Mit Leichtigkeit gebaut


Leichtbauplatten sind in verschiedenen Materialien und Ausführungen erhältlich. Bild: Michi Läuchli
Leichtbauplatten sind in verschiedenen Materialien und Ausführungen erhältlich. Bild: Michi Läuchli
Leichtbau. Wo Gewicht und Material reduziert werden sollen, sind Leichtbauplatten für den Schreiner interessant. Sie erleichtern nicht nur Werkstücke, sondern auch Handhabe, Transport und Montage. Dennoch hängt ihnen noch immer der Ruf an, minderwertig zu sein.
Gewachsenes Holz bildet mit seiner dreidimensionalen Struktur, bestehend aus Zellulose- und Hemizellulosefasern, welche in einer Ligninmatrix eingebunden sind, die Eigenschaft eines natürlichen Faserverbundwerkstoffes. Verglichen mit anderen Baustoffen wie Stahl, Alu oder Zementstein ist Holz von Natur aus schon ein Leichtbauwerkstoff. Es besitzt eine geringe Dichte, dafür aber eine hohe Steifig- sowie Festigkeit.
Strukturen, die so leicht als möglich und dennoch so stabil wie nötig gebaut sind, finden sich in einer grossen Fülle in der Natur und bestimmen die jeweilige Bauweise. Beispielsweise die kräfteübertragende Knochenstruktur, oder die Bienenwabe, welche eine vergleichbar sehr geringe Menge an Wachs für die Konstruktion benötigt. Die sechseckige Form weist eine hohe Stabilität, ein grösstmögliches Fassungsvermögen und eine vollständige Raumnutzung auf.
Es erstaunt nicht, dass viele der Techniken aus der Natur vom Menschen übernommen werden und diese dann in die Architektur und Industrie einfliessen. Als Beispiel die Wabenplatte: ein leichter Kern aus Kartonwabe, stirnseitig verleimt mit zwei Deckschichten. Verglichen mit anderen Platten in gleicher Materialstärke garantiert die Wabenplatte gegenüber gleich dicken Spanplatten eine markante Gewichtsreduktion, ohne dabei sonderlich an Stabilität einzubüssen.
Die Pionierarbeit für Leichtbau kommt aus dem Fahrzeugbau. Die Leichtbauentwicklung spielt dort eine wichtige Rolle. Erfahrungen aus der Luft- und Raumfahrt bringen ebenso wichtige Erkenntnisse. Wo ständig Masse befördert wird und der Kraftstoffverbrauch niedrig gehalten werden soll, ist die Gewichtsreduktion ein wichtiger Punkt. Hier schlägt sich jedes Zusatzgramm in den Kosten nieder. Im Möbel- und Innenausbau wird so Material eingespart und dadurch teilweise sogar mehr Festigkeit als mit sonst üblichen Platten erreicht.
Im Zuge der Nachhaltigkeit sind Leichtbauplatten eine gute Wahl, da bei der Produktion massiv weniger Rohstoffe benötigt werden als mit einem gewöhnlichen Verbundwerkstoff. Je nach Fabrikat können so bis zu 75 Prozent eingespart werden. Typische Einsatzgebiete solcher Fabrikate sind raumhohe Schiebetüren, Wände, lange Fronten und auskragende Formen.
Die gegenwärtige Gesellschaft, bestimmt von einer wachsenden Mobilität, verlangt nach intelligenten, handlichen Produkten. Möglichst individuell und ohne Kraftaufwand sollen sie bedienbar sein. Seltsamerweise trifft dies bei Möbelstücken nicht ganz zu; denn oft werden leichte Möbel als billig empfunden. Es ist fast schon eine Bedingung, dass sich ein Möbelstück schwer und massiv anfühlen muss, was heisst, dass viele Konstruktionen häufig massiv geplant und ausgeführt werden. Dabei gibt es im Innenausbau genug Möglichkeiten, leichter zu bauen, indem man statt einer Span- oder MDF- eine Leichtbauplatte verwendet. Gerade bei grossflächigen Teilen lassen sich weniger schwere Platten leichter handhaben sowie transportieren und sie entlasten auch die Beschläge.
Schreiner haben dennoch gewisse Skepsis gegenüber Leichtbauplatten. Oft werden Platten eingesetzt, die man gut kennt und leicht zu verarbeiten sind. Dazu ist das Lagervolumen oft beschränkt, sodass eine Schreinerei die Anzahl eingesetzter Platten aufs nötige Minimum reduziert. Die Vorstellung, dass eine Leichtbauplatte einen Alu-, Kunststoff-, aber auch Kartonwabenkern aufweist, ist für manche störend, weil dann die Natürlichkeit von Holz wegfällt.
Dabei gibt es gute Alternativen zu den massiven Materialien, wie beispielsweise das Fabrikat Lisocore. Die Leichtbauplatte weist einen Kernverbund aus Flies und Holzfasern auf. Verglichen mit einer Spanplatte in gleicher Materialstärke, schafft dies eine Gewichtsersparnis von nahezu 50 Prozent. Im Messe- und Bühnenbau, wo ständig Material von A nach B transportiert wird, zahlt sich die Gewichtseinsparung aus, daher sind Leichtbauplatten dort gut etabliert. Lastwagen können besser beladen werden, und Messebauer sind in der Lage, viele der temporären Installationen mit wenig Personal auf- und wieder abzubauen.
Wie ein optimales Verhältnis zwischen Modularität und Leichtigkeit gut umgesetzt werden kann, zeigt die Firma 3-D-Art AG in Inwil LU. Sie ist spezialisiert auf den Event- und Messebau. Ein Miet- und Kaufsortiment von Messemöbeln steht zur Verfügung, aber auch individuelle Ausstellungsstücke werden nach Kundenwunsch hergestellt. «Grundsätzlich ist Leichtbau bei uns bei fast jedem Auftrag ein Thema. Es geht oft nicht einmal um die Materialisierung, sondern mehr um die Planung und Konstruktion der Möbel», wie Martin Doppmann, Projektleiter bei 3-D-Art AG, sagt. «Für uns ist die Logistik ein grosses Thema. Da wir schweizweit unterwegs sind, wird darauf geachtet, das Volumen auf eine gewisse Grösse bringen zu können, ohne gleich mit einem Lastwagen mehr fahren zu müssen. Sind wir beispielsweise beim Transport von Theken volumentechnisch knapp an der Grenze, überlegen wir uns, diese nicht komplett zu liefern, sondern in drei, vier modularen Teilen, um sie dann vor Ort zusammenzubauen», fügt Doppmann an. Die Möbel sind so konstruiert, dass man sie kompakt in Rahmenpaletten transportieren kann.
Im Gegensatz zum Fixbau sind noch andere Faktoren wichtig, so überlegt man sich schon bei der Konzeption, wie die Möbel gelagert und transportiert werden und wie sie auf- respektive abzubauen sind. Damit es keine riesigen Möbel gibt, versucht man mit Sichtfugen zu arbeiten. 3-D-Art setzt bei den Möbeln auch auf Platten wie MDF light oder Eurolight. Hat eine Firma eine Unternehmensidentität, zu der es kein passendes Dekor gibt, eignen sich diese Platten gut, um sie im passenden Farbton zu lackieren.
Bei neuen Türfronten in einer Wohnüberbauung entschied sich die Schreinerei Huss GmbH in Wiesendangen ZH für Lisocore. Die knapp 40 Reduittüren wurden in einer Materialstärke von 50 mm ausgeführt. «Die Platten erleichterten das Verteilen und Montieren, zudem lastet merklich weniger Gewicht auf den Bändern der raumhohen Türen. Eingesetzt wurden Prämeta-Bänder, dafür mussten an den vertikalen Kanten Einleimer verwendet und anschliessend abgefälzt werden», sagt Geschäftsführer Stefan Huss.
Auch die Schreinerei Steiner & Camenzind GmbH in Steinen SZ setzte Lisocore für einen Wohnungsausbau ein. «Eine über fünf Meter lange Wand haben wir mit Lisocore hergestellt. Einzelteile von knapp einem auf zwei Meter gerieten daher relativ leicht, was den Monteur beim Transport in die oberen Geschosse entlastete», erklärt Inhaber Gery Camenzind.
Durch eine wellenförmige, dreidimensional geformte Kernstruktur, die zwei Decklagen form- und stoffschlüssig miteinander verbindet, unterscheidet sich Lisocore von allen anderen bestehenden Leichtbauwerkstoffen. Die Deckschichten enthalten gefräste Vertiefungen, in welche die wellenförmige Kernstruktur formschlüssig hineinpasst und fest damit verklebt wird. So bietet die Leichtbauplatte neben dem geringen Eigengewicht und der hohen Biegefestigkeit eine hohe Verbundfestigkeit.Das Bekanten lässt sich ohne Einleimer realisieren. Der Hersteller empfiehlt hier eine Mindestdicke von 2 mm bei PVC-Kanten und bei Holzkanten mindestens 3 mm. Beschläge können direkt angeschraubt werden. Sie halten dann allerdings nur in der Deckschicht. Der Hersteller empfiehlt hier den Einsatz von Kaltschmelzdübeln oder der Blindniettechnik.
Die Stärke der Lisocore-Platten, die durch die Braun AG in Gossau SG vertrieben werden, sind die Hohlräume, durch die Kabel in der Längs-, Quer- sowie Diagonalrichtung auf zwei Ebenen verlegt werden können. Somit ist eine aufgeräumte, unsichtbare Verkabelung möglich.
Lisocore kann in den gängigen Plattenformaten und in den Stärken von 15 mm bis 120 mm bestellt werden. Die Deckschichten sind in unterschiedlichen Ausführungen erhältlich, Dicken zwischen 3 mm und 19 mm wählbar.
Eine Alternative zum herkömmlichen und aufwendigeren Einleimen von Kunststoffdübeln bei Leichtbauplatten bietet die Firma Würth an. Mit Ultraschall werden thermoplastische Verbindungselemente aufgeschmolzen. Der Kunststoff fliesst bei einer Schwingungsfrequenz von 20 000 Hz in die Hohlräume der Holzwerkstoffoberfläche ein, verankert sich beim Erkalten dort, was eine formschlüssige Verbindung gibt. Dabei entwickelt sich nur sehr wenig Wärme, welche zudem nur lokal in das zu verarbeitende Bauteil eingeleitet wird. Daher auch der Name Kaltschmelzverfahren für die Innovation. Grundlage der Entwicklung bildet die geschützte Woodwelding-Technologie der Firma WW Woodwelding GmbH aus Stansstad NW.
Zwar nicht mit Lisocore, dafür mit anderen Leichtbauwerkstoffen, wird bei Cocoon Vans, einem Van-Ausbauer aus Bad Ragaz SG, gearbeitet. Zusammen mit seinem Team von enthusiastischen Handwerkern baut Adrian Räss, Geschäftsführer, Camper nach den Wünschen seiner Kunden aus. «Bei uns liegt der Fokus der verbauten Produkte beim Holz, Kunststoff kommt nicht infrage», verspricht der gelernte Zimmermann und Flüssiggas-Installateur.
«Für Fronten kommt bei uns Multiplex zum Einsatz, es bietet einfach eine gute Flexibilität. Korpusse bauen wir aus Pappel-Sperrholz, welches wir kunstharzbeschichtet bestellen. Hier liegt der Vorteil bei der simplen Verarbeitung, dazu ist es einheimisches Holz. Lisocore wäre sicherlich vom Gewicht her attraktiv, dafür bräuchte es aber spezielles Einpresswerkzeug. Bei der Materialvielfalt beschränken wir uns auf eine gewisse Anzahl von Holzwerkstoffplatten», sagt Räss.
www.3-d-art.chwww.huss.chwww.steiner-camenzind.chwww.braun.chwww.pyrus-panels.comwww.wuerth-ag.chwww.woodwelding.comwww.cocoonvans.com
Das Bearbeitungs- und Zuschnittzentrum BUZ der Kuratle Group in Leibstadt AG bietet ein umfangreiches Leistungsportfolio an. Dieses reicht vom Zuschnitt über die CNC-Bearbeitung, das Bekanten bis zur Herstellung von Akustik- und Leichtbauplatten.
Die Leichtbauplatten sind in verschiedenen Stärken sowie Deckschichtstärken erhältlich und Sonderwünsche bereits ab Stückzahl eins möglich. Neben der fertig belegten Variante kann auch der rohe Karton-Wabenkern bestellt werden. Mit diesem lassen sich vom Schreiner auf seine Bedürfnisse abgestimmte Sandwichkonstruktionen herstellen. Die Produktion erfolgt automatisiert, lediglich die Beschickung der Deckplatten wird von Hand ausgeführt.
Die Rohwabe wird gefasst, läuft über ein Förderband unter der Leimwalze durch. Diese benetzt die Wabenstruktur gleichmässig und beidseitig mit Weissleim. Danach fährt die Wabe über Rollen auf die zuvor bereitgelegte untere MDF-Deckschicht. Dort wird sie manuell platziert, von Hand auf die obere Deckschicht, eine 4 mm dicke MDF-Platte, aufgelegt. Als Sandwich fährt die Platte zwischen die Pressplatten, wo sie mit Druck und Wärme verpresst und schliesslich abgestapelt wird.
Veröffentlichung: 06. Oktober 2022 / Ausgabe 40/2022
Holzdeklaration. Die Anzahl der Unternehmen, die Holz und Holzprodukte richtig deklarieren, ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken, und die Qualität der Holzdeklarationen variiert je nach Branche. Dies zeigt der Rückblick auf die Kontrollen des Eidgenössischen Büros für Konsumentenfragen (BFK) im Jahr 2024.
mehrDampfgebogenes Holz. Mit der Kraft von Dampf und jahrhundertealtem Handwerk verwandelt sich massives Holz in geschwungene Formen. Die Technik ermöglicht es, Holz ohne Bruch oder Verleimung zu biegen und so nachhaltige, langlebige Meisterwerke zu erschaffen.
mehrPaidPost. Der erste Argolite Montage-Leitfaden ist da. Mit dessen Hilfe können Schreinerinnen und Schreiner individuelle Wandverkleidungen im Badezimmer spielend leicht realisieren.
mehr