Lackieren unter Spannung

In der Metall- und Kunststoffverarbeitung setzt man schon länger auf das elektrostatische Nasslackier-verfahren. Bild: Wagner International AG

Lackiertechnik.  Mithilfe elektrischer Spannung kann das Nasslackieren wesentlich verbessert werden. Im Holzbereich könnte diese Technik für Betriebe interessant sein, die grosse Mengen Lack verarbeiten und schwierige Teile beschichten.

Der Overspray sorgt beim Lackieren für verschiedene unerwünschte Nebeneffekte und verursacht Kosten. Bei schmalen Teilen oder schwierigen Geometrien fällt dieser Umstand besonders stark ins Gewicht.

In der Industrie lackiert man deshalb schon länger elektrostatisch. Diese Technik kann auch beim Beschichten von Holz und Holzwerkstoffen eingesetzt werden.

Den Lack anziehen

Beim elektrostatischen Nasslackieren werden die aufgeladenen Lacktröpfchen unter dem Einfluss elektrischer Transport- und Anziehungskräfte auf dem Werkstück abgeschieden. Man unterscheidet zwei Arten des elektrostatischen Nasslackierens:

Bei den rein elektrostatischen Sprühverfahren erfolgt die Lackzerstäubung allein durch die Einwirkung hoher elektrischer Feldkräfte auf das Lackmaterial, das dazu als dünner Film über eine an Hochspannung liegende scharfe Sprühkante geführt wird. Technisch realisiert wird dieses Zerstäubungsprinzip mittels feststehenden Sprühspalts sowie in Form einer rotierenden scharfkantigen Glocke oder Scheibe. Die Rotation dient dabei vor allem zur gleichmässigen Verteilung des Lackmaterials an der Absprühkante.

Der Lacktröpfchentransport zum geerdeten Werkstück erfolgt ebenfalls ausschliesslich durch elektrische Kräfte. Vorteile der rein elektrostatischen Sprühverfahren sind der sehr hohe Auftragswirkungsgrad von über 90 Prozent und die geringen Betriebskosten, weil keine Druckluft benötigt wird. Einschränkende Merkmale sind die geringe Flexibilität bezüglich Lackausflussmenge sowie die starke Abhängigkeit der Beschichtung vom elektrischen Feld und von den Lackeigenschaften. Die erzielbare Zerstäubungsfeinheit ist nur mässig. Geeignete Werkstücke sind einfache, flächige oder rotationssymmetrische Teile, bei den Sprühglocken und -scheiben auch Rohrkonstruktionen und Kleinteile.

Elektrostatisch unterstützt

Bei den elektrostatikunterstützten mechanischen Zerstäubungsverfahren wird das Lackmaterial rein mechanisch mit Druck zerstäubt. Das elektrische Feld dient hier lediglich zur Aufladung des Lackmaterials und für den Transport der Lacktröpfchen zum Werkstück. Nach diesem Prinzip arbeiten Hochgeschwindigkeitsglocken und -scheiben sowie auch die elektrostatischen Druckluft- und Airless-Spritzpistolen, wobei hier der Zerstäubungsmechanismus genau gleich ist wie bei den konventionellen Spritzpistolen.

Mit den elektrostatikunterstützten mechanischen Zerstäubungsverfahren sind nahezu alle Lackmaterialien einschliesslich der Wasserlacke verarbeitbar. Die Lackausflussmengen sowie die Sprühstrahlform sind flexibel und können an unterschiedliche Bedingungen sowie Werkstückgeometrien angepasst werden. Die Zerstäubungsqualität ist im Allgemeinen besser als bei den rein elektrostatischen Sprühsystemen. Allerdings hat der Bedarf an Druckluft einen höheren Energieverbrauch zur Folge und der Auftragswirkungsgrad fällt teilweise geringer aus. Elektrostatische Druckluft- und Airless-Spritzpistolen eignen sich somit besonders für komplizierte Teile mit Vertiefungen.

Den Lackwiderstand im Griff

Die elektrostatisch unterstützte Lackiertechnik kommt vor allem in der Metall- und Kunststoffverarbeitung zum Einsatz. Verschiedene Hersteller bieten aber solche Systeme auch explizit für das Beschichten von Holz an. Denn theoretisch kann so jedes elektrisch leitfähige Material beschichtet werden.

Die Technik lässt sich somit bis zu einem gewissen Grad mit dem Pulverbeschichten vergleichen. Dort wird allerdings noch ein Ofen benötigt, der das Pulver auf über 100 °C erhitzt und einbrennt. Daraus resultieren wesentlich höhere Ansprüche an das Trägermaterial bezüglich Hitzebeständigkeit. Diese Problematik besteht beim elektrostatischen Nasslackieren nicht.

Dafür muss man bei diesem Verfahren die Parameter im Griff haben. Nebst den üblichen wie Druckluft, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Viskosität spielt hier besonders der Lackwiderstand eine Rolle. Dieser Wert wird in Ohm (Ω) angegeben und vermittelt, wie gut oder schlecht der Lack leitet.

Auf Lösemittel basierende Lacke haben in der Regel einen relativ geringen Widerstand, Wasserlacke einen hohen. Deshalb bietet zum Beispiel der Lackiertechnik-Hersteller Wagner International AG verschiedene Elektrostatikpistolen an: für normale Lösemittellacke, Lösemittellacke mit geringem Widerstand wie zum Beispiel Metallic-Lacke und für Wasserlacke. Es gibt aber auch Pistolen, die mit Lösemittel- und Wasserlacken funktionieren, beispielsweise von der Sames Kremlin GmbH.

Aber auch das zu beschichtende Material muss entsprechend konditioniert sein und sollte einen gleichmässigen Feuchtegehalt, sprich eine gleichmässige Leitfähigkeit, aufweisen. Nur so lässt sich eine gleichbleibende Qualität der Oberfläche sicherstellen.

Schutzbehälter für Wasserlack nötig

Nebst einer speziellen Elektrostatik-Lackierpistole wird ein Steuergerät benötigt. Dieses regelt die Stromstärke und -spannung. Je nach Gerät kann man auf diesem auch verschiedene Rezepturen abspeichern. Sie lassen sich dann einfach und schnell über die Bedieneinheit an der Pistole abrufen.

Für die Lackförderung kommen gewöhnliche Airless- oder Airkombi-Geräte zum Einsatz. Will man aber Wasserlack elektrostatisch verarbeiten, braucht es zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen. Denn wegen des hohen Widerstandes muss auch mit grösseren Stromstärken gearbeitet werden. Deshalb müssen sich der Lackbehälter und die Förderpumpe in einem speziellen isolierten und geerdeten Behälter befinden. So ist sichergestellt, dass es durch den Strom zu keinen Anlagen- oder Personenschäden kommt. Öffnet man den Behälter, wird die Stromzufuhr automatisch unterbrochen.

Sparpotenzial auf allen Ebenen

Im Vergleich zu gewöhnlichen Lackierverfahren ist das elektrostatische Lackieren technisch aufwendiger, komplexer und somit teurer in der Anschaffung. Zumal auch Lackierraumeinrichtungen wie Böcke oder Hängebahnen entsprechend konzipiert und geerdet sein müssen.

Doch bereits 2003 hielt das Institut für industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb der Universität Stuttgart im Abschlussbericht eines gross angelegten Projekts fest, dass sich die Investition in ein solches System innert weniger Jahre rechnet. Selbstverständlich handelt es sich dabei um grosse Betriebe, die mehrere Tonnen Lack pro Jahr verarbeiten.

Die grössten Einsparungen bringen solche Systeme beim Lackieren schmaler Teile wie Fensterrahmen und -flügel, weil dort der Overspray relativ gross ist. Dort spricht man von einer Reduzierung des Lackverbrauchs von 20 bis 50 Prozent. Beim Einsatz von Lösemittellack ergibt sich dadurch auch eine Einsparung bei der VOC-Abgabe. Allgemein entsteht durch den besseren Auftragswirkungsgrad weniger Lackabfall, welcher bei der Entsorgung Kosten verursacht. Hinzu kommt, dass die ganze Lackieranlage weniger belastet wird. Daraus resultiert insgesamt ein geringerer Reinigungs- und Wartungsaufwand.

Nicht zuletzt reduziert sich die Lackierzeit, weil mit weniger Lackauftragsdurchgängen auch an heiklen Stellen die gewünschte Schichtdicke erreicht werden kann.

Für Betriebe mit einem hohen Lackverbrauch und schwierig zu beschichtenden Teilen, wie sie im Fenster- und Möbelbau vorkommen, kann das elektrostatische Lackieren durchaus eine prüfenswerte Alternative sein.

www.wagner-group.comwww.sames-kremlin.comwww.uni-stuttgart.de

ph

Veröffentlichung: 25. Oktober 2018 / Ausgabe 43/2018

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