Möbel magisch machen

Ein spannendes Szenario bietet Valcucine auf Fingerzeig durch den Sensor in der Mitte der Front. Bild: Valcucine

Sensortechnik.  Mit einem Fingerzeig das Licht dimmen oder die Klappe eines Oberschrankes öffnen ist dank der Steuerung mittels Sensoren möglich. Die kleinen Impulsaufnehmer begegnen uns inzwischen überall im Alltag. In Möbeln sind sie jedoch noch selten anzutreffen.

Es genügt ein einfacher Fingerzeig. Dann setzt sich recht unvermittelt die Front der Küche in Bewegung. Die Fläche, über die Breite von mehr als drei Metern, fährt nach oben und das Flächenlicht der Rückwand erscheint langsam. Erst rot, dann gelb und schliesslich weiss. Während so vor dem ersten Kaffee die Sonne aufzugehen scheint, schwenkt der Wasserhahn aus und die Küchenzeile des italienischen Herstellers Valcucine ist sodann betriebsbereit. Das Ganze ist ein Akt von Sekunden. Gebannt schaut das Publikum am Stand an der Messe Eurocucina in Mailand diesem Prozedere zu. Ausser den erstaunten Kommentaren derjenigen, die dem Schauspiel beiwohnen, ist dabei eigentlich kaum etwas zu hören. Ein Hauch von Magie liegt in diesem Moment in der Luft; Untätigkeit und trotz- dem Aktion. Damit die Motoren des Schiebebeschlages für die Front, die Armatur sowie die Leuchtensteuerung zeitgleich in programmierter Abfolge auf den Fingerzeig reagieren, braucht es einen Signalgeber und gleichsam wichtig: die Technik dahinter.

Kaum in Möbeln zu finden

Der Sensor selbst ist in diesem Beispiel der Möbelmagie rückseitig in die Front integriert. Sein Empfindungsvermögen macht vor dem Material nicht halt und so ist es Valcucine möglich, auf der Front nur das Logo des Unternehmens zu zeigen, als Dreh- und Angelpunkt der Aktion. Das Unternehmen entwickelt solch prägende Beschläge selbst. Das heisst, dass die mit «V-Motion» bezeichnete Technik leider nicht so einfach verfügbar ist, sondern das Ergebnis intensiver Arbeit des Herstellers ist.

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Eigentlich ist das verwunderlich, denn Sensoren begegnen uns überall in Alltag. Wir nutzen ihre emsige Art täglich. Angefangen bei den Maschinen und Anlagen in den Produktionhallen, bis hin zur Einparkhilfe, dem Rauchmelder, und noch selbstverständlicher bei der Fotoautomatik im Smartphone.

Sensoren muten wie Ameisen unserer Zeit an. Überall stecken die kleinen Dinger drin und sammeln fleissig, protokollieren permanent Bewegung, Distanzen, Wärme, Licht oder Spannung und bilden so die Schnittstelle zur künstlichen Intelligenz. Man bezeichnet sie, unabhängig davon, wozu sie dienen oder wie sie funktionieren, auch als Messwert-Aufnehmer. Manchmal sind sie nur ein Rappen-Produkt, dann wieder doch so einige Franken wert. In der Schreinerei nur punktuell etwa als Füllstandsmelder im Spänesilo oder als Sicherheitseinrichtung an der Kreissäge eingesetzt, sind die Impulsaufnehmer in der industriellen Fertigung dagegen kaum mehr wegzudenken.

Im Möbel- und Innenausbau tauchen Sensoren meist für die Steuerung von Leuchten auf. Oft bereits integriert für die Korpusinnenbeleuchtung beim Öffnen von Küchenauszügen oder Türen, werden die Impulsaufnehmer zur motorischen Unterstützung von Bewegungsvorgängen dagegen bislang kaum eingesetzt. «Beschläge mit elektromechanischer Unterstützung, die durch Antippen funktionieren, sind zwar mittlerweile schon verbreitet. Komplett berührungslose Steuerungen dagegen sind im Bereich der Beschläge eher schwierig», sagt Walter Anderegg, Produktemanager Möbelbeschlagstechnik bei der Opo Oeschger AG in Kloten ZH.

Das liegt daran, dass es sensorgesteuerte Beschläge für eine Bewegung oft schlicht nicht gibt. «Der Aufwand und der hohe Preis solcher Funktionen führen dazu, dass Konsumenten zurzeit noch weit davon entfernt sind, das Geld dafür auszugeben», sagt Mike Kroll, Geschäftsleiter von KMD Industrievertretungen in Ebnat-Kappel SG. Ein gewisses Angebot, etwa an motorisierten Auszügen, sei aber durchaus vorhanden, Am Ende würden diese jedoch nur selten bestellt.

Machbar wäre vieles

Ein weiterer Grund dafür, dass sensorgesteuerte Bewegung bislang kaum ins Handwerk Einzug hält, ist die Komplexität. Vor allem, wenn mal etwas nicht mehr so funktioniert, wie es eigentlich sollte. Dann braucht es einen Service. Einen defekten Beschlag kann der Schreiner austauschen. Spielt die Elektrik verrückt, bräuchte es extra einen Experten, der dann für Abhilfe sorgt. Manche Lösungen finden deshalb in der industriellen Fertigung ihren Platz, nicht aber im Handwerk, weil dann der Hersteller oder Händler auch für den Schreiner ein Service-Angebot bereitstellen müsste.

Der Beschlaghersteller Blum hat die motorisch unterstützte Bewegung inzwischen aufgegriffen und damit etwa den Klappenbeschlag «Aventos HK top» aufgerüstet. Gesteuert wird die Bewegung dabei jedoch nicht über einen Sensor, sondern durch einen Schalter, der mittels Druck durch Antippen der Front aktiviert wird. Schliessen lässt sich die Klappe dann mittels Knopfdruck. Stattdessen einen Sensor zu verwenden, der auf eine Handbewegung vor der Front reagiert, wäre durchaus machbar. «Die Motorisierung von Mechanik ist möglich und muss keine grosse Sache sein. Aber das Ganze muss von den Beschlagherstellern umgesetzt werden», sagt Kroll.

Bei der Problematik geht es um das Zusammenspiel der Einzelteile und natürlich darum, dass diese steckerfertig konfiguriert sind. Die Dienstleister und Partner können aber nicht für Licht und andere elektrische Komponenten wie motorisierte Beschläge die Sensorik nach Wunsch in verschiedenen Varianten bauen. Das wäre dann ein individuelles Angebot mit einem dem Aufwand entsprechenden Preis – theoretisch möglich, aber kostspielig.

Für das berührungslose Öffnen und Schliessen hatte Blum zuletzt eine Lösung als Konzeptstudie präsentiert, bei der mittels App und Sprachsteuerung die Bewegung aktiviert wird. Dann könnte etwa mit einem hinterlegten Sprachbefehl wie «Siri, ich will Müll entsorgen» das automatische Öffnen des Auszuges mit der Abfalltrennung vonstattengehen.

Die Beleuchtung im Fokus

Während diese Variante von «Smart Home» eher noch Zukunftsmusik ist und die meisten Beschläge nicht als motorisierte Varianten erhältlich sind, haben sich Leuchten längst verselbstständigt. Innenbeleuchtungen für Auszüge haben den Sensor meist schon implementiert, sodass die Montage und die Konfiguration des Ganzen ohne besonderen Aufwand umsetzbar ist. Aber auch hier hebt Kroll seine Hand. «Selbst ein erprobtes Produkt, wie die sensorgesteuerte Schubladenbeleuchtung, wird relativ selten verkauft. Angefragt wird es von den Kunden zwar, doch wegen des Mehrpreises verzichten viele Kücheninteressierte am Ende darauf», beschreibt der Experte die Erfahrungen aus der Küchenbauszene. Konsumentinnen und Konsumenten scheinen sich bei solchen Extras eher pragmatisch zu geben. «Sie wollen ein gutes Licht auf der Arbeitsfläche, dort wo geschnippelt und gerüstet wird. Ist das vorhanden, fällt das Licht beim Benutzen der Schubladen auch in diese, weshalb die Innenbleuchtung in den Auszügen eher selten umgesetzt wird», sagt Kroll.

Bei der Steuerung des Lichtes stehen vor allem Korpusmöbel, Kleiderschränke und die begehbaren Varianten im Fokus. Auch ohne Fronten können Impulsnehmer mit der Funktionsweise eines Bewegungsmelders die Schaltung des Lichtes für begehbare Kleiderschränke übernehmen. Bei vorhandenen Türen reagiert der Sensor beim Öffnen der Front. Inzwischen sind die Bauteile recht klein geworden. Eine Zehn-Millimeter-Bohrung genügt und manche Varianten können auch rückseitig eingebohrt und verdeckt montiert werden. Solche Anwendungen von Sensoren sind häufig, denn oft weisen die Korpusse Schiebetüren auf. Aber auch hier bleibt das Bauteil ein seperates Element. «Einen Sensor in die Schiebetürbeschläge zu integrieren, ist möglich, wird aber von den Beschlagherstellern bislang kaum aufgegriffen», sagt Kroll.

Gesten sind einfacher als Apps

Einen besonderen Nutzen schafft die sogenannte Gestensteuerung. Damit lässt sich die Beleuchtung etwa dimmen oder auch die Lichttemperatur verändern. Die Gesten können verschieden sein. Etwa die kreisende Bewegung mit dem Finger vor dem Messpunkt führt dann je nach Richtung der Bewegung zu mehr oder weniger Helligkeit. Kroll ist überzeugt, dass die Gestensteuerung über Sensoren Einzug halten wird, dort wo sie einen sinnvollen Einsatz hat. Bei der Schrankbeleuchtung etwa braucht es keine solche Steuerung. «Niemand will vom kaltweissen auf warmweisses Licht wechseln, wenn er seine Krawatte oder sie das Abendkleid auswählt», sagt Kroll. Ganz anders im Badezimmer. Dort kann der Wechsel der Lichtfarbe mit einer Handbewegung nützlich sein – etwa beim Schminken. Das meist warmweisse Licht würde den Eindruck verfälschen, nur Tageslichttemperatur zeigt, wie das Ergebnis wirklich aussieht. Bei über 5000 Kelvin wiederum möchte sich kaum jemand am Morgen nach dem Aufstehen im Spiegel betrachten. Ein Fingerzeig genügt.

www.opo.chwww.km-decor.ch

christian härtel

Veröffentlichung: 25. November 2021 / Ausgabe 48/2021

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