Minergie geht mit Neuem in die Zukunft

Am Beispiel des Freilagers Zürich ist zu sehen, dass der Minergie-Standard keine negativen Auswirkungen aufdie Ästhetik eines Gebäudes hat. Bild: Minergie Schweiz

Energieeffizient Bauen.  Schluss mit fossilen Brennstoffen für Neubauten, überarbeitete Standards und je ein Qualitätssicherungssystem für Bau und Betrieb. Dies und noch viel mehr sind die Neuerungen, die Minergie seit Anfang 2017 schrittweise einführt.

Der Minergie-Standard ist seit seiner Lancierung vor 18 Jahren der erfolgreichste Schweizer Baustandard überhaupt. Bereits sind hierzulande 43 000 Gebäude Minergie-zertifiziert. Das bedeutet: Fast eine halbe Million Menschen leben bereits in Minergie-Häusern. Doch bei allem Erfolg: Der Verein Minergie will und darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Schliesslich will man ja auch in Zukunft in Sachen Energieeffizienz, Wohnkomfort und Werterhaltung des Gebäudes wegweisend sein.

Die effiziente Nutzung und Erzeugung von Wärme für Heizung und Warmwasser hat in den letzten zwei Jahrzehnten ein hohes Qualitätsniveau erreicht, und Minergie muss mithalten. Als erste Neuerung macht Minergie 2017 deshalb Schluss mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe in Neubauten. Minergie 2017 macht die effiziente Elektrizitätsnutzung und die Eigenproduktion von Elektrizität zum neuen Schwerpunktthema und stellt hohe Anforderungen. Die neuen Minergie-Bauten produzieren einen Teil ihres Energiebedarfs selber.

Im Umfeld von Gesetzen und Normen

Alle Neuerungen sind abgestimmt auf die neuen Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich, Ausgabe 2014 (MuKEn 2014), und die Neuerungen im Normenwesen des SIA. Die MuKEn 2014 werden in den einzelnen Kantonen in den kommenden Jahren eingeführt werden. Minergie-Gebäude werden ihre Anforderungen bereits mit den Gebäudestandards 2017 einhalten. Damit bietet Minergie den Bauherrschaften Planungs- und Investitionssicherheit. Man kann sogar sagen: Für die Bauherrschaft lohnt sich Minergie.

«Ein nach Minergie zertifiziertes Gebäude erzielt einen höheren Mietertrag, und beim Verkauf ist die jährliche Wertminderung bedeutend niedriger. 91 Prozent aller Kunden würden wieder nach Minergie bauen. Das ist eine riesige Kundenzufriedenheit», sagt Andreas Meyer Primavesi, Geschäftsleiter von Minergie Schweiz.

Minergie-Kennzahl

Neu und ganz wesentlich definieren sich ab 2017 alle Minergie-Standards durch die Gesamtenergiebilanz, die in der Minergie-Kennzahl zum Ausdruck kommt. Diese beinhaltet die gewichtete Endenergie für Raumheizung, Warmwasser, Klimatisierung, Lüftung, Geräte, Beleuchtung und allgemeine Gebäudetechnik, abzüglich der anrechenbaren Eigenproduktion an Strom. Je niedriger die Minergie-Kennzahl, desto grösser die Energieeffizienz.

Um die spezifischen Anforderungen verschiedener Gebäudezwecke zu berücksichtigen, werden die Gebäude in elf Kategorien eingeteilt. Je nachdem, ob ein Gebäude in die Kategorie Mehr- und Einfamilienhaus, Verwaltung, Schulen, Verkauf, Restaurants, Versammlungsgebäude, Spitäler, Industrie, Lager oder Sportbauten fällt, gelten unterschiedliche Zusatzanforderungen.

Monitoring

Bei grossen Minergie- und Minergie-P-Bauten über 2000 m2 Energiebezugsfläche und allen Minergie-A-Bauten wird neu die Installation eines Monitoringsystems verlangt. Die wichtigsten Energieflüsse werden gemessen, aufbereitet, gespeichert und visualisiert. Damit soll den Gebäudenutzern aufgezeigt werden, welche Nutzung wie viel Energie verbraucht. Das Monitoring ist auch die Grundlage für eine spätere Betriebsoptimierung.

Zertifizierungsweg für Sanierungen

Um die energetischen Erneuerungen von Gebäuden zu fördern und zu vereinfachen, hat Minergie einen einfachen Zertifizierungsweg für Sanierungen entwickelt. Minergie bietet fünf Standardlösungen mit aufeinander abgestimmten Massnahmen an Hülle und Technik für energetische Gebäudeerneuerungen an. Die Investitionen können damit zielgerichtet erfolgen und es ist eine etappierte Realisation (max. 5 Jahre) möglich. Durch die Zertifizierung kann eine hohe Qualität sichergestellt werden. Der vereinfachte Zertifizierungsweg wird bis Ende 2017 noch in der Pilotphase getestet mit dem Ziel, diesen 2018 einzuführen.

Das Minergie-Qualitätssystem

Die für eine Qualitäts-Zertifizierung notwendigen Kriterien bleiben auch in Zukunft bestehen, werden aber neu durch zwei Zusatzprodukte ergänzt:

Das Zusatzprodukt Minergie-Qualitätssystem-Betrieb (MSQ-Betrieb) richtet sich an Bauherrschaften bereits früher zertifizierter Minergie-Bauten.

Die Minergie-Betriebsoptimierung soll die Qualitätsansprüche von Minergie in puncto Wohnkomfort und Engergieeffizienz während des Betriebs sicherstellen. Mittels Datenerhebungen und Begehungen werden Massnahmen zur Optimierung gesucht. Besitzer und Bewohner erhalten massgeschneiderte Tipps rund um das komfortable und energieeffiziente Wohnen.

Heizungs- und Lüftungsanlagen werden überprüft und ein störungsfreier und langlebiger Betrieb der haustechnischen Anlagen ist das Ergebnis. Der erfolgreiche Abschluss dieser Optimierung wird von Minergie bestätigt.

Handwerker und Planer können sich künftig auf das neue Zusatzprodukt Minergie-Qualitätssystem-Bau (MQS-Bau) abstützen. Bereits heute kostet die Behebung von Baumängeln jährlich 1,6 Milliarden Franken. Die Verschärfung der Musterverordnung der Kantone MuKEn2014 wird diese Zahl noch vergrössern. MQS-Bau begleitet deshalb schon die Bauphase.

Es fordert eine umfassende Baudokumentation und verlangt Inbetriebssetzungsprotokolle zu Heizungs- und Lüftungsanlagen. MQS-Bau «Check» ist eine Selbstkontrolle nach standardisierten Minergie-Vorgaben.

MQS-Bau «Selection» geht noch einen Schritt weiter: Hier erfolgen die Baukontrollen durch einen unabhängigen Experten des Vereins Minergie.

Momentan befindet sich dieses Zusatzprodukt MQS-Bau in der Pilotphase. Anfang 2018 wird mit der Einführung gerechnet.

Minergie-Eco als Ergänzung

Nicht komplett neu, aber immer noch ein Thema ist der Minergie-Eco-Standard, der die drei Gebäudestandards auf Wunsch ergänzt. Neben Minergie-Merkmalen wie Komfort und Energieeffizienz erfüllen zertifizierte Bauten nach Minergie-Eco auch Anforderungen gesunder und ökologischer Bauweisen. Das breite Wissen, die bewährten Planungswerkzeuge und nicht zuletzt die Erfahrungen des Vereins «eco-bau» bilden die Grundlage für das Planen und Bauen nach Minergie-Eco. Die Anforderungen dafür sind in sechs Kriterien eingeteilt: Gesundheitliche Aspekte sind in den Kriterien Tageslicht, Schallschutz und gesundes Innenraumklima berücksichtigt. Die Themen nachhaltiges Gebäudekonzept, Materialisierung und Prozesse sowie Graue Energie beinhalten bauökologische Anforderungen.

Die sogenannten Anschlusskriterien verhindern, dass Systeme und Materialien zum Einsatz kommen, die mit dem nachhaltigen Bauen nicht vereinbar sind. So müssen die Handwerker zum Beispiel darauf achten, dass Biozide oder Holzschutzmittel den Innenräumen fernbleiben.

Qualität ist gefragt

Für die am Bau beteiligten Handwerker bedeuten die überarbeiteten Minergie-Standards einen noch grösseren Anreiz, Qualität und Handwerkskunst zu zeigen. Denn was nützt die beste Gebäudehülle, wenn beim Einbau von Fenstern an den Schnittstellen nicht optimal abgedichtet wird und so Kälte einzieht – oder beim Anbringen des Storenkastens die perfekte Fassade unfachmännisch durchbohrt wird. Schreiner im Küchenbau achten beim Minergie-Standard auf Geräte, die möglichst wenig Energie verbrauchen.

Überhaupt ist das Thema Lüften bei Minergie-Bauten wichtig. Wer bei der optimal abgedichteten Gebäudehülle dreimal täglich fünf Minuten die Fenster öffnet, kommt ohne kontrollierte Lüftung aus. Wer das nicht so praktizieren will, bekommt mit einiger Wahrscheinlichkeit früher oder später Probleme mit Schimmelbildung.

Gleich von Beginn weg auf eine automatische Lüftung zu setzen, ist sicher eine gute Lösung. Komfortlüfung mit Wärmerückgewinnung oder kontrollierte Aussenluftdurchlässe stehen zur Verfügung.

Minergie-Module

Minergie-Module heissen die energetisch relevanten Bauteile in Minergie-Qualität, die das Erreichen des Standards erleichtern. Erhältlich sind diese für Fenster, Holzheizungen, Komfortlüftung, Leuchten, Raumkomfort, Sonnenschutz, thermische Solaranlagen, Türen, Wand und Dach.

Bei den Minergie-Modulen handelt es sich um zu Systemen zusammengefügte Komponenten. Modulfenster bieten zum Beispiel auch Lösungen für den luftdichten Einbau in die Gebäudehülle, und Modul-Lüftungen bestehen nicht nur aus dem Lüftungsgerät, sondern umfassen auch die dazu passenden Hilfsaggregate und Zusatzkomponenten. Bauen mit Minergie-Modulen hat mindestens zwei gewichtige Vorteile. Erstens: Der Qualitätsnachweis ist stark vereinfacht, wenn Minergie-zertifizierte Module eingesetzt werden.

Zweitens: Mit Minergie-Modulen lässt sich ein Gebäude in Etappen modernisieren. Ein Gesamtkonzept, das mit Vorteil von einem Minergie-Fachpartner erstellt wird, ermöglicht eine gute Übersicht und verhindert Fehlinvestitionen.

www.minergie.ch

Die Drei Minergie-Standards

Der Minergie-Standard

Dieses Erfolgsmodell ist die Basis der drei Gebäudestandards. Die Anforderungen an die Gesamtenergiebilanz sind so gewählt, dass mit wenig Mehraufwand eine erhebliche Energieeinsparung und ein Komfortgewinn möglich sind. Eine gut gedämmte Gebäudehülle, eine hocheffiziente Energieversorgung aus erneuerbaren Brennstoffen und eine kontrollierte Lufterneuerung sind die Merkmale des Niedrigenergie-Gebäudes.

Seit der Lancierung im Jahr 1998 wurden bereits über 37 000 Gebäude zertifiziert.

Der Minergie-P-Standard

Beim Minergie-P-Standard setzt man besonders bei der Gebäudehülle auf Anforderungen, welche im Rahmen des heute technisch Möglichen liegen. Optimal gedämmt und luftdicht muss sie sein und die gesetzlichen Anforderungen um mindestens 30 Prozent unterschreiten. Ausserdem tragen auch passive Wärmequellen wie die Sonneneinstrahlung zur Deckung des Wärmebedarfs bei. Den Minergie-P-Standard gibt es seit 2003; in der Schweiz wurden seither über 3700 Gebäude zertifiziert.

Der Minergie-A-Standard

Während der Minergie-P-Standard zum Erreichen der Minergie-Vorgaben vor allem beim Heizwärmebedarf ansetzt und hohe Anforderungen an die

Gebäudehülle stellt, geht Minergie-A zusätzlich noch den zweiten möglichen Weg zum energetisch optimalen Gebäude. Der Minergie-A-Standard ist der Innovationsstandard und steht für solare Energieproduktion und optimale Gebäudetechnik. Zum Minergie-Haus gehört eine Eigenstromversorgung mit Lastmanagement und Batterie. Der Minergie-A-Standard zeichnet ein Plusenergiegebäude aus und ist die Königsklasse aller Minergie-Label. Der Standard verlangt nämlich, dass ein Minergie-A-Gebäude insgesamt mehr Energie erzeugt als

es verbraucht.

Weiterbildung

Für Architekten, Planer und Baubeteiligte bietet Minergie in allen Regionen der Schweiz Weiterbildungsmöglich- keiten. Diese umfassen Grundkurse, Themen- und Update-Kurse.

www.minergie.ch

beb

 

Veröffentlichung: 09. März 2017 / Ausgabe 10/2017

Artikel zum Thema

25. April 2025

Die Berufslehre soll attraktiv bleiben

In Deutschland und Österreich beginnen immer weniger Jugendliche eine Berufsausbildung. Deren Regierungen wollen deswegen eingreifen. In der Schweiz sieht es hingegen aktuell noch besser aus.

mehr
24. April 2025

Ein Böögg für das eigene Sechseläuten

Wer Zuhause einen Böögg wie die Zürcherinnen und Zürcher verbrennen möchte, um den Winter zu vertreiben, kann sich eine kleine Version der Stiftung RgZ bestellen. 

mehr

weitere Artikel zum Thema:

News