Lohn soll nicht Lehrgeld sein

Sind die Verlockungen grösser als das Budget, so müssen die Lernenden Geduld beweisen. Bild: Monika Hurni

Budget. Bald erfolgt für viele Schulabgänger der Eintritt in die Schreinerlehre. Mit dem ersten eigenen Lohn steigt ihre Eigenverantwortung. Nicht allen gelingt es auf Anhieb, Verlockungen zu widerstehen und das Budget richtig einzuteilen. Eine Beratung kann helfen.

Bald werden neue angehende Schreinerinnen und Schreiner wohltuende Bewegungen auf ihrem Konto spüren. Aber kaum ist der erste Lehrlingslohn da, tauchen auch schon Wünsche und Begehrlichkeiten auf. Ein Roller, eine coole Reise, jedes Wochenende Party im angesagten Club, und im Internet Shopping nach Herzenslust. Doch aufgepasst: Schon alleine das tägliche Leben kostet. Leicht verliert man da den Überblick und landet in der Schuldenfalle.

Um diesem Problem vorzubeugen, können sich Jugendliche beraten lassen. In der Regel genügt ein Termin bei einer der rund 30 Beratungsstellen des Dachverbands Budgetberatung Schweiz, um Sicherheit im Umgang mit dem Lehrlingslohn zu erhalten. Eine hilfreiche Internetadresse bei Schulden ist www.schulden.ch. Wie diese gar nicht erst entstehen, weiss Budgetberaterin und Präsidentin Budgetberatung Schweiz, Andrea Schmid-Fischer.

Standby: Frau Schmid, der erste Lohn ist doch eine wunderbare Sache. Wo liegt denn das Problem?

Andrea Schmid-Fischer: Natürlich ist es schön, eigenes Geld zu verdienen, aber Jugendliche lassen sich manchmal vom Betrag von mehreren Hundert Franken blenden. Ein realistischer Blick auf die Gesamtkosten zeigt, dass grössere Projekte, wie zum Beispiel der Fahrausweis, ein Roller oder ein Auto manchmal auf die Zeit nach der Lehre verschoben werden müssen. Vergessen geht nämlich oft, dass zu den täglichen Kosten weit mehr gehört als Taschengeld, Kleider, Handy und Verpflegung. Ein Gesamtbudget zeigt klar, was möglich ist und wer was finanziert. Im Budget werden der eigene Lohn, aber auch die Ausbildungszulage und der Elternbeitrag berücksichtigt.

Das klingt ernüchternd. Aber man sieht doch gerade in den sozialen Medien Jugendliche, die in Saus und Braus leben. Wie machen die das?

Ja, das stimmt. Aber solche Vergleiche sind wenig hilfreich. Sie generieren eine Illusion, die mit den eigenen finanziellen Möglichkeiten oft wenig zu tun hat. Dazu kommt, dass Kinder und Jugendliche von Versicherungen und Finanzdienstleistern immer aggressiver umworben werden. Wenn man zum Beispiel bei Volljährigkeit im Standardpaket einer Bank gleich zwei Kreditkarten mitgeliefert bekommt, so lässt dies aufhorchen.

Wo genau liegen die Gefahren?

Bedenklich ist alles, was eine sinnvolle Einteilung des Lehrlingslohns aus dem Lot bringt. Grundsätzlich bin ich überzeugt, dass die meisten Jugendlichen schnell konkret wissen, wo bei ihnen der Hase im Pfeffer liegt. Man kann ihnen also ungeniert zutrauen, dass sie verantwortungsvoll mit dem eigenen Geld umgehen. Aber es braucht die Vermittlung von Wissen, um die eigenen finanziellen Möglichkeiten richtig einzuschätzen. Das ist übrigens eine Herausforderung für viele Menschen, egal in welchem Alter. Wer jedoch bereits beim Lehrlingslohn lernt, realistisch zu planen und klug einzuteilen, ist nachher in Sachen Geld eher gerüstet für einen guten Start ins Erwachsenenleben.

Sollten Jugendliche beim Erhalt des ersten Lohns eine Budgetberatung in einer Fachstelle anpeilen?

Nicht zwingend. Es gibt durchaus junge Leute, die gemeinsam mit ihren Eltern am Familientisch eine super Lösung finden, die für alle stimmt und tipptopp funktioniert.

Und in welchen Fällen empfehlen Sie eine Beratung?

Sie ist dann sinnvoll, wenn man verunsichert ist und sich Konflikte anbahnen. Für die Jugendlichen stellen sich Fragen wie: Wie viel muss ich zu Hause abgeben? Welche Kosten trage ich selbst, welche übernehmen die Eltern? Wie teile ich mein Geld ein? Eine neutrale Budgetberatung empfehle ich auch dann, wenn die Finanzen der Familie generell knapp sind oder wenn Eltern oder Jugendliche den Eindruck haben, dass sie zu viel bezahlen.

Budgetberater sind an die Schweigepflicht gebunden. Können Sie mir trotzdem eine typische Situation aus Ihrem Beratungsalltag nennen?

Der Klassiker sind Jugendliche, die das Konto chronisch überziehen, um ihren Lebensstandard langfristig anzuheben. Sie bestellen zum Beispiel Kleider oder Elektronik im Internet und jonglieren dann die Rechnungen umher. Einige machen dies sehr geschickt. Aber so klug man auch verschiebt und vertröstet – Minus bleibt Minus. Früher oder später kann eine solche Situation zur grossen psychischen Belastung werden.

Kommt bei allen Jugendlichen der Punkt, an dem sie leiden?

Nein, oftmals sehen die Jugendlichen die Situation nicht so dramatisch, wie sie ist. Vielfach werden sie von den Eltern gerettet. Diese ersparen so den Kindern die Konsequenzen des eigenen Handelns. Doch damit wird das Problem verschleppt, die eigenen Finanzen in den Griff zu kriegen. Schulden bei Eltern oder Kollegen zu haben, ist nicht die Lösung. Dies belastet Beziehungen. Daran sind schon Freundschaften zerbrochen.

Wie läuft eine Budgetberatung ab?

In 60 bis maximal 90 Minuten erarbeite ich mit dem Jugendlichen ein massgeschneidertes Budget. Wir listen alle Ausgaben auf, planen Rückstellungen, wie zum Beispiel für Lehrmittel, Sprachaufenthalte, oder legen Sparziele fest. Das Budget definiert auch die Kostenaufteilung zwischen dem Elternhaus und dem Jugendlichen.

Kommen die Jugendlichen alleine zu Ihnen in die Beratung?

Es ist sinnvoll, wenn die Eltern mitkommen. Einerseits, weil sie näher an gewissen Informationen wie zum Beispiel über die Krankenkassen- und Versicherungsprämien sind. Anderseits, weil damit die Einigung darüber, wer was zahlt, schon angedacht ist. Wichtig ist: Beratende achten Prioritäten, Werte und finanzielle Möglichkeiten der betreffenden Familie. Wir zeigen Optionen auf, befähigen und denken kreativ mit. Wie viel für welchen Budgetposten zur Verfügung steht, wer was aus welchem Geld bezahlt, das entscheiden die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern. Das sage ich so klar, weil sich Eltern manchmal wünschen, dass eine externe Fachperson ein Machtwort spricht. Das steht uns aber nicht zu. Es ist der Budgetierungsprozess, der die Grenzen des Möglichen aufzeigt.

Das leuchtet ein. Können Sie zum Abschluss sagen, was Sie am Ende des Tages zufrieden macht?

Wenn dank einer Beratung eine gute Einigung zwischen Eltern und Kindern zustande kommt und alle entlastet nach Hause gehen, freut mich dies persönlich sehr.

Budgetberatung

Budgetberatung Schweiz ist die Dachorganisation von über 30 Beratungsstellen, die von kirchlichen, staatlichen und privaten Non-Profit-Institutionen getragen werden. Der gemeinnützige Verein finanziert sich unter anderem durch Mitgliederbeiträge, Sponsoren und Spenden.

www.budgetberatung.ch

Spartipps

  • Handy: Prepaid ist günstiger als Abo.
  • Verpflegung: Vorsicht bei Take-away. Das läppert sich zusammen. Essen und Getränke lieber von zu Hause mitnehmen. Eine Thermoskanne ist eine kluge Investition.
  • Kleider: In Secondhand-Shops findet man oft coole Einzelstücke.
  • Ausgang: Grillieren an öffentlichen Grillplätzen oder Partys bei Freunden sind Alternativen zu noblen Clubs.
  • Rauchen: Kaputte Lunge und hohe Kosten. Kommentar erübrigt sich.
  • Grössere Anschaffungen: Zuerst die Fixkosten bezahlen. Für teure Anschaffungen konkret jeden Monat Rücklagen einplanen.
  • Bankkonto: Beim Bankkonto Bezugslimiten auf Null vereinbaren. Bei Barbezug anhand des Belegs den Kontostand im Auge behalten.
  • Kreditkarte: Nur zum Zahlen und nicht für einen Kredit verwenden.
  • Bargeld: Sparsam dabei haben. Kollegen keinen Kredit geben und auch keinen in Anspruch nehmen.

beb

Veröffentlichung: 06. Juni 2019 / Ausgabe 23/2019

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