Kochen ohne Barrieren
Im Idealfall verfügt die barrierefreie Küche über eine höhenverstellbare Arbeitsfläche, absenkbare Oberschränke und horizontal verschiebbare Unterschränke. Bild: Lüthypartner AG
Im Idealfall verfügt die barrierefreie Küche über eine höhenverstellbare Arbeitsfläche, absenkbare Oberschränke und horizontal verschiebbare Unterschränke. Bild: Lüthypartner AG
Hindernisfreie Küche. Es sind nicht die ganz grossen Innovationen und Massnahmen, die den Unterschied zwischen einer herkömmlichen und einer barrierefreien Küche machen. Oft sind es die Detaillösungen, die gehbehinderten Menschen ihren Alltag erleichtern.
Um eines gleich vorwegzunehmen: Die eine barrierefreie Küche gibt es nicht. Genauso wenig, wie es den einen typischen Rollstuhlfahrer gibt. Konstruktive Anpassungen müssen deshalb auf die Art der Behinderung und die individuellen Bedürfnisse des späteren Benutzers abgestimmt werden. Dies ist nur nach einer gründlichen Vorabklärung möglich. «Personen, welche durch einen Unfall oder eine Krankheit auf den Rollstuhl angewiesen sind, wissen am Anfang oft noch nicht, welche Massnahmen nötig sind», sagt Marcel Strasser, Architekt bei der Schweizer Paraplegiker-Stiftung. Da sei es sinnvoll, zusätzlich den Rat des jeweiligen Ergotherapeuten einzuholen. Im Falle einer Krankheit gelte es auch, deren weiteren Verlauf in die Planung miteinzubeziehen, ergänzt Marco Stampfli, der sich als Küchenplaner und Mitinhaber der Lüthypartner AG in Solothurn intensiv mit dem Thema der Barrierefreiheit auseinandergesetzt hat.
Der Aktionsradius ist ein zentrales Thema bei der Planung einer barrierefreien Küche. Dieser wird einerseits durch eine ausreichende Manövrierfläche für den Rollstuhl, andererseits durch eine sinnvolle Anordnung der Küchenelemente beeinflusst. Um ein hindernisfreies Rangieren zu ermöglichen, sollte die Bewegungsfläche rund 1,7 mal 1,4 Meter betragen. In Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit eignet sich die U-Küche oder auch die Winkelküche. Denn diese Küchenformen erlauben eine Anordnung von Herd, Arbeitsplatte und Spüle über Eck, was einen Arbeitsfluss ohne unnötiges Manövrieren des Rollstuhls ermöglicht. Da das Transportieren von gefüllten Töpfen und heissen Pfannen schwierig und oft auch gefährlich ist, muss die Küchenabdeckung hitzebeständig und kratzfest sein, denn so können die Pfannen direkt vom Kochfeld zum Ausguss geschoben werden. Wählt man eine Küche mit einer Insel, sollte man unbedingt darauf achten, dass sich Herd und Spüle respektive Ausguss in der gleichen Kombination befinden und nicht zu weit auseinanderliegen.
Ein besonderes Augenmerk verlangt die Planung der Arbeitsfläche. Diese sollte unterfahrbar und im besten Fall höhenverstellbar sein. Ist sie fest montiert, so verlangt dies vom Schreiner eine genaue Anpassung an die Körpergrösse des Kunden resp. die Sitzhöhe im Rollstuhl.
«Der unterfahrbare Bereich sollte nicht zu gross geplant werden und nach Möglichkeit zusammenhängend sein», sagt Marcel Strasser. Unterfahrbar müssen insbesondere das Spülbecken, der Herd und der Rüstbereich sein. «Sind diese optimal angeordnet, reicht ein Freiraum von drei Küchenelementen in der Regel aus», erklärt der Fachmann. Läuft dieser Freiraum über Eck, so ist der Platzverlust am geringsten. Wenn keine Unterfahrbarkeit möglich ist, so wird eine Sockelhöhe von 30 cm empfohlen, damit die Elemente mit den Rollstuhlfussrasten unterfahren werden können. Zur weiteren Optimierung können die Sockel zurückversetzt montiert werden.
Als Kompensation für den verlorenen Stauraum bieten sich Rollkorpusse an, die sich je nach Bedarf verschieben lassen. Bei beidseitig zugänglichen Möbeln können die Unterbauten mittels Laufschiene je nach Gebrauch nach vorne oder nach hinten geschoben werden. Die Arbeitsfläche lässt sich durch ausziehbare Tablare gezielt vergrössern.
Entscheidend ist bei der Küchenplanung der Grad der Gehbehinderung. Ist eine Person fähig, sich für einen kürzeren oder längeren Augenblick aus dem Rollstuhl zu erheben, so sind stabile und gut erreichbare Haltegriffe rund um den Arbeitsbereich unverzichtbar. Ausserdem ist darauf zu achten, dass möglichst viele Arbeiten einhändig verrichtet werden können.
Bei der Unterfahrbarkeit des Spülbeckens müssen einige wesentliche Punkte beachtet werden: In erster Linie geht es dabei um die Verletzungsgefahr. Um Verbrühungen zu vermeiden, sollten die Spülbecken mit einem parallel zur Wand verlaufenden oder einem Unterputz-Siphon ausgestattet werden. Das Becken sollte nicht zu tief sein, damit es beim Unterfahren nicht zum Hindernis wird und aus der sitzenden Position praktischer zu bedienen ist.
Ist das Spülbecken zur Arbeitsfläche hin abgeschrägt, können schwerere Behältnisse leichter herausgehoben oder eben geschoben werden. Einhandmischbatterien ermöglichen auch dann eine einfache Bedienung, wenn sich die Person gleichzeitig am Haltegriff abstützen muss. Herausziehbare Brausen erleichtern das Spülen.
Bei den Unterbauten sollten anstelle von herkömmlichen Schranktüren Rollos oder Falttüren eingesetzt werden. Gut geeignet sind ausserdem Vollauszüge, da diese einen angenehmen Überblick ermöglichen.
Damit auch die Oberbauten aus dem Rollstuhl zu erreichen sind, ist eine Verstellbarkeit in der Höhe ideal. Oft sind diese Schränke aber aus finanziellen oder technischen Gründen nicht absenkbar.
In diesem Fall können herausklappbare Körbe eine Alternative sein. Ansonsten können die Oberschränke mit einem geringeren Höhenabstand zur Arbeitsfläche montiert und zur besseren Übersicht mit Glastablaren versehen werden.
Entscheidender als bei den Schränken ist die richtige Einbauhöhe bei den Küchengeräten. Bei Backöfen mit Klapptüren sollte sich die offene Klappe gut über der Kniehöhe befinden, um die Verbrennungsgefahr zu minimieren und die Unterfahrbarkeit zu gewährleisten. Bei tiefer oder höher eingebauten Öfen kann auch ein Vollauszug oder eine seitlich öffnende Tür sinnvoll sein. In diesem Fall sollte unter dem Ofen oder in unmittelbarer Nähe jedoch eine hitzebeständige Abstellfläche eingeplant werden.
Kühlschrank und Gefrierer sollten unterhalb der Kopfhöhe mit Schubladen ausgestattet sein und dem Nutzer so einen besseren Zugriff gewähren.
Beim Geschirrspüler bietet sich unter Umständen eine mittlere Einbauhöhe an. Wird er tief eingebaut, so sollte er von der Seite her bedienbar sein.
Bei den Kochfeldern stellt sich weniger die Frage nach der idealen Höhe als nach der idealen Anordnung. Da es aus sitzender Position schwierig ist, in die hinteren Töpfe zu schauen, können nebeneinanderliegende Kochfelder Sinn machen. Aufgrund der Verbrennungsgefahr eignen sich Induktionsherde. Diese können je nach Bedarf mit verschiedenen Dampfabzugsystemen verbunden werden. Eine leicht erhöhte Metallumrahmung kann beim einhändigen Rühren als eine Art Anschlag fungieren.
Bei der Küchenplanung gilt es auch, die Details im Auge zu behalten. So sollten Schubladen- und Türgriffe gut greifbar, dabei aber ergonomisch geformt sein, um ein Hängenbleiben zu vermeiden. Die Steckdosen sollten sicher und für gute Erreichbarkeit nicht in einer Raumecke oder auf einer unpraktischen Höhe platziert sein. Die Arbeitsplatzbeleuchtung soll blendfrei sein.
Durch ihr Know-how und durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern kann Lüthypartner ein auf den Kunden angepasstes Rahmensystem anbieten. Mit diesem können die Küchenmöbel auf Knopfdruck in drei Dimensionen den körperlichen Bedürfnissen angepasst werden. Die Rahmen werden inklusive aller notwendigen Mechanismen, elektronischen Steuerungen und elektrischen Installationen auf Mass gefertigt. Die passenden Küchenmöbel werden vom Schreiner anhand der erstellten CAD-Pläne produziert.
Eine barrierefreie Küche müsse nicht teuer sein, erklärt Marco Stampfli. Die Grenzen seien aber nach oben offen, räumt er ein. In welchem Preissegment sich die Küche bewegt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So in erster Linie von der Art der Beeinträchtigung, von allfälligen Förderbeiträgen sowie von der eigenen finanziellen Lage. Lebt eine Person von Geburt her mit einer Gehbehinderung, sind die notwendigen Anpassungen oft weniger umfassend als bei jemandem, der sich nach einem Unfall von einem Tag auf den anderen mit einer komplett veränderten Lebenssituation konfrontiert sieht.
«Diese Leute wollen so schnell wie möglich in den Alltag zurück und verfügen oft auch über die nötigen Mittel für weiterführende Anpassungen», sagt Stampfli. Eine benutzerfreundliche Küche ist aber letztendlich keine Frage des Geldes, sondern der umsichtigen Planung.
www.spv.chwww.luethypartner.chwww.variante-luethypartner.ch
Eine Kursausschreibung des Branchenverbands Küche Schweiz zu diesem Thema ist in der Rubrik «Bildung» auf Seite 24 zu finden.
Veröffentlichung: 14. Januar 2016 / Ausgabe 2/2016
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