sagt Ryter.
Hersteller eines Niederspannungserzeugnisses haben gemäss dem Eid- genössischen Starkstrominspektorat (Esti) folgende Pflichten:
Veröffentlichung: 27. Februar 2025 / Ausgabe 9/2025
Kunsthandwerk. Sonja Bantli ist Möbelschreinerin, Holzbildhauerin, Möbelrestauratorin und Handwerkerin in der Denkmalpflege. Der Antrieb für ihre vier Ausbildungen und ihre Tätigkeit als Referentin wurzelt in der Liebe zum Holz mit seinen vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten.
mehrPaidPost. Basil Steiner, Lernender der Schreiner 48 Academy, hat aus Kirschbaumholz einen Schreibtisch im Jugendstil geschreinert – mit zwei Geheimfächern.
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