Liebe zu Holz und Menschen vereint


Christian Risto (25) – hier mit seiner Tochter – ist gläubig und profitiert davon auch für seinen Job.
Christian Risto (25) – hier mit seiner Tochter – ist gläubig und profitiert davon auch für seinen Job.
Wenn Christian Risto zur Arbeit geht, kann er genau das tun, was ihm gefällt: Er arbeitet mit Holz und Menschen. In der Schreinerei des Zentrums Seeburg in Interlaken betreut er als Arbeitsagoge Menschen bei ihrer täglichen Arbeit. Sie konnten im normalen Arbeitsmarkt nicht Fuss fassen, etwa weil sie psychische Probleme haben oder lernschwach sind. Jeden Morgen besprechen der gelernte Schreiner und sein Vorgesetzter mit dem zehnköpfigen Team die Aufgaben, weil vielleicht auch einmal jemand fehlt oder sich nicht gut fühlt. Eine grosse Herausforderung ist es, allen Mitarbeitenden gerecht zu werden. Einige – wie Burnout- Patienten oder Jugendliche vor dem Eintritt in die Berufsausbildung – werden auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet. Andere wiederum sind dauerhaft an geschützten Arbeitsstellen. «Die unterschiedlichen Menschen sind es letztlich, die meinen Job so spannend machen», sagt der 25-Jährige. Die Arbeit sieht er als wichtiges Instrument, seinen Klienten Werte zu vermitteln und ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. Es sind unter anderem IV-Bezüger, die in den geschützten Arbeitsplätzen die Möglichkeit erhalten, einen geregelten Tagesablauf zu leben und sinnvolle Arbeit zu leisten. «Es erfüllt die Leute, produktiv zu sein. Ich kenne niemanden, dem es Genugtuung bringt, nur auf dem Sofa zu sitzen», meint Christian Risto. Dem Vorurteil, es handle sich bei der Arbeit in der sozialen Einrichtung um «Beschäftigungstherapie», tritt er entschieden entgegen. Immerhin erledigt die Schreinerei unter marktüblichen Bedingungen Kundenaufträge. Derzeit etwa werden gerade hölzerne Nähkästen für ein grosses Kaufhaus oder Maurerkellen für einen Grosshändler gefertigt. Zudem entsteht allerlei Kinderspielzeug oder Haushalts- und Dekorationsartikel, die in einer anderen Abteilung des Arbeitszentrums bunt bemalt werden.
Christian Risto folgte als 19-Jähriger seinen Eltern von Deutschland in die Schweiz. Ein Jahr später heiratete er seine langjährige Freundin und mit nur gerade 21 Jahren wurde er zum ersten Mal Vater. Mit seiner Familie – soeben wurde sein zweites Kind geboren – wohnt er nun in Thun. Beruflich habe er auch den richtigen Weg gefunden, meint er. Nach einem Abstecher in die Dachdeckerei merkte er, wie ihm «der Holzgeruch in der Nase» fehlte. Und auch die Arbeit mit Menschen war schon immer etwas, das ihn reizte. Deshalb lässt er sich jetzt berufsbegleitend zum eidgenössisch diplomierten Arbeitsagogen ausbilden. «In einer normalen Schreinerei steht immer der Auftrag im Vordergrund. Hier habe ich die Auf- gabe, mich zusätzlich um Menschen zu kümmern und sie aufzubauen», erklärt er.
Die Kraft und den Antrieb für die zuweilen anstrengende Arbeit schöpft Christian Risto aus seinem Glauben. Religiös aufgewachsen, ist der Glaube immer noch sehr präsent in seinem Leben. Seiner Gemeinde ist der junge Familienvater stark verbunden. Wie andere zum Frühstückskaffee die Zeitung durchblättern, liest er jeden Morgen in der Bibel. Seinen Klienten gegenüber tritt er jedoch nie moralisierend auf. «Im Gegenteil: Mein Glaube hilft mir, neutral zu bleiben und an das Gute im Menschen zu glauben. Ich fühle mich von Gott geliebt, und so behandle ich auch die Leute. Es hilft mir aber im Arbeitsalltag auch, dass ich ein sehr geduldiger Mensch bin», sagt er lächelnd. Den Ausgleich zu Job und Ausbildung findet der Arbeitsagoge am Wochenende mit seiner Familie, beim Handballspielen, Mountainbiken oder in der Musik – regelmässig begleitet er als Bassist in einer Band Jugendgottesdienste seiner Freikirche.
«Es erfüllt die Leute, produktiv zu sein. Ich kenne niemanden, dem es Genugtuung bringt, nur auf dem Sofa zu sitzen.»
Veröffentlichung: 16. August 2012 / Ausgabe 33/2012
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