Kosmetische Oberflächenbehandlung

Die Kunst bei der Baukosmetik ist die perfekte Nachbildung von Oberflächen. Bild: Baukosmetik.ch

Reparatur.  Beschädigungen und Kratzer sind schnell entstanden und ruinieren nicht selten eine ansonsten makellose Oberfläche. Bei fest verbauten Bauteilen ist ein Ersatz oftmals teuer, aufwendig oder schlicht nicht möglich. Eine Alternative kann ein baukosmetischer Eingriff sein.

Entsprechend der Geschlechterstereotypen ist unschwer zu erraten, ob generell die Männer oder die Frauen mehr Bezug zum Themenfeld «Kosmetik» haben. Doch gibt es wohl auch wenige Handwerkerinnen, die ihre tägliche Arbeitsumgebung damit in Verbindung bringen. So ist der Begriff «Baukosmetik» zunächst vielleicht etwas schwer zu greifen. Löst man sich aber etwas von dem Bezug zum menschlichen Körper oder dem Gesicht, macht der Begriff durchaus Sinn, denn das Wort «Kosmetik» hat seinen Ursprung in der griechischen Sprache und bedeutet lediglich so viel wie «die Kunst des Schmückens». Und von einer Kunst kann man bei der Baukosmetik getrost sprechen. Nur besteht die Leinwand nicht aus Stoff oder Papier, sondern aus Holz, Stein, Metall oder aus jedem anderen Material, das auf der Baustelle oder im Haus zu finden ist. Alternativ werden auch Begriffe wie Kunstmalerei, Oberflächenkosmetik oder ästhetische Oberflächenbehandlung verwendet.

Perfekte Illusion

«Die Kunst der Baukosmetik besteht darin, die Farben so zu treffen, dass die Illusion einer makellosen Oberfläche entsteht», sagt Evelyn Turjancik von Baukosmetik.ch in Adligenswil LU. Mit ihrem Team aus fünf Leuten repariert und retuschiert Turjancik in der ganzen Schweiz Beschädigungen und Fehlerstellen an Möbeln, Bauteilen und Infrastruktur, die ansonsten ausgetauscht werden müssten. Dabei stellt die Reparatur optisch keinesfalls einen Kompromiss zu einem neuen Bauteil dar, denn die retuschierten Stellen sind selbst aus kurzer Distanz kaum oder sogar überhaupt nicht mehr zu sehen. Für ein perfektes Resultat sei viel Fingerspitzengefühl und eine gute Feinmotorik unabdingbar, weiss Turjancik. Denn bei vielen Materialien braucht es sehr feine Linien oder Punkte, um das Oberflächenbild exakt zu kopieren.

Grüner Daumen für die Farben

Die wichtigste Voraussetzung sei aber ein gutes Auge für die Farben und ein Gefühl für das Farbenmischen. «Natürlich kann man lernen, dass Blau und Gelb Grün ergibt», sagt Turjancik. «Aber wenn es dann um feinste Farbnuancen geht, ist einfach ein gewisses Mass an Talent erforderlich, was nicht erlernbar ist.» Darüber hinaus braucht es Hintergrundwissen über die Eigenschaften und die Verarbeitung der verschiedensten Materialien und Beschichtungen, was sich die gelernte Kauffrau in Kursen und per Learning by Doing erarbeitet hat. Zudem konnte sie vom Know-how ihres Mannes profitieren, der gelernter Parkettleger ist und viele Jahre Erfahrung im Bereich der Zementböden gesammelt hat. Die Affinität zur Malerei und zu den Farben habe sie jedoch schon immer begleitet, wie Turjancik sagt.

Bohrlöcher wegzaubern

Auf diese Affinität achtet man auch bei der Glassresq AG in Adliswil ZH. «Unsere Mitarbeitenden in der Abteilung Smartresq haben alle einen beruflichen Hintergrund als Industrie- oder Karosserielackierer, Maler oder Karosseriespengler», sagt Geschäftsleiter Dominic Duer. Wie der Name schon vermuten lässt, hat sich die Glassresq AG auf die Reparatur von zerkratzten Glasoberflächen spezialisiert. Mit der Abteilung Smartresq werden bis auf Leder und Textil aber auch alle anderen Materialien abgedeckt, die am Bau zu finden sind. «Unser Steckenpferd sind pulverbeschichtete oder eloxierte Metalloberflächen, zu einem Grossteil an Fassaden oder Türen», sagt Duer.

Aber auch im Bodenbereich gibt es immer wieder Einsätze für das Team von Smartresq, wie etwa in Zusammenarbeit mit Versicherungen nach einem Wasserschaden. Um den Unterlagsboden trocknen zu können, bohrt der Bautrockner Löcher für die Trocknungsschläuche in die Fliesen.

«Vielleicht sind sogar noch zwei oder drei Ersatzfliesen vorhanden, aber in den seltensten Fällen zehn Stück oder noch mehr», sagt Duer. «Der Ersatz des ganzen Bodens wird durch die Versicherungssumme zum aktuellen Zeitwert des Objektes oftmals nicht gedeckt.» Mit verhältnismässig wenig Aufwand sowie Staub- oder Lärmentwicklung können die Löcher aufgefüllt und retuschiert werden. Selbst wenn zunächst einige Kunden skeptisch seien, könne ein Muster in der Regel die nötige Überzeugungsarbeit leisten. Auch bei Bauleitern und Architekten sei die Skepsis gegenüber der Thematik vor ein paar Jahren noch gross gewesen. «Inzwischen reichen oftmals schon unsere Referenzen als Überzeugung, und viele Aufträge haben wir ohnehin durch Empfehlungen», sagt Duer.

Mit Farbnebel gegen Flecken

Bei Baukosmetik.ch werden nebst der Reparatur von einzelnen Fehlerstellen auch vermehrt Lösungen für ganze Böden angefragt. Bei einem aktuellen Beispiel weist der gegossene Zementboden auch nach wiederholtem Abschleifen und Versiegeln durch den Hersteller dunkle Flecken sowie einen falschen Farbton auf, was der Kunde nicht akzeptiert. «Hier soll der Charakter des Zementbodens natürlich sichtbar bleiben», sagt Evelyn Turjancik. «Deshalb kann man den Boden nicht einfach übermalen, da dieser sonst aussehen würde wie ein Kellerboden.» Aus diesem Grund werden die Flecken zunächst an den Sollfarbton angeglichen, um dann die ganze Fläche mit einer hellen Farbe einzunebeln. Rund 120 m² Boden werden auf diese Weise an die Wünsche des Kunden angepasst.

Die Mischung macht die Farbe

Der Zeitaufwand zum Mischen der Farben ist der am schwierigsten einzuschätzende Faktor bei Turjanciks Arbeit. Je nach Untergrund braucht es schliesslich auch nicht nur eine Farbe, sondern gleich mehrere. Beispielsweise bei einem Terrazzobodenbelag, der aus einzelnen und oftmals verschiedenfarbigen Steinchen besteht.

«An einem guten Tag habe ich den richtigen Farbton in zwei Minuten gefunden», sagt Turjancik. Manchmal dauere es aber auch eine halbe Stunde, bis die Farbe exakt passt. Mit den richtigen Techniken kann beim Retuschieren dann aber viel Zeit gespart werden. Für grössere Flächen fertigt Turjancik etwa Stempel aus einem Schwamm, mit denen, je nach eingesetztem Druck und Winkel, verschiedene Formen erreicht werden. Innerhalb der Fehlerstelle oder der zu ergänzenden Fläche werde jedoch kein neues Oberflächenbild erfunden. «Die Formen und Abstände der einzelnen Steinchen kopieren wir anhand einer anderen Stelle im Boden», sagt Turjancik. Ansonsten würde die Stelle zu regelmässig und zu perfekt herauskommen. Bei manchen Untergründen mache sie sich auch das Zufallsprinzip zunutze. So entstehen zum Beispiel mit einer Zahnbürste und einem Sieb in kürzester Zeit ein natürliches Oberflächenbild aus einzelnen Sprenkeln.

Haarrisse und Holz

Wie wichtig solche Kniffe und Tricks sind, weiss man auch bei der Glassresq AG. Deswegen trifft sich das ganze Team der Smartresq-Abteilung jedes Jahr zu einem zweiwöchigen Workshop, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. «Unsere Mitarbeiter haben alle ihre Lieblingsmaterialien oder -oberflächen. Aber es sollte trotzdem jeder alles machen können. Deswegen ist ein regelmässiger Austausch wichtig», sagt Dominic Duer.

Ein «Geht nicht» gibt es nur in seltenen Fällen. Besonders herausfordernd seien jeweils sehr feine Haarrisse, beispielsweise bei einer Badewanne oder einem Waschbecken. Diese Risse seien schlichtweg zu fein, um Füllmaterial oder Farbe aufnehmen zu können. In diesem Fall müsse der Riss zuerst vergrössert werden, oder man empfehle gleich, die Reparatur sein zu lassen, wie Duer sagt. Auch Holz und Holzimitate stellen mit ihrer Struktur und dem Oberflächenbild oft keine einfache Aufgabe dar, was die Schreiner natürlich aus eigener Erfahrung wissen. Aber selbst ein Kratzer quer zur Holzrichtung kann perfekt retuschiert werden, wie der Experte sagt.

Mit Hartwachs oder Polyesterspachtel

Wer nun aber denkt, dass die Profis mit Werkzeug oder Material arbeiten, die der Schreiner nicht kennt, liegt falsch. «Wir arbeiten bei Holz auch mit den Service-Koffern, wie sie zum Beispiel König oder Novoryt im Sortiment haben. Das sind schon gute Produkte», sagt Turjancik. Bei der Novoryt AG in Rickenbach BL habe sie etwa einen Kurs zur Instandsetzung von Oberflächen besucht. Auch die Tonet AG mit Sitz in Dulliken SO bietet interessierten Personen Seminare zur Ausbesserung und Instandhaltung von Objekten und Oberflächen. Bei kleinen Rissen oder Löchern in Holz arbeitet die Expertin mit Hartwachs. Bei grösseren Beschädigungen oder bei Fehlerstellen an einer Kante verwendet Turjancik hingegen Polyesterspachtel. Dieser lasse sich auch etwas einfacher strukturieren. Anschliessend erfolgt das Finish mit den Farben. Hier kommen Produkte aus dem Malerbereich zum Einsatz. «Ich arbeite vorwiegend mit Abtönpasten von Pintasol und einem Einkomponentensiegel, um die Grundfarben zu mischen», sagt Turjancik.

Der Siegellack sei sowohl für den Innen- als auch Aussenbereich geeignet. Bei stehendem Wasser empfiehlt sich allerdings ein 2-K-Produkt.

Sofort begehbar und dauerhaft

Die retuschierten Stellen werden mit einem Föhn getrocknet und sind danach gleich begehbar. Während der 24 Stunden Durchtrocknungszeit, die der Hersteller angibt, sollte jedoch nicht feucht gewischt werden. Danach widersteht der Siegellack auch den Beanspruchungen, denen ein Boden ausgesetzt ist. Durch die mechanische Beanspruchung, etwa durch Dreck und Steine an den Schuhen, kann dieser über die Zeit aber auch abgetragen werden. So kann in hochfrequentierten Bereichen nach einigen Jahren das Auffrischen der Retuschen notwendig sein.

«Wird ein Holzboden abgeschliffen, ist natürlich auch die Farbe weg, und die Stelle benötigt ein neues Finish», sagt Duer. Gut möglich, dass der Kratzer bis dahin schon in Vergessenheit geraten ist. Denn zu sehen war er über die Jahre nicht.

baukosmetik.chsmartresq.ch

Sven Bürki

Veröffentlichung: 23. Januar 2025 / Ausgabe 4/2025

Artikel zum Thema

23. Januar 2025

Profile für funktionale Übergänge

Bodenprofile.  Übergänge zu anderen Bodenbelägen oder unter Parkettfeldern selbst stellen hohe Anforderungen an die Optik und technische Umsetzung. Um Schäden zu vermeiden, muss von der Planung über die Vorbereitung bis hin zur Montage einiges beachtet werden.

mehr
12. September 2024

Alte Strukturen in neuer Frische

Auffrischen.  Strukturierte Böden sind nun schon seit vielen Jahren sehr beliebt. Allerdings erfordert die Pflege und besonders die Renovation dieser Oberflächen Erfahrung und Know-how. Wie die Strukturen wieder neuen Glanz bekommen können, zeigt dieser Artikel.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Bodenbeläge