Natürlich oberflächlich

Der stumpfmatt lackierte Rahmen (u.) ist nur mit Mühe vom rohen Rahmen (o.) zu unterscheiden. Bild: Michi Läuchli

Schichtdicke.  Ob Fenster lackiert sind, ist heute dank moderner Lacksysteme kaum noch auf die Schnelle sichtbar. Ausgeklügelte Zusätze in den Lacken lassen das Holz in ihrer Natürlichkeit strahlen und bieten dennoch einen guten Schutz vor Witterung.

Seit einigen Jahren sind Dickschichtlasuren im Fensterbau etabliert. Sie bieten eine hohe Lebensdauer, schützen das Holz vor Umwelteinflüssen und garantieren die Anforderungen an die Masshaltigkeit. Auch die Markterwartungen bezüglich Haptik sowie Glanzgrad können sie erfüllen. Allerdings hat sich der Anspruch der Bauher- ren und Architektinnen im Laufe der Zeit verändert. Immer häufiger wird ein natürliches Aussehen für fertig beschichtete Fenster bevorzugt. Somit sind farblose, stumpfmatte Beschichtungssysteme gefragt, die das Holz so wirken lassen, als sei es unbehandelt.

Auch die Haptik soll möglichst dem rohen Holz entsprechen. Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, sind Entwickler von Lackherstellern kontinuierlich daran, Produkte zu verbessern und zu optimieren. «Bei den Schreinern ist die Beschichtung am Holz natürlich ein Riesenthema. Es soll sich quasi nach nichts anfühlen, möglichst roh, trotzdem ideal geschützt und in der besten Qualität sein», sagt Raphael Knecht, Geschäftsführer und Inhaber der Knecht Spritzwerk und Malerei AG in Bern.

Verschiedene Schutzmöglichkeiten

Schützen lässt sich das Holz auf unterschiedliche Arten. Beispielsweise mit einer Dünnschichtlasur, die sich für den Möbel- und Innenausbau eignet. Sie dringt tief ins Holz ein und schützt es so von innen heraus, stellt aber noch keine deckende, geschlossene Oberfläche dar. Das Holz wird vor Feuchtigkeitsschäden geschützt, ist aber Wasserdampf gegenüber nicht komplett dicht. Die enthaltenen Füllstoffe und Pigmente entscheiden über die Farbgebung. Dünnschichtlasuren enthalten weniger dieser Stoffe als Holzlacke und sind deshalb nahezu transparent. Ihr Vorteil ist, dass sie sich gut renovieren lassen und nicht abplatzen. Lack hingegen dringt nicht tief ins Holz ein, sondern bildet stattdessen eine Schutzschicht für Feuchtigkeit und UV-Strahlung an der Oberfläche. Sowohl Lacke als auch Lasuren bestehen im Wesentlichen aus den gleichen Inhaltsstoffen wie Lösemittel (organische und anorganische), Bindemittel, Pigmente, Füllstoffe und diverse Additive.

Vorgegebene Mindestschichtdicke

Im Innenausbau sind die Anforderungen an die Beschichtung – eine ansprechende Optik und gleichzeitige Nutzbarkeit – mit den heutigen Lacken und Lasuren problemlos machbar. Im Fensterbau hingegen, wo die klimatischen Bedingungen eine Rolle spielen und die Bauteile der Witterung ausgesetzt sind, müssen bei der Beschichtung dementsprechend bestimmte Mindestschichtdicken eingehalten werden. Da eine Dünnschichtlasur nicht die erforderlichen Werte erreicht, ist sie im Fensterbau nicht zulässig. Wie viel die jeweiligen Mindestschichtdicken betragen, wird in der SIA-Norm 331 Absatz 4.2 definiert. Demnach müssen sämtliche Holzprofile (sichtbare und nicht sichtbare) über eine Grundbeschichtung verfügen, die bei einer deckenden Beschichtung 60 μm, bei einer Lasur 40 μm beträgt. Bei der Schlussbeschichtung muss die Schichtdicke ab Werk bei einer deckenden Beschichtung 100 μm, bei einer Lasur oder Klarlack 60 μm messen. Werden die Fenster bauseits fertig behandelt, darf die Schicht bei einer deckenden Beschichtung nicht weniger als 80 μm, bei Lasuren oder Klarlack 50 μm sein.

Abhängig voneinander

Neben der Schichtdicke gibt es noch einen weiteren Punkt zu beachten. Die Beschichtung auf der Innenseite ist abhängig von der Aussenseite, was heisst, dass die Beschichtung der Innenseite mindestens so diffusionsdicht sein muss wie auf der Aussenseite. Ansonsten besteht die Gefahr von Schimmelbildung und Abplatzungen. Das bedeutet, dass ein Fenster innen beispielsweise nicht roh belassen werden kann, während es aussen einen Überzug erhält. «Öfters haben wir die Diskussion, dass die Fenster passend zum Innenausbau auf der Innenseite nur geölt, auf der Aussenseite jedoch aufgrund der genormten Mindestschichtstärke beschichtet werden sollen, was natürlich nicht geht», sagt Victor Souto, Verkaufsleiter Holzlacke des Lackherstellers Remmers AG in Baar ZG.

Fortschrittliche Technologien

Die Lackhersteller sind verpflichtet, dass ihre Systeme die geforderten Mindestschichtdicken einhalten. «Beim Fensterbau kann man nicht sagen, dass die Lacke immer dünner werden. Je nach Lackhersteller unterscheiden sich die Produkte zwar in der Dichte, Viskosität und im Festkörper, doch die Trockenschichtstärke ist ja durch die SIA-Norm vorgegeben», sagt Knecht. Er ist der Meinung, dass die Lackindustrie in den letzten Jahren vorwärts gemacht hat und interessante Produkte auf den Markt brachte. Für die Lohnarbeiten werden in Knechts Spritzwerk unter anderem Produkte wie der Natureffektlack «Induline NW-724 Naturetouch» der Remmers AG eingesetzt. «Dieser Lack ist matt und weist eine spezielle Oberfläche auf. Mit dieser Lösung haben wir die geforderte Schichtstärke drauf, haben aber trotzdem eine nahezu farblose, naturbelassene Oberflächenbehandlung auf dem Fenster», sagt Knecht. Das sei eigentlich schon fast «der Fünfer und das Weggli». Der Lack ist in verschiedenen Farbtönen verfügbar, eignet sich gut für helle Holzarten und enthält zugleich einen UV-Absorber, der das Nachdunkeln des Holzes deutlich reduziert.

Auch Lackhersteller Adler bietet Produkte an, die das Holz möglichst natürlich und unbehandelt ausschauen lassen, aber dennoch lichtbeständig sind. Der Decklack «Aquawood Finapro Terra» zeichnet sich durch hohe mechanische Belastbarkeit, Witterungs- und UV-Beständigkeit aus. Die Zwischenbeschichtung «Aquawood Intermedio Terra» bietet eine Rundumversiegelung und Feuchtigkeitsschutz. Zusammen mit der Grundierung «Aquawood Primo» wird ein hochwertiger, Drei-Schicht-Aufbau gewährleistet. Alternativ ist auch ein komplett wirkstofffreier Beschichtungsaufbau möglich, die Verarbeitung verspricht laut Hersteller ausserdem eine kurze Trockenzeit. Das System besticht durch eine ultramatte, natürliche Optik und Haptik. «Aquawood Finapro Terra» ist die erste 1K-Fensterbeschichtung, die einen derartig tiefen Glanzgrad und höchste Transparenz auch für bewitterte Bereiche ermöglicht. Holzfenster sehen so nahezu aus wie unbeschichtet», wie Entwicklungsleiter für Fensterbeschichtungen bei Adler Simon Leimgruber erklärt. Zudem ist die Beschichtung unempfindlich gegen Kratzer oder Aufglänzen.

Die Kombination verleiht «Aquawood Terra» auch einen hohen Nachhaltigkeits-Standard, der durch das «Cradle to Cradle»-Zertifikat (Kreislaufwirtschaft) und die Minergie-Eco- Zuordnung Kategorie B bestätigt wird. Zwischenbeschichtung und Decklack bestehen zu über 80 Prozent aus natürlichen und nachwachsenden Rohstoffen, haben einen niedrigen VOC-Gehalt und sind frei von chemischen Holzschutzmitteln. Deshalb eignet sich «Aquawood Terra» besonders gut für nachhaltige Bauprojekte.

www.knecht-spritzwerk.chwww.remmers-ag.chwww.adler-lacke.com

Info zum Thema

Methoden zur Schichtdickenmessung

Die Schichtdicke behandelter Teile ist mit verschiedenen Methoden messbar. Drei gängige Möglichkeiten sind:

Nassfilmdickenmesser: Das Werkzeug hat abgestufte Zähne, die in den nassen Lack gedrückt werden. Die tatsächliche Dicke wird an der höchsten Kammstufe abgelesen, welche den Lack gerade noch berührt.

Ultraschall-Schichtdickenmessgeräte: Sie senden einen Ultraschallimpuls durch die Lackschicht und messen die Zeit, die das Signal benötigt, um zurückzukehren. Ultraschallmethoden sind zerstörungsfrei und bieten eine präzise Messung.

Mikroskopische Untersuchung : Durch Schneiden eines kleinen Querschnitts des beschichteten Holzfensters und Betrachtung unter einem Mikroskop kann die Schichtdicke genau gemessen werden. Diese Methode ist sehr genau, aber sie ist zerstörend und erfordert eine präzise Präparation der Probe.

Michi Läuchli, ml

Veröffentlichung: 13. Juni 2024 / Ausgabe 24/2024

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