Mit Gespür für Hochprozentiges

Daniel Kissling (59) nimmt im Keller in Liebefeld eine Probe seines Whiskys aus dem Eichenfass. Bild: Caroline Mohnke

Leute. Der gelernte Schreiner Daniel Kissling spielt seit 42 Jahren Schwyzerörgeli, hat zusammen mit zwei Geschäftspartnern, eine eigene Whiskybrennerei auf dem Gurten und arbeitet hauptberuflich im archäologischen Dienst in Bern. 
 

«Schon früh wusste ich, dass ich etwas Handwerkliches machen möchte», erzählt der 59-jährige Daniel Kissling im Whisky-Fasskeller in Liebefeld bei Bern. Die Luftfeuchtigkeit beträgt beinahe 100 Prozent. Mit seinen Eltern und dem vier Jahre älteren Bruder sei er in Rothrist AG aufgewachsen. In einer ländlichen Gegend voller Bauernhöfe, lacht er. Die Schule sei ihm schon bald einmal zu öde geworden. Er habe sich ein Buch über Schweizer Berufe gekauft und mit den Berufen Bäcker, Koch, Laborant und Schreiner geliebäugelt. Damals spielte er bereits Musik im «Schwyzerörgeli-Quartett Längenberg», was viele Auftritte an Abenden und Wochenenden bedeutete. «Die erste Schnupperlehre machte ich beim Dorfbäcker, was mir gefiel, aber die Arbeitszeiten passten nicht zu meinem Hobby.» Bei der Schnupperlehre als Laborant stellte er fest, dass er nicht ein Leben lang in einem Raum arbeiten möchte. Schliesslich entschied er sich für den Schreinerberuf, denn aus Holz etwas herzustellen, faszinierte ihn. Er absolvierte seine Lehre als Möbelschreiner bei der Firma Gugelmann AG in Aarburg. Nach der Lehrzeit zog er nach Bern und teilte die Studentenbude mit seinem Bruder, der Archäologie studierte. «Ich hatte keine Vorstellung, was ich nach der RS beruflich machen soll.» Er hörte auf den Ratschlag seines Bruders und verdiente sein Geld vorerst als Grabungshelfer auf einer archäologischen Ausgrabung. Dort erhielt er nach und nach mehr Verantwortung und leitete letztlich selbst Grabungen. Seit 37 Jahren, mit zwei Jahren Unterbruch, arbeitet Kissling beim Archäologischen Dienst des Kanton Bern.

«Es fasziniert mich, wie im Eichenfass der scharfe Alkohol zu einem edlen Tropfen heranreift.»

Der zweijährige Abstecher führte ihn nach St. Moritz, wo er als Verkaufsleiter bei einem Whisky-Importeur arbeitete. Seine erste Reise nach Schottland 1991 entfachte in ihm das Feuer für Single-Malt-Whisky. «Die Herstellung und die Geheimnisse dahinter erweckte in mir den Wunsch, eigenen Whisky herzustellen.» Nach zwei Jahren ging er zurück zur Archäologie. «Das Whisky-Business, das ich erlebte, hatte wenig mit Leidenschaft zu tun, sondern vor allem mit Geld.» 2004 gründete er seine eigene Whisky-Importfirma «The Stillman’s», die er in seiner Freizeit betrieb. Es kam eine weitere Firma, «The Whisky Cask Company», dazu, welche eigene Abfüllungen produziert, und dann als letzter Streich, kurz vor 2022, die Gründung der eigenen Brennerei «Irten’ge» auf dem bernischen Hausberg Gurten, zusammen mit zwei Geschäftspartnern. Auf die Frage, was ihn am Whisky fasziniert, antwortet er: «Es sind die vielfältigen Aromen im Glas und die Kunst der Herstellung, wo und wie man auf den Geschmack des Alkohols Einfluss nehmen kann und wie im Eichenfass – jetzt sind wir wieder beim Holz – der scharfe Alkohol zu einem edlen Tropfen heranreift.» Nach Feierabend beim Archäologischen Dienst gehe die Arbeit zu Hause bei seinen beiden anderen Firmen weiter. Die eigene Whisky-Produktion sei jeweils von Oktober bis April wieder aktiv. Vor allem am Wochenende gäbe es dann zu tun.

Daneben bleibe noch Zeit für Hobbys, lacht er: Seit 1982 hätten sie mit dem «Schwyzerörgeli-Quartett Längenberg» 14 Musikproduktionen realisiert und seien daran, die 15. Produktion einzuspielen. Er geniesse es aber auch, in der Natur zu sein, die Landschaften zu betrachten und einfach nichts zu tun.

Caroline Mohnke

Veröffentlichung: 30. September 2024 / Ausgabe 39/2024

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