Mit Farbe Akzente setzen
Ist der Notausgang bereits farblich gekennzeichnet, so braucht es die Hinweisschilder nur noch von Gesetzes wegen. Objekt: Schulhaus Hinter Gärten, Riehen. Bilder (3): Jörg Niederberger
Ist der Notausgang bereits farblich gekennzeichnet, so braucht es die Hinweisschilder nur noch von Gesetzes wegen. Objekt: Schulhaus Hinter Gärten, Riehen. Bilder (3): Jörg Niederberger
FarbRäume. Wenn Jörg Niederberger gerufen wird – meist von Architekten –, geht es um Farbe. Zuweilen ist er auch Mediator, nämlich dann, wenn die Farbwünsche der Kunden nicht mit den Vorstellungen des Planungsbüros übereinstimmen. Die geschaffenen Räume inspirieren.
Seine Werkstatt sieht aus wie ein orientalischer Markt. Nur sind es nicht Lebensmittel, die auf den Tischen angepriesen werden, sondern laufende Projekte. Eingefärbte Materialmuster stehen neben Architekturmodellen, Farbtafeln ergänzen NCS-Kollektionen von Werkstoffherstellern.
Jörg Niederberger ist ein Mann mit Gefühl. Für ihn ist Weiss nicht gleich Weiss und Grau gibt es in den unterschiedlichsten Farbnuancen. «Wer mit Farbe arbeitet, der schärft seine Sinne von Tag zu Tag», sagt er und vergleicht diese Behauptung mit gutem Essen oder edlem Wein. Auch in der Gastronomie sei nur ein Feinschmecker, wer viel übe und schliesslich die feinsten Geschmacksnuancen unterscheiden könne.
Zum besseren Verständnis macht der Farbgestalter noch einen anderen Vergleich: «Mit Farbe ist es ähnlich wie mit guter Musik. In der Tiefe liegt die Qualität.» Ein Sommerhit verleide einem schneller als klassische Tonfolgen, welche schwerer zugänglich sind. Letztere haben dann aber eine viel längere Halbwertszeit und sind damit wertvoller. Genau eine solche Farbgebung interessiert Jörg Niederberger.
Jeder Mensch sieht Farbe anders. Ebenfalls individuell verschieden sind die Assoziationen, die der Betrachter mit der gesehenen Farbe verknüpft. Während für viele Hellgelb fröhlich ist, ruft derselbe Ton bei anderen unter Umständen schlechte Erinnerungen hervor. In einigen asiatischen Ländern ist Weiss die Farbe der Trauer, in unserem Kulturkreis wird sie positiv wahrgenommen. Weiss steht für Frieden, Reinheit und Unschuld.
Gerade weil Farben so verschieden verstanden werden können, ist für Niederberger die Kommunikation besonders wichtig. «Mit einer guten Farbkommunikation beugen wir Streitereien am fertigen Bau vor», meint er. Diese seien nämlich garantiert, wenn er den Kunden nicht schon im Vorfeld auf die möglichen Probleme aufmerksam machen würde. Im Atelier Niederberger im nidwaldischen Büren hat eine Praktikantin ein solches Farbkommunikationssystem aufgebaut. Zettelchen in unzähligen Farbnuancen hängen an der Wand. «Je nach Untergrund kann ein und dieselbe Farbe nämlich ganz verschieden wirken – das zeigen wir hier», erläutert Niederberger. Sein Kommunikationssystem kommt auch dann zum Einsatz, wenn sich Architekt und Kunde nicht über die Farbgebung einig sind. Somit nimmt der Farbprofi auch mal die Rolle als Mediator ein.
Die Auswahl der Farbe laufe keinesfalls bei jedem Projekt gleich ab, verrät Niederberger weiter. Um nicht wirklich entscheiden zu müssen, würden oft Grautöne gewählt. Dann ermutige er seine Kunden auch mal zu einer frecheren Farbgebung. «Manchmal muss ich bei den Leuten zuerst das kognitive Denken ausschalten.» Was etwas kompliziert tönt, ist nur die Suche nach den authentischen Gefühlen der Entscheidungsträger. Denn «gerade Manager tun sich schwer damit, ihre Gefühle zuzulassen», spricht der Gestalter ein schwieriges Thema an. Dies sei schliesslich die Voraussetzung, um den Diskurs über Farbe überhaupt starten zu können.
Kinder sind viel spontaner. Geht es um die farbliche Gestaltung eines Kinderzimmers, wendet Niederberger eine andere Methode an. Er lässt die Kinder beispielsweise Jahreszeiten zeichnen. Besonders ältere Kinder hätten aber auch da schon Klischees: Der Frühling ist hellgrün, der Sommer gelb, der Herbst orange und der Winter hellblau. Viel lieber ist Jörg Niederberger, wenn individuelles Empfinden und persönliche Vorlieben aufs Papier gebracht werden. Deshalb entwickelt er zurzeit einen psychologischen Test, mit dem er menschliche Farbvorlieben noch detaillierter ermitteln kann.
Nicht immer geht es beim Einsatz von Farbe nur ums Gefallen. Denn gerade bei Architektur hat Farbe auch einen funktionalen Aspekt. Nobilitierung nennt Jörg Niederberger das farbliche Hervorheben architektonischer Stärken. Dabei gehe es keinesfalls darum, die Architektur zu konkurrenzieren, betont er.
Im Gegenteil: Die Farbgebung verfolgt ein praktisches Ziel: «Farbige Wände werden weniger versprayt als solche aus rohem Beton», sagt Niederberger. Er versucht mit farbigen Wänden Vandalismus vorzubeugen. Ein anderes Thema ist die Benutzerführung. Farbe kann wie ein Wegweiser funktionieren und im Gebäude aufzeigen, wo die Toilette oder der Notausgang ist.
Besonders ambitioniert dürfte das Ziel sein, durch farbige Räume einer hohen Mitarbeiterfluktuation Herr zu werden. Die Idee dahinter wurde bei der Gemüse Tenti AG in Winterthur umgesetzt: In schön gestalteten Räumen lässt es sich leichter arbeiten.
Farbe hat immer auch mit Licht zu tun. Das gilt es bei der Planung zu berücksichtigen. «Decken erscheinen meist eher etwas dunkler, auch wenn sie in derselben Farbe gestrichen sind wie die Wände», erklärt Niederberger.
Auch künstliches Licht, Materialien und Strukturen haben einen Einfluss auf die Wirkung der angebrachten Farbe. Eine besondere Knacknuss sei es jeweils, zum Beispiel einbrennlackierte Fussleisten an gestrichene Tapeten anzugleichen. Doch das passiere selten. Vielmehr ist Niederberger immer auf der Suche nach dem Natürlichen. Und das ist zuweilen nicht immer ganz perfekt. Wie die Beispiele zweifarbiger, stark strukturierter Materialmuster, welche in seinem Atelier stehen. Die erste Farbe wird mit einem weichen Roller aufgetragen. Erst nach dem Trocknen appliziert er die zweite Farbe mit einer härteren Rolle. Diese dringt dann nicht mehr bis in die Tiefen der Struktur. Es ensteht ein gesprenkeltes Muster, das südländisch anmutet. Eine Farbenkombination, die am besten mit dem Duft orientalischer Gewürze verglichen werden kann.
www.joergniederberger.chNicht nur was Massivholz anbelangt, sondern auch bei den Farben scheint der Trend wieder vermehrt zu alten, bewährten Techniken zurückzugehen. Mineralfarbe ist ein Überbegriff für Farben auf Mineralbasis. Das heisst, Pigmente, Füllstoffe und Bindemittel sind völlig anorganisch. Auch Silikat- oder Wasserglasfarben fallen in den Bereich der Mineralfarben.
Mineralfarben werden auch Keim-Farben genannt, weil sie 1878 vom Handwerker und Forscher Adolf Wilhelm Keim patentiert worden sind. Das Unternehmen stellt noch immer solche Farben her und gehört heute zur Leonhard-Moll AG.
Farben auf Mineralbasis verbinden sich stark mit dem Untergrund, dessen Eigenschaften sie teilweise annehmen.
Vor kurzer Zeit hat die Firma Keim das Farbsystem «Lignosil», das sind Silikatfarben für Holz, auf den Markt gebracht. Gemäss Hersteller ist das Produkt vor allem für den Aussenbereich geeignet, wo es sehr langlebig sein soll. Die Renovierbarkeit ist hervorragend, da Silikatfarben in der Regel nicht abgeschliffen werden müssen. Eine gründliche Reinigung ist als Vorbereitung völlig ausreichend. «Lignosil» besteht aus einer Grundierung und der farbig erhältlichen Deckbeschichtung. Das Farbsystem schützt auch sägerohe Holzoberflächen einwandfrei vor Feuchtigkeit, Witterungseinflüssen oder Holzschädlingen.
www.keimfarben.chVeröffentlichung: 03. Mai 2012 / Ausgabe 18/2012
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