Uneinig. Mit dem neu lancierten Baustandard Minergie-A soll die Entwicklung der Bau- und Haustechnik gefördert und der Begriffe-Wirrwarr vereinheitlicht werden. Doch gegen das neue Label wächst Opposition: «Der neue Standard schiesst am Ziel vorbei», sagen die Gegner.
Die Zahlen sind ziemlich beeindruckend: Bereits 1000 Minergie-P-Gebäude und insgesamt 20 000 Minergie-Bauten konnten in den vergangenen fast 13 Jahren zertifiziert werden. Nun geht der Verein Minergie mit der Einführung eines neuen Baustandards in die Offensive. Deshalb verfolgten rund 300 Fachpersonen an der Minergie Expo in Luzern letzten Donnerstag gespannt die Lancierung des neuen Schweizer Labels für Nullenergiehäuser: Minergie-A.
Entwicklung weiter fördern
Ruedi Kriesi, Vizepräsident des Vereins Minergie, zeigte dabei die Idee, den Nutzen und die Ziele der Einführung dieses neuen Standards auf. «Wir wollen mit Minergie-A weitere Entwicklungsschritte der Bau- und Haustechnik in Richtung des komfortablen, autonomen Gebäudes auslösen», erklärte Kriesi. Auf den Punkt gebracht soll Minergie-A der praxisorientierte Schritt zur CO2-freien Wärmeversorgung, zum Einbezug von Haushaltstrom, grauer Energie und zur weitestgehenden Schonung der Energieressourcen werden. Zudem hat die Einführung von Minergie-A zum Ziel, die Vielzahl von Begriffen wie Plusenergie-, Nullenergie- oder Kraftwerkhaus zu vereinheitlichen und eine Konzentration auf die relevanten Punkte zu bringen. Nach einer intensiven Vernehmlassungsphase seien Definition, Richtwerte und Prüfbedingungen nun so weit, dass man Minergie-A auch umsetzen könne, wurde an der Fachtagung in Luzern bekannt.
Keine riesigen Solaranlagen
Doch wo liegt der Ansatzpunkt von Minergie-A konkret? Wie soll er von Planern und Handwerkern umgesetzt werden? Damit der neue Standard tatsächlich zur Bautechnikentwicklung beiträgt, muss er – gemäss den Ausführungen von Ruedi Kriesi – die Bilanzierungsgrenze auf das Gebäude selber beschränken. Die Abdeckung des Energiebedarfs eines durchschnittlichen Gebäudes durch eine sehr grosse Solaranlage, die teilweise oder ganz ausserhalb des Gebäudes selbst stehen würde, hätte mit Technikentwicklung nämlich nichts zu tun. Vielmehr will der Verein Minergie, dass mittels Solarzellen, Erdwärme oder Biomasse die nötige Energie zur Versorgung von Heizung, Kühlung, Warmwasser und Lüftung geliefert wird. Dabei wird auf Konzepte mit thermischer Solarenergie, die nicht wie die Fotovoltaik auf ein Netz als Speicher zurückgreifen können, gesetzt. Diese Systeme sind nur auf eine kleine Menge an lagerbarer Energie angewiesen. Wenn diese erneuerbar und komfortabel einsetzbar ist, soll Minergie-A erreicht werden können.
Grauer (Richt-)Wert
Weiter legt Minergie-A einen Grenzwert für die zum Erstellen des Hauses erforderliche graue Energie fest. Dieser Wert beziffert die Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines verwendeten Baustoffes benötigt wird. Ein überschrittener Grenzwert der grauen Energie – dies ist eher bei kleineren Bauten zu erwarten – kann mit zusätzlicher Fotovoltaikfläche auf dem Gebäude kompensiert werden. Minergie-A verlangt für die Haushalt-Grossgeräte und die Beleuchtungsmittel ebenso die besten Energiekategorien.
Wenig Praxisauswirkungen
Für den Holz- und Innenausbau und somit auch für den Schreiner hat dieses neue Label nur bedingt Auswirkungen. Von der bisherigen Praxis bei Minergie- und Minergie-P-Bauten weicht der neue Standard lediglich minim ab. Bei der Gebäudehülle lockert Minergie-A sogar die Richtwerte auf «normale» Minergie-Dämmstärken (siehe rechte Spalte). Einzig der Herkunft und Zusammensetzung der verwendeten Holzwerkstoffe wird in Bezug auf die graue Energie mehr Aufmerksamkeit geschenkt.
Vielversprechende Aussichten
Mittelfristig verfolgt der Verein Minergie die Absicht, den Minergie-Grundstandard auslaufen zu lassen. Die heutigen Energiegesetze entsprächen weitgehend diesen Vorschriften, was dieses Label mittel- und langfristig entbehrlich mache, heisst es. Somit soll es zukünftig nur noch die drei Labels Minergie-P, Minergie-P-Eco und Minergie-A geben.
Auch im Ausland haben die Schweizer Standards an Akzeptanz gewonnen. In Frankreich ist es beispielsweise bereits gelungen, Minergie als anerkanntes Förderungskriterium zu platzieren. Die Absicht des Vereins Minergie geht aber noch weiter. Er möchte die Baustandards als Exportlabel weiter fördern und somit ausländische Investoren für die Schweizer Bauindustrie gewinnen. pet
Veröffentlichung: 17. März 2011 / Ausgabe 11/2011
Artikel zum Thema

Die Berufslehre soll attraktiv bleiben
In Deutschland und Österreich beginnen immer weniger Jugendliche eine Berufsausbildung. Deren Regierungen wollen deswegen eingreifen. In der Schweiz sieht es hingegen aktuell noch besser aus.
mehr
Ein Böögg für das eigene Sechseläuten
Wer Zuhause einen Böögg wie die Zürcherinnen und Zürcher verbrennen möchte, um den Winter zu vertreiben, kann sich eine kleine Version der Stiftung RgZ bestellen.
mehr
Die IPA-Projekte der Schreiner48 Academy von 2022
PaidPost. Jedes Jahr steht bei den Schreiner-Lernenden die IPA an: die praktische Arbeit, die innert vorgegebener Zeit hergestellt wird. Hier die diesjährigen Projekte.
mehr