Kluge Böcke für die Lüfte

Die Flügelböcke lassen sich stapeln und brauchen so weniger Platz im Lager. Bild: Philipp Heidelberger

Transport.  Der sichere und effiziente Transport von schweren Fensterelementen bis zur Baustelle ist eine grosse Herausforderung. Einer der grössten Schweizer Fensterproduzenten zeigt, mit welchen Hilfsmitteln er arbeitet und wie die Logistik organisiert ist.

Meldungen von verletzten oder sogar lebensgefährlich verletzten Bauarbeitern und Handwerkern lassen niemanden kalt. Nicht davor gefeit ist auch die Fensterbranche: Gemäss Suva ereignen sich beim Transport von Glas- oder Fensterelementen immer wieder Unfälle.

Eigene Entwicklung

Gefahren durch unsichere Transportgebinde wurden bei der 4B AG aus Hochdorf LU schon länger erkannt, und das Thema hat eine hohe Priorität. «Die Sicherheit der Mitarbeiter und aller Beteiligten auf der Baustelle hat bei 4B einen sehr hohen Stellenwert», sagt Christoph Wendel, Leiter Qualitätsmanagement. Das Unternehmen analysiert die gesamte Logistik und besonders die sogenannten Transportgebinde laufend. Diese entwickelt man bei 4B seit Jahrzehnten selbst und lässt sie eigens herstellen. Für die Entwicklung und den Bau von Prototypen hat 4B mit Ruedi Scherer einen erfahrenen Schlosser und Konstrukteur in seiner Belegschaft. Zusammen mit Christoph Wendel, Christof Jenni, dem Leiter Spedition, sowie Mitarbeitern der Produktion, Logistik und Montage entwickelt er die Transportgestelle stetig weiter.

Drei Typen für fast jede Situation

So sind inzwischen ausgeklügelte Lösungen entstanden, die verschiedensten Ansprüchen genügen müssen. Zudem ist es gelungen, mit nur drei verschiedenen Transportgebinden einen Grossteil aller Situationen abzudecken: Mit dem A-Bock werden grosse Elemente und Rahmen transportiert, auf Flügelböcken werden kleinere Elemente und Flügel befestigt. Hinzu kommt ein Transportkorb, in welchem loses Montage- und Restmaterial Platz findet. Die Böcke wurden einem offiziellen Belastungstest unterzogen und verfügen über eine CE-Kennzeichnung.

Besonders vielfältig einsetzen lässt sich der «Flügelbock», der eine L-Form aufweist und in seiner Grundform schon lange existiert. Über die Jahre hat man diesen aus praktischen und sicherheitstechnischen Gründen immer flexibler gestaltet. Für grössere Elemente lässt sich zum Beispiel die vertikale Stütze erhöhen und verbreitern. Möglich machen das steckbare Aufsätze, die ebenfalls Ruedi Scherer entwickelte. Insgesamt hat 4B rund 3000 verschiedene Transportgebinde im Einsatz.

Den Schwerpunkt beachten

Eine heikle Situation kann zudem entstehen, wenn der Flügelbock mit nur einem oder zwei Elementen beladen ist. «Dann liegt der Schwerpunkt sehr weit hinten», sagt Christoph Wendel. In einem ungünstigen Fall könnte dann ein Windstoss ausreichen, um den Bock umzuwerfen. Also entwarf man einen Aufsatz, welcher den Schwerpunkt weiter zur Mitte verschiebt.

Der Flügelbock ist ausserdem mit weiteren interessanten Details ausgestattet: So lässt sich die aufrechte Stütze durch Lösen von zwei Bolzen vom Boden trennen. Sicherheitstechnisch bestehe dann zwar die Gefahr, dass die Stütze ungesichert sei, wenn die Bolzen nicht eingerastet sind, sagt Christoph Wendel. «Deshalb sind die Bolzen rot markiert und in den Sicherheitshinweisen speziell erwähnt.» Denn auf den Vorteil der demontierbaren Stütze wollte man bei 4B nicht verzichten: Bei kleineren Aufträgen kann der Monteur den Bock zerlegen und im Montagebus alleine zurücktransportieren.

Speziell ist auch die Art und Weise, wie der Flügelbock am Kran angehängt werden muss. Nebst den vier Befestigungspunkten am Boden gibt es in der aufrechten Stütze noch zwei Durchschlaufpunkte. So ist sichergestellt, dass der Bock nicht kippt, wenn er am Kran hängt. «Klar, man könnte die Gurte auch oben an der Stütze anhängen», sagt Christoph Wendel. Dann wären aber zwei unterschiedlich lange Gurte nötig, die exakt aufeinander abgestimmt sind. «Mit unserem System braucht es vier gleich lange Gurte, die an einem speziell entwickelten Joch aus Stahl montiert sind. Kranketten oder bauseitige Gurte dürfen nicht verwendet werden.»

Nichts darf herunterfallen

Zum Sichern des Ladeguts verfügt der Flügelbock über einen fix montierten Spanngurt. Die Rätsche ist dafür an einer vertikalen Stange befestigt, so lässt sich der Gurt in der Höhe verschieben und der Elementhöhe anpassen. Ist der Gurt zu lang oder wird er nicht benötigt, kann man ihn einfach im Korb verstauen, welcher ebenfalls am Bock montiert ist. So ist er vor Beschädigungen geschützt, landet nicht im Dreck und flattert während des Transports nicht umher. Beim A-Bock setzt man bei 4B zusätzlich noch auf Umreifungsbänder, weil das Sichern der grossen Elemente mit Spanngurten zu umständlich oder manchmal gar nicht möglich ist.

Im Anschluss werden alle Gebinde noch mit Folie umwickelt. Gemäss Christoph Wendel geht es dabei hauptsächlich um einen Schutz vor Schmutz und der Witterung. «Zusätzlich verhindert die Folie aber auch, dass sich allfällige Kleinteile lösen und herunterfallen.» An dieser Station werden die Gebinde auch vermessen und gewogen. Die Angaben kommen zusammen mit den anderen Auftragsinformationen auf ein Etikett.

Mitarbeiter schulen

Gute und sichere Transportgestelle sind allerdings nur ein Puzzleteil in der ganzen Logistik. Ebenso wichtig ist die ständige Schulung der Mitarbeiter. «Alle erhalten eine entsprechende Einweisung. Zudem gibt es für jede Arbeitsstation klare Arbeitsanweisungen», erklärt Speditionsleiter Christof Jenni. Dort ist beispielsweise geregelt, wie die Gestelle beladen oder wann die Aufsätze verwendet werden müssen.

Besonders wichtig ist ausserdem das korrekte Anhängen der Gebinde am Kran auf der Baustelle. Jeder Monteur wird dafür während rund eines halben Tages instruiert. Das Gleiche gilt auch für die Lastwagenfahrer des externen Transportpartners der 4B: «Wer nicht von uns geschult und registriert wurde, darf keine Gebinde am Kran anhängen und auf- oder abladen», sagt Christof Jenni.

Auf jedem Gebinde sind die Sicherheitsregeln gut sichtbar aufgeklebt. Die Bilder zeigen klar, wo beim Gestell die Anhänge- sowie Durchschlaufpunkte sind, welche Sicherheitsvorschriften es zu beachten gilt und wie hoch die maximale Traglast ist. Jeder Bock lässt sich über eine eigene Nummer mit Barcode identifizieren. «So haben wir im Griff, wo die Böcke im Einsatz sind und ob auch alle wieder von der Baustelle zurückgebracht wurden», sagt Jenni.

Auf Beschädigungen kontrollieren

Hilfreich ist der Barcode auch, wenn ein Bock beschädigt von einer Baustelle zurückkommt. Wenn sich solche Fälle häufen, kann man die jeweiligen Monteure oder Kranführer darauf ansprechen. Aber auch der normale Gebrauch hinterlässt mit der Zeit Spuren an den Gestellen. «Deshalb haben wir eine Rücknahmestelle für die Transportgebinde», sagt Christof Jenni. Der Mitarbeiter sortiert dort noch brauchbares Verpackungs- sowie Polstermaterial aus und kontrolliert mithilfe einer Checkliste die Gebinde auf Beschädigungen oder Abnutzungserscheinungen.

Fällt dem Mitarbeiter etwas auf, sondert er den Bock aus und übergibt ihn der Schlosserei zur Reparatur. Dort werden auch die Farbmarkierungen der Anschlagpunkte oder nicht mehr lesbare Sicherheitshinweise erneuert. Ältere Transportgestelle erfahren bei dieser Gelegenheit auch ein Upgrade auf die aktuellste Version. So werden beispielsweise auf dem Grundrahmen die alten Holzauflagen durch Metallrohre mit Gummiauflagen ersetzt.

Beim Beladen der Böcke muss der jeweilige Mitarbeiter nochmals kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Am häufigsten komme es vor, dass die Spanngurte beschädigt sind, sagt Christof Jenni. Dies passiert meistens beim Aufschneiden der Folie.

Ein separates Verfahren gibt es ausserdem, wenn der Spediteur seine eigene Etikette über die Sicherheitshinweise klebt: «Diese Böcke stellen wir beiseite, und der Spediteur muss die Kleber selbst entfernen», sagt Jenni. Was jetzt nach einer Schikane klingen mag, wäre relativ einfach zu vermeiden: Auf den Transportgestellen gibt es extra ein Feld für diese Etiketten, wo sie sich auch wieder gut ablösen lassen.

Klare Zuständigkeiten

Bereitgestellt werden die Transportgebinde in der grossen Spedition, direkt vor den Laderampen. «Alles was innerhalb der nächsten drei Tage verladen wird, steht hier am Boden. Gebinde, die später drankommen, lagern wir in Kragarmregalen», erklärt Christof Jenni. Für das Verladen sind Angestellte des externen Logistikpartners verantwortlich, welche sich permanent am Standort in Hochdorf befinden. Sobald die Gebinde den Bereitstellungsraum verlassen, bestätigen die Angestellten die Übergabe sowie den einwandfreien Zustand des Materials und verladen es auf die Lastwagen. «Sie wissen am besten, wie beladen werden muss und die Verantwortlichkeiten sind so klar geregelt», sagt Jenni. Auf der Baustelle wiederum übernimmt der Monteur von 4B die Gebinde, kontrolliert diese auf Beschädigungen und bestätigt die Übergabe.

Fehlerquellen herausfiltern

Sollte bei einer Lieferung etwas fehlen, beschädigt sein oder schlicht zu spät ankommen, lässt sich die Ursache relativ genau bestimmen. Laut Christof Jenni könne dies auch in der Produktion seinen Ursprung haben, zum Beispiel wenn ein Glas kaputt gehe oder ein Lieferant zu spät liefere. Alle diese Kennzahlen analysiert der Logistikleiter laufend und erstellt daraus eine Übersicht über die Lieferbereitschaft. «Die Zielvorgabe ist, dass im Schnitt 98 Prozent unserer Aufträge korrekt und auf Termin geliefert werden», sagt Christof Jenni. Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass dies zwar nicht immer der Fall ist, manchmal gibt es auch ein rotes Feld mit 96 oder 97 Prozent. Das sind aber immer noch recht ansehnliche Werte, und vor allem weiss Christof Jenni, wo es jeweils haperte.

Das Beispiel der 4B zeigt exemplarisch, wie wichtig im Fensterbau eine stetige Kontrolle und Entwicklung der Logistik ist. Auf diese Weise kann man mögliche Gefahren- sowie Fehlerquellen aufdecken und beheben. Das verbessert die Sicherheit und letztendlich auch die Effizienz in der Logistik.

www.4-b.ch

Checklisten

Wichtige Hinweise zum Thema sind im Factsheet «Transportgestelle für Glas- und Fensterelemente sicher einsetzen» und der Checkliste «Lagerung und Transport von Flachglas im Betrieb» der Suva zu finden.

www.suva.ch/67194.dwww.suva.ch/33095.d

ph

Veröffentlichung: 02. April 2020 / Ausgabe 14/2020

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