Mutig ans Glas!

Löcher bis 75 mm Durch-messer in Float-Struktur- oder Verbundsicherheitsgläsern lassen sich mit den richtigen Werkzeugen auch vom Schreiner erstellen. Bilder: Bohle

Fertigungstechnik.  Die Bearbeitung von mineralischem Glas ist nicht allein dem Glaser vorbehalten. Auch Schreiner können bestimmte Arbeitsgänge ausführen. Ein Experte erklärt im Einmaleins der Glasbearbeitung, worauf es ankommt und welche Hilfsmittel nötig sind.

Obwohl es für das Zuschneiden von Glas keine Alterslimite gibt, obliegt das Reparieren von Bruchscheiben in den Schreinereien fast ausschliesslich den Lernenden. Diese tun sich mit dem zerbrechlichen Werkstoff denn auch immer wieder schwer. Das Erlernen der Glasbearbeitung gehört zu jeder Schreinerausbildung und ist immer wieder ein beliebtes Thema, um im Berufstagebuch festgehalten zu werden. Die Bearbeitung von Glas erschöpft sich aber meistens mit dem rechtwinkligen Zuschneiden von Reparaturglas. Bereits bei Sonderformen stösst das über Generationen weitergegebene Wissen der Schreiner an Grenzen; oft fehlt neben der fehlenden Übung auch ganz einfach der Mut, es auszuprobieren.

Warum nicht selber?

Glas ist faszinierend – der klare, bisweilen sehr zerbrechliche Werkstoff strahlt eine gewisse Magie aus. Geht es um die Bearbeitung, weicht die Magie schon bald dem Respekt. Eine falsche Handhabung und die Struktur ist unwiederbringlich zerstört. Für Schreiner ist das eher ungewohnt, auch wenn die Handhabung vieler klassischer «Schreinerwerkstoffe» genauso heikel ist. Die Bearbeitung von Glas erschöpft sich aber keineswegs mit dem Zuschnitt von Reparaturgläsern. Löcher bohren, Ausschnitte, Kanten schleifen, Flächen polieren sind einige wenige Bearbeitungen, die ohne Weiteres auch für Schreiner machbar sind. Oft braucht es dazu nicht einmal teure Spezialwerkzeuge. Mit dem richtigen Glasschneider kann man ohne Weiteres gerade, runde, ja sogar Innenausschnitte – etwa für Katzenschleusen – sicher ausführen.

Die SchreinerZeitung hat zu diesem The-ma Peter Sonanini von der gleichnamigen Handlung für Glaserwerkzeuge und Spezialgläser befragt. Auch wenn der Glasfachmann die einzelnen Bearbeitungen detailliert beschreibt, erfordert die Glasbearbeitung viel Erfahrung sowie eine gewisse Routine. Im Folgenden sind die für Schreiner möglichen Bearbeitungsmethoden ausführlich beschrieben.

Löcher bohren

Das Erstellen einzelner Bohrungen bis zu einem Durchmesser von 75 mm ist relativ einfach. Wichtig beim Bohren ist die Vibrationsfreiheit, weil nur Hohlschaftbohrer mit diamantbesetzter Schneidekrone geeignet sind. Zum Bohren kann man ganz normale netz- oder akkubetriebene Bohrmaschinen einsetzen. Glasbohrer sind aber immer mit einer Halbzoll-Gewindeaufnahme ausgerüstet, wodurch die Aufnahme in das Zangenfutter einer Schreinerbohrmaschine erschwert wird. Lösen lässt sich das mit einem Adapter, diesen kombiniert man am besten gleich mit einer Wasserspülbüchse. Über diese lässt sich Kühlwasser in den hohlen Bohrer hineinleiten. Kühlung ist beim Bohren unverzichtbar. Neben dem Ausschwemmen des Bohrmehls übernimmt das Wasser die Kühlfunktion am Glas und am Bohrer. Zur Not tut es aber auch von aussen zugeführtes Wasser, etwa aus einer Spritzkanne.

Schwieriges Ansetzen

Zum Ansetzen des Bohrers braucht es eine stabile Führung. Am einfachsten ist das mit einer Ständerbohrmaschine zu erreichen. Das kann zum Beispiel die «Pico Drill» von Bohle sein. Der Maschinenständer lässt sich mittels Saugsystem auf dem Glas platzieren und man kann die Löcher recht schnell bohren. Je nach Durchmesser und Dicke des Glases beschränkt sich die Bohrzeit auf wenige Sekunden. Nach dem vorsichtigen Ansetzen kann man zügig durchbohren. Wer auf eine Schreinermaschine setzen will, kann für das Ansetzen des Bohrers eine Anbohrhilfe benutzen. Diese lässt sich mit der Vakuumtechnik auf dem Glas ansetzen und gibt dem manuell geführten Bohrer Halt.

Nie ohne Wasser

Auf der «Pico Drill» ist bereits eine Wasserkühlung installiert. Diese Maschine kostet rund 1200 Franken, was sich bei einem Einzelpreis pro Loch von 12 bis 15 Franken ziemlich schnell rechnet. Die eingesetzten Bohrer kosten bei einem Durchmesser von 10 mm etwa 50 Franken pro Stück. Die Abnützung hält sich in Grenzen. Mit derselben Bohrkrone kann man eine addierte Glasdicke von etwa 12 m durchbohren. Das ergibt bei 4 mm-Glas satte 250 Löcher. Bohren lässt sich neben glattem Floatglas auch Strukturglas. Nach wie vor keine Bearbeitung ist bei gehärteten Gläsern möglich, durch aufgeklebte Folien hingegen frisst sich der Bohrer ohne Widerstand. Die Oberflächengüte erreicht im Bereich des Loches nicht Sichtqualität, Bohrer mit integriertem Ansenker entschärfen zumindest die Eintrittskante.

Manuelles Schneiden

Viele Schreiner arbeiten mit minderwertigen Glasschneidern. Deren Schneidrad ist in der Regel aus Stahl. Solche Schneidräder halten bei perfekter Anwendung rund 200 Schnittmeter durch. Bei zu viel Druck oder falscher Handhabung sind die Räder aber noch sehr viel schneller stumpf. Ein zweiter Durchgang über einen bestehenden Schnitt führt in jedem Fall zum sofortigen Versagen. Ein Anzeichen für zu viel Schneid-druck ist das Auftreten eines weissen Saums aus Glassplittern am Rande des Schnittes.

Der Glasschneider ist ein heikles Werkzeug, das nur bei richtiger Handhabung funktioniert, darum ist auch die persönliche Aufbewahrung und die Kontrolle über den Gebrauch wichtig.

Stahl ist gut, Hartmetall ist besser

Es macht daher Sinn, diese Arbeiten immer vom gleichen Mann ausführen zu lassen, der auch die Übersicht hat, welche Nummer am Drehrad des Mehrfachschneidenhalters noch scharf ist. Wer häufiger Glas schneidet, sollte auf ein hochwertiges Schneidgerät umsteigen. Gute Schnitte lassen sich mit Rädern, aus Hartmetall oder noch besser mit solchen aus polykristallinem Diamant (PKD) erzielen. Hartmetall hat eine deutlich höhere Standzeit, mit dem gleichen Rad lassen sich ohne Weiteres bis zu 4000 addierte Schnittmeter erreichen. Der Mehrpreis für ein Rad aus Hartmetall rechnet sich sehr schnell, das nicht nur aufgrund der höheren Meterleistung, sondern auch wegen dem reduzierten Verschnitt durch Fehlschnitte. Schneiden aus PKD rechnen sich dagegen nicht für den Schreiner, die Schnittleistung ist sehr hoch, die Handhabung aber umso schwieriger. Zum Vergleich: Ein Stahlrad kostet rund 50 Rappen, ein Hartmetallrad bekommt man ab acht Franken und ein PKD-Rad schlägt mit rund 360 Franken zu Buche. Für den Einsatz eines hochwertigen Schneidrades macht auch die Verwendung eines speziellen Halters Sinn.

Leichter schneiden mit Öl

Neben der Schneidradwahl ist ebenso die Verwendung eines Schneidöles angebracht. Dieses vermindert den Schlupf am Rad und hält das seitliche Ausbrechen des Schnittes in Grenzen. Zudem erfordert der Schnittvorgang weniger Druck und der Schnitt reisst weniger ab. Das heisst, das Risiko von Unterbrüchen wird gesenkt. Aufgetragen wird das Öl entlang dem Lineal mit einem Wattebausch.

Heikel ist der Zuschnitt von konkaven und konvexen Formen. Zum Einsatz kommen biegbare Lineale oder spezielle Glasschneid-zirkel, wer viel Gefühl hat, kann genauso mit Nagel, Schnur und Glasschneider einen improvisierten Zirkel bauen. Ist der eigentliche Schnitt ausgeführt, wird es heikel, denn dann gilt es, das Glas zu brechen.

Besser mit Zange

Bei geraden Schnitten führt man den Bruch am besten durch eine Schnittlaufzange herbei. Diese besteht aus einer unteren Backe mit einem Druckpunkt und einer oberen mit zwei Druckpunkten. Man setzt die Zange an der Seitenkante über dem Schnitt an und übt wenig Druck aus. Dabei entsteht ein präziser Bruch, der sich entlang des Schnittes ausbreitet. Der Bruch sucht dabei die schwächste Linie, also den Schnitt, und setzt sich recht zuverlässig auch über Unterbrüche im Schnitt fort. Das Fehlbruchrisiko nimmt deutlich ab, vor allem dann, wenn der Schnitt nicht perfekt ausgeführt wurde.

Auf Augenhöhe mit Tom Cruise?

Bei runden Glasformen schneidet man zuerst sauber, klopft die Scheibe dann von unten vorsichtig so lange, bis sich der Bruch über die ganze Schnittlänge ausgebreitet hat. Erst dann kann man den Abschnitt vorsichtig nach unten biegen, und damit brechen. Innenausbrüche, etwa für Katzentüren, sind sehr schwierig zu schneiden. Wenn Tom Cruise im Action-Film mit dem Zirkel ein rundes Loch schneidet und den Glaskreis sauber entfernt, sieht das zwar gut aus, funktioniert in der Praxis aber überhaupt nicht. Zuerst muss man den Schnitt mit einem Zirkel anbringen, und zwar möglichst unterbruchsfrei. Liegt das Glas nicht eingebaut, also noch offen auf dem Bearbeitungstisch, sollte man einfach die Scheibe so lange und vorsichtig verwinden, bis sich der Bruch entlang dem Schnitt einstellt. Erst wenn der Hauptschnitt gebrochen ist, können die weiteren Arbeitsschritte erfolgen. Im Ausschnitt wird dann das Glas mit dem Glasschneider in möglichst viele Segmente geritzt und diese werden vorsichtig ausgebrochen. Dabei gilt: immer zuerst durch Klopfen einen Bruch herbeiführen und erst dann versuchen, das Segment zu entfernen. Zudem soll man sich vom Zentrum in Richtung Schnittkante vorarbeiten.

Bei rechteckigen Ausschnitten im Randbereich bohrt man zuerst mittels Diamantbohrer die Ecken, um dann mit dem Glasschneider in segmentierter Bruchtechnik den Ausschnitt zu erstellen.

Maschinenschnitt

Der maschinelle Schnitt lohnt sich dann besonders, wenn der abzutrennende Glasanteil zu klein ist, um das Glas konventionell zu schneiden und zu brechen, also wenn der Abschnitt weniger als etwa 2 cm breit ist. Grundsätzlich kommen dazu nur Kreissägen mit diamantbesetzten Sägeblättern oder Stichsägen mit polykristallinen Stichsägeblättern zur Anwendung. Den Gebrauch von Stichsägen sollte man aber eher den Spezialisten überlassen, während Kreissägen auch für Schreiner interessant sind. Bei dieser Maschine steht die Kühlung im Mittelpunkt. Zum Einsatz kommen spezielle Sägen, die über eine Kühleinrichtung verfügen. Wer etwa an einer Küchenrückwand aus Glas einige Millimeter abschneiden muss, ist mit einer Kreissäge gut bedient.

Qualität bleibt tief

Die zu erwartende Schnittqualität ist aber sehr bescheiden. Für eine Sichtqualität reicht der Diamantschnitt nicht aus. Die Kreissäge kann man ohne Weiteres auch für rechteckige Ausschnitte an der Glaskante einsetzen. Da Innenecken aber gerundet sein müssen, beschränkt sich der Einsatz auf den Einschnitt von der Kante zum Eckloch. Für Eintauchschnitte ist die Kreissäge allerdings nicht geeignet.

Vorsicht ist beim Schneiden von Drahtglas geboten. Die eingegossenen Drähte können das Sägeblatt nachhaltig beschädigen.

Schleifen

Das Bearbeiten von Sichtkanten bleibt wohl den Spezialisten vorbehalten. In der Glasmanufaktur werden die Gläser automatisch gesäumt, geschliffen und poliert. Für Schreiner denkbare Bearbeitungen beschränken sich auf das Brechen von Glaskanten, das Glätten von Bruchkanten und das Ausbessern von leichten Beschädigungen. An der Kante erfolgt der Schleifvorgang mit speziellen, diamantbesetzten Schleifbändern. Der Schliff kann sowohl trocken mit Schreinermaschinen erfolgen, aber auch nass mit Glasermaschinen. Mit dem Trockenverfahren ist die abrasive Leistung deutlich geringer, zudem wird die entstehende Wärme nicht abgeführt.

Überhitzung verhindern

Zu viel Hitze erhöht den Verschleiss am Band und führt zum Aufbau von Spannungen an der Glaskante. Schleifen lassen sich fast alle Glasarten mit Ausnahme von Einscheiben-Sicherheitsgläsern (ESG). An den Kanten dieser Gläser lässt sich, wenn überhaupt, nur sehr wenig abschleifen, ohne das Spannungsgleichgewicht zu beeinträchtigen. Trägt man zu viel ab, bricht das Glas spontan.

Pulver erhöht Abrieb

Was an der Kante aufgrund der fehlenden Führung kaum gelingt, funktioniert auf der Glasfläche relativ gut. Flächig kann man Glas einfach bearbeiten, Kratzer lassen sich mit Polierscheiben oder zusätzlich unter Zugabe von Poliermittel entfernen. Nötig ist eine Poliermaschine und die entsprechenden Polierscheiben. Um die Abtragsleistung zu erhöhen, kann man Cer-Dioxid-Pulver zur Polierpaste zugeben. Das Poliermittel aus dem Seltenen-Erden-Metall Cer erhöht die Abtrageleistung deutlich.

Welche Kratzer entfernt werden können, hängt von deren Tiefe ab. Kratzer, die mit dem Fingernagel spürbar sind, lassen sich zwar noch entfernen, das Abschleifen hinterlässt aber sichtbare Beeinträchtigungen. Für grössere Flächen braucht es Einrichtungen, die sich als Anschaffung für Schreiner kaum lohnen.

Kleben: Glas auf Glas

Um Glas miteinander zu verkleben, verwen-det man UV-härtende, transparente Klebstoffe. Diese Produkte sind als einkomponentige Lösungen erhältlich, die Aushärtung erfolgt mittels UV-Lampen. Doch zuerst muss man die Gläser richtig positionieren können. Dafür eignen sich verstellbare Saugeinheiten, die sich grob platzieren und dann über Stellschrauben sehr genau ausrichten lassen. Dabei bleiben die Werkstücke so lange beweglich, bis die Belichtung durch die Lampe erfolgt. Ist das Glas platziert, muss man unbedingt den aus der Fuge gedrückten Klebstoff entfernen. Nur so entsteht eine saubere Fuge. Zu Beginn des Klebevorgangs steht aber die sorgfäl- tige Reinigung mit dem vom Klebstoffhersteller empfohlenen Reiniger an. Aber aufgepasst beim Verkleben von Verbundsicherheitsgläsern (VSG): Die zwischenliegenden Folien lassen kaum UV-Strahlung passieren, so dass keine Aushärtung erfolgt. Hält man aber alle Verarbeitungsvorgaben ein, überzeugt das Resultat. Aquarien kann man übrigens nicht mit UV-Kleber bauen. Diese Klebstoffart ist zwar feuchte-, aber nicht wasserfest. Für absolut wasserbeständige Verbindungen braucht es zweikomponentige Silikone.

Sonanini glas

Glas und Zubehör

Mit Hans-Peter und Peter Sonanini betreiben zwei Generationen die Glashandlung in Zürich-Oerlikon. Neben dem Handel mit Spezialglas – zum Beispiel Restaurationsglas der Glashütte Lamberts – vertreiben Vater und Sohn Sonanini auch ein breites Sortiment an Glaserwerkzeug der deutschen Firma Bohle. Zudem hat sich das Unternehmen auf die Beratung und den Verkauf von Produkten für die beiden Gebiete Reinigung und Beschichtung von Glas spezialisiert. Leider hat das Unternehmen keine Website. Kontakt: Sonanini Glas, Tel. 044 311 92 30,

glas.sonanini[at]dplanet[dot]ch .

Details zum angebotenen Werkzeugsortiment findet man auf der Website von Bohle.

www.bohle.de

wi, wi

Veröffentlichung: 05. September 2013 / Ausgabe 36/2013

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