Natürlich Kunst

Vor allem als Küchenabdeckungen werden Quarz-materialien wie hier Silestone gerne eingesetzt. Bild: Cosentino

Kunststeine.  Vor allem für Küchenabdeckungen werden gerne plattenförmige Kunststeine eingesetzt. Unzählige Designs und ihre herausragenden, praktischen Eigenschaften sorgen dafür. Manchmal taucht auch der Klassiker auf: der gegossene Kunststein – Terrazzo genannt.

Beim Stein ist es wie beim Holz. Jedes Stück ist anders. Die Maserung des Holzes entspricht der Textur eines Steines. Gravierender Unterschied der beiden Naturmaterialien: Zwischen ihnen liegen Millionen von Jahren der Entstehung. Holz wächst biologisch in Jahrzehnten bis wenigen Jahrhunderten. Gesteine entstehen durch geologische Prozesse über ungleich längere Zeiträume. Manche begeisterten Fachleute sind deshalb der Überzeugung, dass Gesteine noch viel einzigartiger seien als die Hölzer.

Anstoss für Stein

Innerhalb einer Holzart und einer Steinkategorie schwanken die Eigenschaften in einem gewissen Rahmen. Beim Stein noch deutlicher als beim Holz. Und das liegt in der Natur der Sache. Ein Baum folgt als Lebewesen einem Plan, abhängig von der biologischen Art und den vorhandenen Umweltbedingungen spiegelt sich dies im Holz wider. Bei der Bildung eines Steines kann aufgrund der ungleich längeren Zeitachse bis zum Ergebnis so allerhand passieren. Meere entstehen und vergehen, Gebirge falten sich auf und werden wieder abgetragen. Bis ein Stein ist, was er im Moment seiner Bergung ist, nachdem er in Blöcken aus der Erde gesprengt wurde, kann die Erde, auf der ein Baum wächst, schon mehrfach untergegangen und neu entstanden sein.

Schon sehr früh hat man sich deshalb daran gemacht, natürlichen Stein nachzubilden und dadurch die Eigenschaften des Materials berechenbarer und mit speziellen Eigenschaften zu gestalten. Kunststeine sind alt. Bereits in der Antike wurden Steinwerkstoffe hergestellt, wie etwa der römische Beton.

Ein Plan für Stein

Zu den ältesten Vertretern des Kunststeines zählt der Terrazzo. Bekannt vor allem als Bodenbelag aus den Palazzi in Venedig oder Florenz. Im deutschen Sprachgebrauch meist als Betonwerkstein bezeichnet, handelt es sich um den eigentlichen Kunststein. «Unter Kunststein verstehen wir einen in Schalung gegossenen, zementgebundenen Werkstoff mit verschiedenen Zuschlägen an Kies und Sand. Diese Kunststeine darf man nicht mit den Plattenwerkstoffen wie etwa Silestone oder Neolith verwechseln», sagt Alex Wiget, Mitglied der Geschäftsleitung bei der K. Studer AG im aargauischen Frick.

Bei den Küchenbauern haben plattenförmige Steinwerkstoffe in den letzten Jahren Einzug gehalten. Und auch im Badezimmer finden diese inzwischen häufiger Verwendung. In der Praxis werden diese Werkstoffe deshalb ebenfalls oft als Kunststein bezeichnet. «Gemeint ist dann meist eine Platte aus Quarzkomposit oder aber eine keramische Platte», sagt Wiget.

Der Sprachgebrauch entspricht dem Normenwerk. Massgebend ist SIA 244 für Kunststeinarbeiten. Der Norm ist das eingesetzte Bindemittel zur Herstellung von Kunststeinen egal.

In der Regel ist es eine Platte

Für den Praktiker sind indes die Eigenschaften der unterschiedlichen Werkstoffgruppen und Produkte entscheidend. Gemeinsam ist ihnen ein über die gesamte Plattenstärke homogenes Gefüge. Nahezu porenlos, weisen sie eine geschlossene Oberfläche auf, weshalb der Absorptionsgrad gegen Null tendiert. Säuren und Laugen, wie sie in der Küche und im Badezimmer vorkommen, können diesen kaum etwas anhaben.

Auch bei der Kratz- und Stossfestigkeit machen die Kunststeinplatten eine gute Figur. Varianten ohne Harze als Bindemittel brauchen meist noch nicht einmal das Rüstbrett bei der Küchenarbeit. Während bei Quarz-verbundwerkstoffen die Unterlage für heisse Töpfe empfohlen wird, fehlt dieser Hinweis bei den keramischen Platten meist. Beide sind temperaturbeständig, doch geht die Widerstandsfähigkeit von Keramik noch über die der harzgebundenen Steine hinaus. Auch schnelle Temperaturwechsel, UV-Strahlung und sogar Frost können den Supersteinen kaum etwas anhaben. Die Unterschiede liegen oft im Detail, weshalb sich bei der Wahl eines Produktes der Vergleich durchaus lohnt. Neben dem eingesetzten Harz, das etwa Polyester oder Epoxidharz sein kann, resultieren die Unterschiede auch aus den Zuschlagsstoffen und dem Herstellungsprozess. Druck und Hitze sowie deren Einwirkzeit führen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Für den Küchenbauer von grossem Vorteil sind die Formate, in denen die Kunststeinplatten hergestellt werden. Manche Produzenten können über 3 Meter Länge und 1,5 Meter in der Breite bereitstellen. Die Vielseitigkeit des Erscheinungsbildes scheint schier grenzenlos. Mal als Imitat für natürliche Steine, allen voran für Marmor, einfarbig ohne Zeichnung, dann wieder rostiges Metall imitierend oder mit eigenem Materialcharakter durch die eingesetzten Mineralien aus den Steinbrüchen – die Vielfalt ist kaum zu überschauen. Das Material Silestone gibt es beispielsweise in über 60 Farben und Oberflächenstrukturen.

Giessen als exklusive Ausnahme

Das Imitieren von Natursteinen ist beim Giessverfahren von Kunststeinen nur sehr begrenzt möglich. Stattdessen haben diese, wie auch ein Terrazzoboden, einen eigenen Charakter. Die Vielseitigkeit entsteht vor allem durch den Einsatz verschiedener Zuschlagsstoffe. Neben den Farbpigmenten führt die Körnung der am Ende angeschliffenen Gesteinszuschläge zu einem typischen, oft natürlich anmutenden Erscheinungsbild. «Man sollte allerdings wissen, dass zementgebundene Werkstoffe nicht säuren- und laugenbeständig sind. Deshalb sind sie nur bedingt für eine Küche geeignet. In einer Mietwohnung kaum zu empfehlen, kommt der Wunsch für einen solchen Kunststein meist von den Architekten und Bauherren», sagt Wiget.

Gegenüber einem typischen Beton, wie er im Interieur immer wieder Verwendung findet, hat der Betonwerkstein einen entscheidenden Vorteil. Bei Beschädigungen kann dieser überschliffen werden, während bei einem Beton durch das Schleifen die Körnung des Gefüges zum Vorschein kommen würde. Der Kunst- oder Betonwerkstein ist also reparaturfreudiger als ein normaler Beton. Wie unempfindlich dieser gegenüber Fleckenbildung und anderen Strapazen ist, definiert sich über den verwendeten Zement und die beigemischten Steine. «Marmor ist als Zuschlagsstoff sehr beliebt. Um den Schutz der Oberfläche zu erhöhen, wird diese imprägniert», erklärt Wiget.

Die gegossene Variante hat den Vorteil, dass den Formaten und Formen kaum Grenzen gesetzt sind. Nötig ist beim Giessen eine Mindestwandungsstärke von etwa vier bis fünf Zentimetern, damit die Armierung genügend Überdeckung hat.

Im Gegensatz zu Platten, bei denen dann das Spülbecken oft als Unterbauvariante geplant wird, lassen sich bei entsprechend ausgeführter Form auch Rundungen und weiche Übergänge fugenlos mit dem gegossenen Kunststein umsetzen. Mit Platten können lediglich kantige und eckige Varianten erzeugt werden, wenn das Spülbecken aus dem gleichen Material sein soll. Hinter dem Giessen von Kunststein steht viel Handarbeit. Je nach Detailausführung braucht es einen aufwendigen Formenbau, weshalb solche Arbeiten ihren Preis haben. Dieser liegt meist deutlich über anderen möglichen Varianten wie dem Einsatz von Platten, auch aus Naturstein.

Vorfertigung im Steinbetrieb

Ein gegossener Kunststein, etwa für eine Küchenabdeckung mit integriertem Spülbecken, setzt die enge Kooperation von Schreinerei mit Steinexperten voraus. Dies gilt auch für plattenförmige Kunststeine, damit am Ende alles zusammenpasst. Denn einige Arbeiten werden durch den Steinbetrieb ausgeführt, andere machen in der Schreinerei mehr Sinn. «Das Verkleben von Gehrungskanten erledigen wir, während das Aufbringen von Fronten auf Unterkonstruktionen durch den Küchenbauer ausgeführt wird», sagt Michael Raith, zuständig für den Vertrieb bei der Naku Steinhandel AG in Basadingen TG.

Bevor es so weit ist, sind Details in der Ausführung abzuklären. Bei dünnen Platten wie den keramischen Werkstoffen sind etwa die Ausfräsungen ein kritischer Punkt. «Das Fräsen eines Falzes mit der CNC-Maschine, wie bei einem Naturstein, ist bei dünnen Platten kaum möglich», sagt Wiget. Keramik etwa ist ausserordentlich hart, und bei einer Plattenstärke von 12 mm und einem Falz von 8 mm funktioniere dies einfach nicht. «Ein Falzprofil entsteht dann normalerweise durch Aufkleben des Materials auf der Unterseite», sagt Wiget. Das Schneiden von keramischen Platten erfolge in der Regel mittels Wasserstrahl- maschinen. Die meisten Betriebe, die Naturstein bearbeiten, hätten eine solche Schnittvorrichtung.

Beim Preis für den schönen Stein verhält es sich ähnlich wie beim Holz. Die Bandbreite ist recht gross. Wer glaubt, dass Kunststeinplatten günstiger sind als natürliche Steinplatten, der irrt. Das Gegenteil ist der Fall: Eine Granitplatte ist meist kostengünstiger als die Keramikplatte. Die Superstein-Eigenschaften haben ihren Preis, und in der Tendenz ist dieser eher höher als beim Naturstein.

www.studer-frick.chwww.naku.ch

Plattenförmige Kunststeine

Silestone

Der Quarzstein des spanischen Herstellers Cosentino besteht zu etwa 94 % aus Quarzkristallen. Daneben kommen farbige Pigmente und Polyesterharz als Bindemittel zum Einsatz.

www.silestone.com

Sapien Stone

Der Feinsteinwerkstoff der italienischen Iris Ceramica Group wird aus Ton und Mineralfarben produziert.

www.sapienstone.de

Neolith

Der spanische Hersteller Thesize verspricht, mit dem Material über Keramik und Feinsteinzeug hinauszugehen. Neolith besteht aus Quarz und Feldspat, Mineralien aus Glas und Kiesel sowie natürlichen Oxiden.

www.neolith.com

Dekton

Die keramische Platte von Cosentino wird aus den natürlichen Inhaltsstoffen Ton, Quarz, Feldspat und Mineral-oxiden produziert.

www.cosentino.com

Lapitec

Der Kunststein aus Italien wird vollständig mineralisch ohne den Zusatz von Harzen oder Bindemitteln gesintert.

www.lapitec.com

Nerosicilia

Besteht aus Lavagestein vom Fusse des Ätna. Die Farbgebung von Grau bis Schwarz wird durch die Temperatur bei der Herstellung eingestellt. Recyceltes Glas von Bildschirmen sorgt für Farben und vor allem für reizvolle Muster der Platten. Die Glasadern durchziehen dabei das Material.

www.nerosicilia.com

Caesarstone

Der plattenförmige Quarzstein aus Israel besteht zu 93 % aus Quarz. Dazu kommen Farbpigmente und Polymere als Bindemittel.

www.caesarstone.com

christian Härtel, ch

Veröffentlichung: 09. Dezember 2021 / Ausgabe 50/2021

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