Neue Norm mit dem gewissen Plus

Die Normen SMS und SMS+ helfen dabei, Küchen zweckdienlich und ästhetisch zu gestalten. Bild: Küche Schweiz

Masssysteme.  Das Schweizer Mass-System (SMS) ist und bleibt der wichtigste Standard für den Küchenbau in der Schweiz. Mit SMS+ wurde die Norm an die Bedürfnisse und Voraussetzungen von heute angepasst.

Für Masse im Küchenbau gibt es weder in der Schweiz noch international verbindliche Regeln. Die Vorteile einer Norm aber liegen bei der effizienten Planung, Produktion und Montage von Produkten. Im Küchenbereich ist darüber hinaus besonders die problemlose Integration von Geräten ein weiteres zentrales Thema. Daher halten sich viele Schreiner bei der Produktion von Küchen im Grundsatz an das Schweizer Mass-System (SMS), auch weil dieses auf die Anforderungen und Präferenzen des Schweizer Marktes abgestimmt ist. Um die Flexibilität zu erhöhen und eine grössere Auswahl beispielweise im Bereich Apparate bieten zu können, setzen Schreinereien heute meist ergänzend die Euro-Norm ein. Im vergangenen Jahr wurde das bewährte Schweizer System an die aktuellen Anforderungen und dem Stand der Technik angepasst. SMS+ ist als Ergänzung zum Standard SMS zu verstehen.

Für den Schreiner als Küchenbauer ist es wichtig, diese Neuerungen zu kennen, deren Vorteile gezielt zu nutzen und damit das eigene Angebot für die Kundschaft aktuell und attraktiv zu halten.

Ursprung der Norm

Das Schweizer Mass-System (SMS) für Einbauküchen soll die Planung und Herstellung von Küchen und den Austausch von Küchenkomponenten in der Schweiz erleichtern. Das SMS bietet eine herstellerneutrale Grundlage, die es ermöglicht, Geräte und Möbel verschiedener Hersteller problemlos zu kombinieren. Die Normmasse für Möbel- und Gerätebreiten, Tiefe und Höhe der Abdeckung sind auf die Ergonomie des Menschen abgestimmt und fördern eine effiziente Raumnutzung. Die Entwicklung der SMS-Norm war stark beeinflusst durch die Frankfurter Küche aus dem Jahr 1927, einem frühen Beispiel für funktionales und rationelles Küchendesign. Hans Hilfiker, ein Pionier des Schweizer Industriedesigns, der beispielsweise auch die international bekannte Schweizer Bahnhofsuhr entworfen hat, spielte eine zentrale Rolle bei der Schaffung des Schweizer Mass-Systems. Als technischer Direktor beim Küchengerätehersteller Therma AG und als Mitglied der Schweizerischen Industriekommission zur Normierung der Küche (Sink) war er federführend bei der Schaffung dieses Standards. Seine Vision einer rationalisierten Küche führte zur Einführung eines einheitlichen Masssystems, das sowohl ästhetische als auch funktionale Aspekte berücksichtigte. Der erste Prototyp einer Küche nach Sink-Norm wurde schliesslich an der Landesausstellung 1964 in Lausanne präsentiert. Die zu diesem Zeitpunkt definierten Aspekte der Norm wie die Höhenmasse mit dem Raster 127 mm (Sechstel-Einteilung) sowie die Standardbreiten für Küchenmöbel haben sich bis heute nicht geändert, sondern wurden lediglich ergänzt, zuletzt mit SMS+ im Jahr 2023. 1996 wurde Sink in SMS umbenannt. Trotz der Einführung des europäischen Standards EN 1116 (Euro-Norm) im Jahr 1995 ist der Standard in der Schweiz weiterhin relevant und wird oft auch als «CH-Norm» bezeichnet.

Küche Schweiz als Hüter der Norm

Heute ist der Branchenverband Küche Schweiz mit Sitz in Ebikon LU verantwortlich für die Pflege und Weiterentwicklung der SMS-Norm und hat in diesem Kontext eine wichtige Aufgabe. Die Organisation verwaltet und entwickelt die SMS-Norm weiter, um sicherzustellen, dass sie stets den Anforderungen der Branche entspricht und technologische Entwicklungen berücksichtigt werden. Das Ziel des Verbandes ist es, die Schweizer Küchenbranche weiterzuentwickeln und seine Mitglieder mit Know-how und Dienstleistungen, wie beispielsweise Schulungen, zu unterstützen. Zudem organisiert Küche Schweiz den Swiss Kitchen Award, der als öffentlichkeitswirksamer Wettbewerb alle zwei Jahre ausgetragen wird.

Wünsche, Trends und Möglichkeiten

«In der dynamischen Welt des Küchendesigns ist es nötig, einen Standard wie die SMS-Norm weiterzuentwickeln», sagt Marcel Halbheer, Produktmanager bei Element-Küchen AG und Mitglied der Arbeitsgruppe Technik bei Küche Schweiz. «Die Bedürfnisse und Ansprüche der Kundschaft ändern sich laufend, und Hersteller von Küchen müssen ihr Angebot darauf ausrichten.» Die Küche ist heute meist das Herzstück jedes Wohnraums und hat oft sogar repräsentativen Charakter. Hier spielt sich das Leben ab, hier werden Gäste empfangen, hier möchten sich die Bewohner im Alltag wohlfühlen. Es ist daher klar, dass individuelle Gestaltung und Funktionalität der Küche für die Bauherrschaft an oberster Stelle stehen.

Heute sind die technischen Möglichkeiten im Bereich der Geräte und Materialien breit und erweitern sich ständig. Hersteller überbieten sich gegenseitig mit Innovationen. «Vor 20 Jahren gab es beispielsweise noch keine sehr dünnen Abdeckungen in Keramik, Kochfeldabzugssysteme waren noch unbekannt. Heute sind diese Lösungen sehr beliebt und haben Einfluss auf die Planung einer Küche», sagt Halbheer. Im Zeitalter der sozialen Netzwerke verbreiten sich Trends sehr rasch, und eine Mehrheit der Kunden ist durch Online-Recherche sehr gut informiert. Ebenfalls hat sich die Ergonomie der Benutzer in den letzten Jahrzehnten geändert. So sind die Benutzer von Küchen im Durchschnitt grösser geworden, was höhere Arbeitsflächen sinnvoll macht. Wer im Küchenbereich erfolgreich sein will, muss diese Entwicklungen berücksichtigen und seine Kunden entsprechend bedienen. Die Ergänzung der SMS-Norm durch SMS+ wurde massgeblich durch diese Faktoren beeinflusst. Auch die Integration von internationalen Standards, wie beispielsweise der Euro-Norm, ist ein wichtiger Aspekt. Die Kompatibilität mit anderen Normen erleichtert den Austausch von Geräten und Möbeln über Herstellergrenzen hinweg. Zudem ist die Auswahl bei Geräten nach Euro-Norm grösser als bei der CH-Norm. «Im neuen Küchenhandbuch von Küche Schweiz wird aus diesem Grund neben dem SMS und SMS+ auch die Euro-Norm ausführlich thematisiert», betont Halbheer.

«Schweizer» Geräte bleiben erhältlich

«Die Nachfrage nach SMS-Geräten wird in absehbarer Zukunft stabil bleiben, insbesondere auch im Bereich von Ersatzgeräten. Dies ist ein wichtiger Grund für den Fortbestand der SMS-Norm», betont Halbheer. Solange diese Nachfrage besteht, wird das Angebot an Geräten, die den Schweizer Standards entsprechen, nicht so schnell verschwinden. Alle Hersteller von Küchengeräten und Apparaten, die auf dem Schweizer Markt etabliert sind, bieten nach wie vor Geräte in Schweizer Norm an – ein weiterer Faktor, welcher für die Relevanz der SMS-Norm spricht. Der Schreiner kann also auch in Zukunft auf den bewährten Standard setzen und gleichzeitig innovative, individuelle Ansätze verfolgen.

Andere Normen, neue Möglichkeiten

Die Realität zeigt, dass die meisten Schreinereien heute eine Kombination aus der SMS-Norm und individuellen Anpassungen Richtung Euro-Norm nutzen. «Rein nach dem SMS zu planen, ist grundsätzlich möglich, jedoch herausfordernd. Die Auswahl bei den Küchengeräten nach Euro-Norm ist einfach zu gross. Auch sind die Gestaltungsmöglichkeiten eingegrenzt», stellt Marcel Halbheer fest. Der Schreiner ist also gefordert, individuelle Lösungen für seine Kunden zu entwickeln, indem er auf flexible Weise moderne Geräte und aktuelle Designtrends integriert, ohne dabei die Vorteile der SMS-Norm aus den Augen zu verlieren. Die Mehrheit der Schreinereien, welche erfolgreich im Küchengeschäft tätig ist, meistert diese Balance zwischen Tradition und Innovation sehr gut und kann sich im Wettbewerb deutlich abheben. Insbesondere auch im Vergleich zu industriell hergestellter Massenware aus dem Ausland, welche weniger auf individuelle Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden kann.

Oft ist es zudem sinnvoll, zwischen Objekt- und Privatkundenaufträgen zu unterscheiden. Im Objektbereich, damit sind beispielsweise Mietwohnungen gemeint, können Küchen eher weniger individuell und damit mehr nach einer strikten Norm entworfen werden. Hier bewegt sich der Preis entsprechend oft im unteren oder mittleren Bereich. Privatkundschaft dagegen verlangt meist nach massgeschneiderten Lösungen, welche der Schreiner durch eine geschickte Mischung der Standards und individuellen Lösungen bieten kann. Folgerichtig sind diese Lösungen dann auch meist im mittleren bis oberen Preissegment angesiedelt. Es gilt, durch eine geschickte Strategie und Mischung das passende Rezept für das moderne, erfolgreiche Küchenangebot zu finden.

Die Ergänzungen für SMS+ umfassen verschiedene Massanpassungen. Insbesondere sind die ergänzten Höhen- sowie Tiefenmasse zu erwähnen. Die neuen Planungsmasse bieten nebst den ergonomischen Vorteilen auch zusätzliches Stauraumvolumen und mehr Arbeitsfläche für die Küchennutzer (Illustrationen dazu siehe Seite 15).

Neue Tiefe der Arbeitsfläche: Ein Hauptmass von SMS+ ist die von 600 mm auf 650 mm vergrösserte Tiefe der Arbeitsfläche.

Neue Normbauhöhe Unterbaumöbel: Das Höhen-Grundteilungsmass bleibt 127 mm und wird ergänzt durch den Höhenausgleich von 35 mm im obersten Schubladenband des Unterbaumöbels (162 mm = 1⁄6 + 35 mm). Dies ergibt die neue SMS+-Normbauhöhe des Unterbaumöbels von 797 mm. Die oberste Schublade bietet so mehr Platz für den Einbau von Kochfeldern bei dünneren Arbeitsplatten sowie ein grösseres Belüftungsvolumen.

Neues Höhenmass zwischen Unter- und Oberbau: SMS+ sieht beim Mass zwischen Unterbaumöbel und Oberbaumöbel das neue Mass von 600 mm vor (5⁄6 – 35 mm). Dadurch wird die Mindesthöhe der ge- samten Küche 127 mm (1⁄6) höher, was ein neues Höhenmass des Hochschranks von 2159 mm (17⁄6) ergibt.

Handbuch schafft Klarheit: Im Technischen Küchenhandbuch von Küche Schweiz (Ausgabe 04/2024) ist die Ergänzung SMS+ neben der SMS- sowie der Euro-Norm übersichtlich dargestellt. Zusätzlich zu den Planungsmassen für Möbel, Arbeitsflächen und Geräte werden die Themen Lüftungstechnik sowie schalldämmende Mon- tage auf übersichtliche und kompakte Weise zusammengefasst. Ergänzt werden diese technischen Informationen durch Hinweise und Merkblätter zu relevanten Gesetzen und Normen. Das Handbuch ist bei Küche Schweiz als PDF erhältlich und kann via Onlineshop bestellt werden. Mitglieder von Küche Schweiz erhalten die Unterlagen kostenlos.

www.kueche-schweiz.ch

Roland Wildi, RW

Veröffentlichung: 03. Oktober 2024 / Ausgabe 40/2024

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