Limiten und Garantien: eine Gratwanderung


Bild: Fotolia, Kwest
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Finanzen. Bietungsgarantie, Erfüllungsgarantie, Gewährleistungsgarantie, Baugarantie, Anzahlungsgarantie – das Wirrwarr im Baugarantiendschungel ist unübersichtlich, kostet Geld, schränkt den Wettbewerb ein und kann für eine Firma existenzbedrohende Ausmasse annehmen.
Die Fronten sind eigentlich klar: Der Bauherr will, dass das von ihm in Auftrag gegebene Bauwerk gemäss seiner Bestellung erstellt wird. Das ist sein gutes Recht. Er investiert sein Geld und geht dadurch ein persönliches Risiko ein. Um dem Sicherheitsbedürfnis des Bauherrn Rechnung zu tragen, hält sich die Baubranche an das System der Sicherheiten der SIA 118. Die allgemein anerkannte Norm sieht dafür drei Sicherheiten vor:
Die SIA 118 ist allgemein anerkannt, seit Jahren bewährt und genügt in den allermeisten Fällen der Bauwirtschaft.
In den letzten Jahren wird die SIA 118 vor allem von potenten Investoren wie Grossfirmen, Spekulanten und laut neuesten Informationen von der öffentlichen Hand ziemlich willkürlich ausgehebelt und abge- ändert. Selbstverständlich haben diesbezüg-lich einzelne schwarze Schafe in der Bauindustrie dem Gros an seriösen Unternehmen mit ihren dubiosen Tricks und Halbwahrheiten einen Bärendienst erwiesen.
Die Schuld am gestiegenen Sicherheitsbedürfnis der Bauherren nur den Unternehmen in die Schuhe zu schieben, greift aber zu kurz. Vielmehr wird von Bauherren und deren Vertretern versucht, jegliches Risiko bewusst an den Unternehmer abzuschieben. Dabei gilt es zu bedenken, dass Investoren aufgrund ihrer Wirtschaftskraft problemlos ein Heer von Anwälten beschäftigen können, welche wahre Knebelverträge ausarbeiten. Dem hat ein typisches Schweizer KMU lediglich unternehmerisches Grundwissen und Instinkt entgegenzustellen. Eine Wahl hat der Unternehmer nicht. Will er seine Auslastung sicherstellen und damit Arbeitsplätze erhalten, muss er in den sauren Apfel beissen. Dies zeigen Beispiele aus der Praxis. Dag Hammarskjöld war schwedischer Staatsangehöriger, zweiter UN-Generalsekretär und ihm wurde 1961 der Friedensnobelpreis verliehen. Er engagierte sich für Frieden im Kongo und nicht in der Bauwirtschaft, trotzdem findet sich so mancher Unternehmer in einem seiner berühmten Zitate wieder: «Wir haben die Verantwortung für unser Versagen, aber nicht die Ehre für unsere Leistung.»
Tatsächlich bringt die Annahme grosser Aufträge den KMU vielfach frustrierende Diskussionen über deren Finanzierbarkeit. Was besonders paradox ist: Ein Unternehmen behauptet sich seit Jahrzehnten erfolgreich am Markt, zieht dadurch die Aufmerksamkeit von Investoren auf sich, ist bezüglich Know-how und Kapazität prädestiniert, ist erste Wahl des Bauherrn und wird letztlich durch dessen finanziellen Sicherheitsauflagen vom Wettbewerb ausgeschlossen.
Dass diese Sandkastenüberlegungen durchaus eintreten können, bestätigt Rolf Schwab, CEO und Teilhaber der Schwab AG, Trennwände und Innenausbau, Bern. Schwab schildert den aktuellsten Fall gleich selber: «In der Tat mussten wir uns nach der Erteilung eines namhaften Auftrags – und nach dem gefeierten Erfolgsmoment – schnell um die finanziellen Konsequenzen kümmern.» Vom Berner Unternehmen wurde eine Erfüllungsgarantie in der Höhe von 10 % bei Werkvertragsabschluss verlangt. Als diese geleistet war, startete die Arbeitsvorbereitung und die ersten Materialbestellungen wurden ausgelöst. Mittels Zahlungsplan wurden Akontozahlungen im Werkver-trag definiert, die monatlich fällig wurden.
Die Ernüchterung folgte, als die erste Akontozahlung nach 60 Tagen nicht verbucht werden konnte. Dem Bauherrn fehlte eine Anzahlungsgarantie. Dies erfuhr der Unternehmer aber erst, als er sich telefonisch über die Gründe des Zahlungsrückstands erkundigte. Diese Anzahlungsgarantie wurde dem Unternehmen zusätzlich zur bereits geleisteten Erfüllungsgarantie über die gesamte Summe der Akontozahlung auferlegt. Als auch diese Garantieleistung erbracht war, erfolgte die erste Akontozahlung nach den vereinbarten 60 Tagen Zahlungsfrist. Seit Beginn der Arbeiten waren über vier Monate vergangen, in welchen das Unternehmen sämtliche Material- und Personalkosten vorfinanzieren musste. «Es kann doch nicht sein, dass ein KMU mit seiner Verantwortung für Arbeitsplätze nebst seiner Kernkompetenz auch noch Bank spielen muss», moniert Schwab. «Ausserdem ist es unverständlich, dass ein Bauherr für vertraglich definierte Akontozahlungen gemäss Zahlungsplan Fristen von 60 oder noch mehr Tagen benötigt.»
Es versteht sich von selbst, dass alle erwähnten Garantien auch Kosten verursachen. Diese Kosten sind nicht einheitlich geregelt und müssen mit den entsprechenden Finanzinstituten ausgehandelt werden. Auch hier hat der Unternehmer eher schlechte Karten. Er ist auf die Garantien angewiesen – und die Zeit für Verhandlungen fehlt meistens. Nebst den direkt anfallenden Kosten für die Garantien entstehen aber auch andere, potenziell existenzgefährdende Kosten. Die meisten KMU verfügen über eine Kreditlimite, welche eine stets ausreichende Liquidität sicherstellen soll. Sämtliche der Unternehmung auferlegten Garantien belasten diese Kreditlimite, was im schlimmsten Fall zur Zahlungsunfähigkeit führen kann. Martin Rindlisbacher, Vizedirektor und Kundenberater KMU Bern der UBS, appelliert an die Unternehmen, diesbezüglich möglichst früh mit dem Finanzinstitut in Kontakt zu treten. «Es ist richtig, dass bei Aufträgen die nötige Finanzierung im Tagesgeschäft vergessen geht. Einerseits liegt bei Arbeitsbeginn der bereinigte Werkvertrag teils noch nicht vor, andererseits wird die Anzahlungsgarantie wie im aufgezeigten Beispiel schlicht vergessen.»
«Die verschiedenen Garantien (siehe Box) belasten die Kreditlimite des Unternehmens», erklärt Martin Rindlisbacher. «Deshalb ist es bei Grossaufträgen wichtig, ein separates Limitenkleid zu gestalten. Dies hat den Vorteil, dass damit das Tagesgeschäft mit seinen Aufträgen finanziell abgesichert ist.» Rindlisbacher empfiehlt ausserdem allen Kunden, die Gewährleistungsgarantien nicht bei der Bank, sondern bei einem Versicherungsunternehmen abzusichern. Dadurch wird die Kreditlimite nicht belastet. Wirft man nun einen Blick über alle Arten von Garantien und deren vertraglich verpflichtenden Laufzeiten, so fragt man sich, ob der Begriff «gestiegenes Sicherheitsbedürfnis» nicht eher in «nackte Panik» umgetauft werden muss. Obwohl fällige Akontozahlungen auf klaren, messbaren Leistungen abgesichert sind, müssen sie zusätzlich von einem Finanzinstitut garantiert werden.
Noch kreativer wird das Garantiegeschäft von Bauabschluss bis Garantieende. Die Erfüllungsgarantie läuft in der Regel nicht bis zur Werksabnahme des Unternehmers, sondern bis zur Gebäudeübergabe an den Bauherrn. Gleichzeitig laufen Anzahlungsgarantien bis zum Zeitpunkt, wo die Schlussrechnung akzeptiert respektive bezahlt ist, notabene obwohl das Werk abgenommen ist und der Bauherr somit die Garantie live vor sich sieht. Zahlungsfristen für Schlussrechnungen betragen mindestens 90 Tage. Und weil das dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis immer noch nicht gerecht wird, beginnt die Gewährleistung mit der Bauabnahme und endet fünf Jahre nach der Gebäudeübergabe an den Bauherrn. Somit bestehen im Bereich Abnahme, Schlussrechnung und Gebäudeübergabe an den Bauherrn satte Dreifachgarantien, welche zwar alle irgendwie anders sind und doch das Gleiche tun. Bedenkt man dabei, dass immer nur eine Garantie im Schadenfall zahlungspflichtig sein wird, kommt sich der Unternehmer wohl zurecht nicht ganz korrekt behandelt vor.
Nehmen wir an, dass im beschriebenen Fall das Unternehmen die finanziellen Hürden erfolgreich gemeistert hat. Der für die Unternehmensverhältnisse grosse Auftrag läuft über die Zeitdauer von einem Jahr. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda und geschicktes Marketing schafft der erwähnte Grossauftrag zusätzliches Vertrauen von Investoren in das KMU. Dies bewirkt, dass in der zweiten Jahreshälfte gleich zwei weitere namhafte Submissionsanfragen ins Haus flattern. Dieser unternehmerische Erfolg ist noch zynischer als der Zuschlag des Grossauftrags. «Wir mussten uns ernsthaft Gedanken machen, ob wir uns aus finanzieller Sicht, und nicht aus Kapazitätsgründen, den Erfolg leisten können …», sinniert Rolf Schwab.
An diesem Punkt tritt ein Marktregulator in Kraft, welcher jeden Schweizer Politiker vom Ratssessel hochschnellen lassen müsste. Das Feld der potenziellen Mitbewerber wird infolge dieser Problematik nicht mehr über die Kompetenz definiert, sondern über die wirtschaftliche Potenz. Laut dem Bundesamt für Statistik sind über 80 % der Schweizer KMU Kleinbetriebe mit bis zu neun Angestellten. Selbstredend, dass ein Grossteil dieser Firmen durch die Finanzguillotine aus dem Kreis der Teilnehmer der Submission entfernt werden. Chancen wahren sich grosse Unternehmen, welche im schlechtesten Fall ihren Firmensitz im nahen Ausland haben. Da hilft das wiederkehrende Loblied auf die Schweizer KMU, welche vermeintlich das Rückgrat der inländischen Wirtschaft bilden, wenig. «Es ist an der Zeit, den Sicherheitswahn und dessen Auswirkungen auf unsere Unternehmen einzudämmen. Die Wirtschafts- und Branchenverbände des gesamten Baugewerbes sind gefordert, die Problematik zu diskutieren und praxisnahe Lösungsvorschläge zu präsentieren», fordert Rolf Schwab.
www.schwabag.chwww.sia.chwww.ubs.comwww.baumeister.chDie erste Garantie im Bauprozess ist die Bietungsgarantie, welche in der Schweiz praktisch nie zur Anwendung kommt. Ihr Ziel ist es, dem Bauherrn zu garantieren, dass der Submissionsteilnehmer auch in der Lage ist, den Auftrag abzuwickeln. Im internationalen Baugeschäft gehört diese Garantie bereits zum Standard.
Die Erfüllungsgarantie stellt sicher, dass bei Kapazitätsproblemen oder bei Nichterfüllen der Qualitätsanforderungen durch den Unternehmer der Bauherr gedeckt ist.
Bei der Anzahlungsgarantie wird dem Bauherrn garantiert, dass seine geleisteten Akontozahlungen bei Nichterfüllung des Werkvertrags durch den Unternehmer zu ihm zurückfliessen.
Bei der Gewährleistungsgarantie wird ein allfälliger Mangel über eine bestimmte Zeitdauer versichert.
Veröffentlichung: 20. Februar 2014 / Ausgabe 8/2014
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