Lernen an schnellen Brettern
Das Markenzeichen eines Stöckli-Skis: das Schweizer Wappen in der Spitze. Bild: Nicole D'Orazio
Das Markenzeichen eines Stöckli-Skis: das Schweizer Wappen in der Spitze. Bild: Nicole D'Orazio
Skibauer. Bei der Stöckli Manufaktur im luzernischen Malters lernen derzeit vier junge Männer, wie man Skier herstellt. Die Berufsschule besuchen sie mit den Schreinern, was für sie nicht immer einfach ist.
Sie fahren nicht alle Ski, sondern stehen zum Teil lieber auf dem Snowboard. Doch sie wissen alle, wie man die schnellen Bretter zusammensetzt. Bei der Stöckli Ski-Manufaktur im luzernischen Malters sind mit Micha Bär, Silvan Zurkirchen, Stijn van Gool und Silvan Raemy derzeit vier lernende Skibauer angestellt – die einzigen in der Schweiz. «Meine erste Frage war, ob man als Angestellter Ski fahren muss oder auch boarden darf», sagt Patrick Dambach und lacht. Er hat letzten Sommer die Lehre als Skibauer abgeschlossen und fungiert nun sozusagen als Ziehvater der Lernenden. «Einerseits weil ich mit 41 Jahren deutlich älter bin, andererseits weil ich bezüglich der Lehre ein Versuchskaninchen war.»
Die Ausbildung zum Skibauer wurde umstrukturiert und Dambach war der erste Absolvent. Im Gegensatz zu früher werden die Skibauer vertieft auch als Schreiner ausgebildet. Denn Skibau ist eine Fachrichtung des Schreinerberufs. «Wir dürfen mehrere Wochen ins Praktikum bei der Schreinerei Bucher hier in Malters», sagt Stijn van Gool, der sich im zweiten Lehrjahr befindet. «So lernen wir auch den Umgang mit den Maschinen, die wir hier in der Fabrik nicht haben.» Auch würden sie in einem Praktikum mal ein Möbel herstellen und nicht nur die Theorie dazu lernen, ergänzt Drittlehrjahrsstift Silvan Zurkirchen.
Bei den Abschlussprüfungen wird aber darauf Rücksicht genommen, dass die Skibauer die Aufgaben nicht im gleichen Umfang absolvieren müssen wie die Schreiner. «Bei unseren Tests werden Fragen ersetzt und auf den Skibau bezogen», sagt Patrick Dambach. «Ich musste einige Male bei den Lehrern und Experten intervenieren, weil sie zu viel voraussetzten. Aber sie haben immer gut reagiert und sind auf meine Hinweise eingegangen.» Schliesslich hat er seinen Abschluss erfolgreich gemeistert und ist weiterhin bei Stöckli tätig.
Vom zweiten bis vierten Lehrjahr haben die Skibauer neben dem regulären Unterricht einmal im Monat Lektionen bei ihrem Lehrlingsbetreuer. Dort lernen sie alles rund um das Thema Wintersport.
Eine Neuerung in ihrer Ausbildung ist, dass die Skibauer nach dem dritten Jahr eine praktische Zwischenprüfung ablegen und damit den Teilbereich Schreiner abschliessen. Im letzten Jahr konzentrieren sie sich nur noch auf ihr Kerngeschäft.
Die Gründe, warum sich die jungen Männer für eine Lehre als Skibauer und nicht als Schreiner entschieden haben, sind unterschiedlich. «An der Zebi-Berufsmesse in Luzern habe ich am Stand von Stöckli vorbeigeschaut», erzählt der 18-jährige Stijn van Gool. «Meine Lehrerin hatte mich darauf aufmerksam gemacht, da ich gerne Ski fahre». Er habe in der Manufaktur geschnuppert und es habe ihm gefallen. «Mir wurde erst dann bewusst, dass die Skibauer mit den Schreinern zur Schule gehen.»
Silvan Raemy, im dritten Lehrjahr, hatte zuerst eine Ausbildung zum Multimediaelektroniker angefangen. «Nach einem Jahr habe ich aber abgebrochen, weil es mir nicht gefiel. An der Zebi wurde ich dann auf die Lehre bei Stöckli aufmerksam.»
Silvan Zurkirchen fuhr früher Skirennen und zwar auf Stöckli-Skiern. «Da ich als Kunde oft in der gleichen Filiale war, durfte ich jeweils mit in die Werkstatt, wenn es um die Bindungen ging, und durfte beim Anpassen zuschauen. Das fand ich spannend. So kam ich mit den Mitarbeitern ins Gespräch und fragte, ob es eine entsprechende Ausbildung gibt.» Zuerst wollte er Schreiner werden, doch Skibauer würde besser zu ihm passen, sagt er. Der 18-Jährige befindet sich im dritten Ausbildungsjahr.
Micha Bär (22) ist im zweiten Lehrjahr. Er hatte zuerst eine Ausbildung als Elektroniker angefangen. «Ich hatte daran aber zu wenig Interesse, hängte mich zu wenig rein», sagt er. Privat habe er dann ein Snowboard gebaut und gemerkt, dass ihm das viel mehr Spass macht. «Da man Snowboard-Bauer in der Schweiz nicht lernen kann, bin ich hier gelandet. Es hat sich gelohnt, zu wechseln.»
Die Lernenden verfolgen den Ski-Weltcup, die einen intensiver, die anderen weniger. «Gewinnt ein Stöckli-Fahrer oder eine -Fahrerin oder fährt einer aufs Podest, feiern wir das mit einem Apéro», sagt Silvan Zurkirchen. Derzeit sind die Slowenin Ilka Stuhec, die Deutsche Viktoria Rebensburg und der Schweizer Marc Odermatt die Aushängeschilder der Marke. «Vorreiterin war natürlich Tina Maze aus Slowenien mit ihren vielen Erfolgen», meint Patrick Dambach. «Das war toll, und wir dürfen uns immer als Teil des Erfolgs sehen. Denn ich weiss: Ich hatte den Siegerski in der Hand.»
Im Skicross dominiere Stöckli die Szene, erzählen die vier. 18 Athleten fahren derzeit mit dem Luzerner Ski. «Dort können wir allerdings nicht jeden Erfolg begiessen, das wäre zu oft», sagt Stijn van Gool.
Die Athleten treffen die Lernenden ab und zu auch persönlich. «Sie sind jeweils zu Sponsoring-Terminen hier im Haus, und wir können sie dann bei einem gemeinsamen Essen etwas kennenlernen und Selfies mit ihnen machen», erzählen sie. «Das ist toll. Die Skirennfahrer sind total nahbar und überhaupt nicht abgehoben», erzählt Silvan Raemy.
Der Weltcup fasziniert nicht nur die Fans, sondern auch einige Lernende. «Es wäre mein Traum, wenn ich später als Servicemann für eine Fahrerin oder einen Fahrer arbeiten könnte», meint Silvan Zurkirchen. «Der Rennzirkus ist etwas Besonderes. Ich könnte mir aber auch eine Stelle im Nachwuchsbereich vorstellen, als Testfahrer oder Angestellter von Swiss Ski oder bei einer Skimarke.»
Die Perspektiven für die Skibauer scheinen auf den ersten Blick nicht ganz so rosig zu sein wie für Schreiner, da es neben Stöckli nur kleine Manufakturen gibt. Doch das sehen die jungen Männer nicht so.
Stijn van Gool möchte die Berufsmatura machen und könnte sich danach ein Studium vorstellen. «Stöckli fördert Weiterbildung, das ist toll», findet er. Sie könnten später natürlich immer noch als Schreiner arbeiten, sollten sie von den Skiern genug haben, sagt Micha Bär. «Das ist nicht unmöglich. Die Routine im Umgang mit den anderen Maschinen kommt mit der Zeit.»
«Stöckli versucht die meisten Lehrabgänger zu behalten», sagt Patrick Dambach. Die meisten Angestellten in der Fabrik seien Anlagenführer und Quereinsteiger. Die Aus- zubildenden lernen hingegen von A bis Z, wie ein Ski hergestellt wird. Dambach selber konnte nach dem Abschluss bleiben und betreut nun drei Maschinen. «Natürlich gibt es für uns auch Perspektiven, die aber nicht mit dem Schreinerberuf zusammenhängen.» Er denkt dabei an die Entwicklung oder den Job als Ausbildner.
Ein Ski ist wie ein Sandwich aufgebaut. Der Skikern ist das Fleisch, das Fiberglas die Würze. Die Titanal-Laminate geben dem Ski die Festigkeit und könnten das Brot darstellen. Die Anzahl Schichten variieren je nach Skimodell. Für einen Rennski sind zum Beispiel bis zu 30 Einzelteile nötig, für einen Serienski in der Regel 25. Grundsätzlich gilt: Je mehr Teile oder je nachdem, wie das Kernprofil aussieht, desto härter ist der Ski. Ein Rennski ist dicker und somit härter als ein normaler. Auch sind dessen Kanten schmaler als bei einem Serienski, weil sie sonst den Fahrer bremsen.
Die verschiedenen Schichten werden mit einem flüssigen Aralditleim überzogen und danach mit einem Weichmachpulver, durch das die Leimfugen elastisch bleiben, versehen. Je nach Schicht und Material benötigt es eine unterschiedliche Leimauftragsmenge. Auf Holzkerne werden 8 Gramm aufgetragen, auf Kunststoff hingegen 12. Nach der Trocknungszeit von drei Tagen werden die Schichten aufeinandergelegt und bei 134 bis 145 Grad Celsius unter hohem Druck gepresst. Danach folgen 14 weitere Schleifprozesse, mindestens ein Drittel wird von Hand gemacht. Insgesamt benötigt ein Ski 140 Arbeitsschritte.
Esche sei das typische Skibauholz, erklärt Patrick Dambach, doch Pappel und Buche werden mittlerweile häufiger verarbeitet. «Stöckli bezieht das Holz hauptsächlich aus der Schweiz und Slowenien.» Für Touren- und Freeride-Ski ist der Hersteller auf ein leichtes Tropenholz wie Balsa angewiesen. Balsa verfügt über eine niedrige Dichte von 40 bis 340 Kilogramm pro Kubikmeter und viele Luftlöcher.
Bei Stöckli sind rund 80 Mitarbeiter beschäftigt. Pro Woche werden 1440 Paar Ski hergestellt. Die Lernenden rotieren monatsweise in den Abteilungen. «Wir werden an allen Stationen eingesetzt, damit wir alle Schritte lernen», erklärt Silvan Zurkirchen.
Veröffentlichung: 06. Februar 2020 / Ausgabe 6/2020
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