Keine Angst vor der Treppenplanung

Wenn es schwierig wird, helfen Treppenspezialisten gerne. Um solche Konstruktionen statisch im Griff zu haben, braucht es viel Fachwissen. Bild: Bianchi Holz- und Treppenbau AG

Hemmschwellen.  Viele Schreiner wagen sich nicht an die Planung anspruchsvoller Treppenkonstruktionen. Wer selber zu wenig Fachwissen hat, kann spezialisierte Treppenbauer als Partner gewinnen. Doch worauf kommt es bei der Treppenplanung an?

«Vor der Planung einer Treppe sollte man gesunden Respekt, aber nicht Angst haben», sagt Erwin Walker von der Bianchi Holz- und Treppenbau AG. Viele Schreiner täten sich trotzdem schwer, wenn es um die Auftragsannahme für eine Treppe gehe. Solche Aufträge landen schnell auf Schreibtischen von Spezialisten aus weiter entfernten Regionen, die meistens in einem harten Wettbewerb zueinander stehen und die Preise entsprechend drücken. Die Vorteile der regionalen Vergabe unter Ausnutzung der Vorteile, welche die Nähe bringt, geht so verloren. Schreiner vor Ort stehen dem Kunden viel näher und können vielfach den besseren Service in puncto Beratung, Schnittstellen und Flexibilität bieten. Kunden sind dafür auch bereit, mehr für diese Leistungen zu bezahlen, weil sich dies in der Regel für sie lohnt, sei es, weil sie mit weniger Handwerkern zu tun haben, durch kürzere Bauzeiten, geringeren Koordinationsaufwand und nicht zuletzt ist das Vertrauen in regionale Handwerker grösser.

Spezialisten können helfen

«Schreiner können sich mit dem notwendigen Fachwissen oder entsprechendem Support durch einen Spezialisten ohne Weiteres an ein Treppenobjekt wagen», so Walker. Einer, der dies regelmässig macht, ist Hubert Carigiet aus Laax. Die Dreimann-Schrei-nerei bietet neben den üblichen Schreinerarbeiten auch Innenarchitekturleistungen an und tritt als Firma auf, die das ganze Innenausbausegment abdeckt. Aus diesem Grund übernimmt Carigiet gerne Treppenaufträge, wickelt sie dann aber bei Bedarf über einen Partner wie die Bianchi Holzbau ab. Dieser unterstützt Schreiner auch bei der Planung und bietet Lösungen in un- terschiedlicher Fertigungstiefe. «Viele Treppenobjekte montieren wir selber, grundsätzlich bieten wir die Treppenkonstruktion aber auch ab Werk an», sagt Walker. Am meisten Probleme würden die Schreiner aber bei der Planung bekunden, ein Grund, den Planungsablauf genauer unter die Lupe zu nehmen.

Idealmasse kennen

Zentrales Element jeder Treppe ist ihre Funktionalität. Aus diesem Grund muss man vor jeder Treppenplanung die Realisierbarkeit in Bezug auf Anzahl Tritte abklären, denn Steigung und Trittgrund müssen im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Dabei soll man sich an der sogenannten «Schrittmassformel» orientieren. Um diesen Wert zu bekommen, muss man die Masse 2 × Steigung und 1 × Tritttiefe addieren. Der erhaltene Wert sollte zwischen 59 und 65 cm liegen. Treppen mit einem Schrittmass unter 59 und über 65 cm werden von den Benutzern als unbequem empfunden. Wenig benutzte Treppen kann man aber durchaus auch mit einem unvorteilhafteren Schrittmass konstruieren. Wichtig dabei: Man muss bei diesen Treppen möglichst auf beiden Seiten Handläufe anbringen, um die Sicherheit zu erhöhen.

Nicht zu hoch, nicht zu tief

Neben dem Schrittmass gibt es aber noch weitere Masse, die man einhalten sollte, zum Beispiel die maximale Steigung: Liegt die Höhe der Tritte bei über 20 cm, wird das Begehen der Treppe sehr anstrengend, bei einer Tritthöhe von unter 14 cm hat man als Begeher das Gefühl, nicht vorwärts zu kommen. Auch bei der Tiefe der Tritte, dem sogenannten Auftrittsmass, gibt es diese Einschränkungen: Unter 23 cm meint man, nur auf den Fussballen zu steigen, über 37 cm ist man versucht, einen Zwischenschritt einzulegen. Die idealen Masse lauten daher 18 cm Tritthöhe und 26 cm Tritttiefe.

Schrittmass beachten

Ebenfalls sehr wichtig ist die Lage der Gehlinie. Bei geraden Treppen spielt sie keine Rolle, weil die Tritte auf der ganzen Nutzbreite die gleiche Tiefe aufweisen. Bei abgewinkelten oder runden Treppen muss das optimale Steigungsverhältnis im Bereich der Gehlinie realisiert sein. Die Gehlinie leitet sich aus dem Abstand zum Handlauf ab und sollte rund 45 cm von diesem entfernt liegen. Die 45 cm sind etwa die Schulterbreite eines Menschen geteilt durch zwei, bilden also die Mittelachse beim Gehen, wenn man die Hand bequem auf dem Handlauf führt. Bei Treppen mit geraden Bereichen und Kurven sollte die Schrittmassformel möglichst überall gleich sein. Variiert sie zu stark, wird der Steigrhythmus gestört, unsichere Treppengeher werden zusätzlich irritiert und geraten schneller in Schwierigkeiten.

Schwierigkeiten in der Kurve

Eine Treppe mit Kurve richtig einzuteilen, ist direkt mit einer CAD-Zeichnung relativ schwierig. Steighöhe, Auftritt, Kurve, Steigung und die Baumasse unter einen Hut zu bringen, erfordert ein sehr gutes räumliches Vorstellungsvermögen und gelingt selten beim ersten Versuch. Umso nützlicher sind dabei spezielle Planungstools für die Treppe. Diese gibt es von Profis für Profis, aber auch als kostenlose Downloads aus dem Internet. Mit Letzteren lässt sich aber kaum eine brauchbare Treppenplanung erstellen. Wer sich keine professionelle Software leisten will, kann die angebotenen Werkzeuge aus dem Internet aber zumindest als Einteilungshilfe brauchen. Relativ einfach lässt sich so die Anzahl Tritte ermitteln und der Platzbedarf abschätzen. Ebenfalls sehr nützlich ist das App für «iPhones» und «iPads» der Firma Keller Treppenbau. Sehr einfach und schnell lässt sich auf der Baustelle feststellen, ob und wie eine Treppe eingeteilt werden muss. Die definitive Planung lässt sich anhand der erhaltenen Einteilung dann mit dem Schreiner-CAD weiterführen, oder man wendet sich an einen Fachplaner oder Treppenbauer.

Sicherheit hat Vorrang

Sehr vorsichtig muss man bei der Treppenplanung mit der Sicherheit umgehen. Für die Ausführung von Handläufen, Geländern und die Rutschsicherheit gibt es einschlägige Vorschriften, die nicht verhandelbar sind. «Im öffentlichen Bereich gibt es in diesem Bereich keinen Spielraum», sagt Walker. Geländer müssen, wenn notwendig, zwingend erstellt werden, und zwar genau in den Höhen, Abständen und der Belastbarkeit, wie vorgeschrieben. Dabei sind die Minimalwerte gemäss SIA 358 zu beachten. Im privaten Bereich muss man diese Vorschriften nicht zwingend einhalten, aufgrund der Verletzungsgefahr sollte man aber ebenso eine Mindestabsicherung vornehmen. «Will ein Bauherr von uns keine Sicherheitselemente, definieren und zeichnen wir die Elemente trotzdem und listen sie als Eigenleistung für den Bauherrn auf. Ob er sie dann auch realisiert, muss er selber entscheiden», erklärt Walker.

Komplexe Massaufnahmen

Mit der Planung erfolgt auch die Massaufnahme am Objekt. Bei einer geraden Treppe kann auch ein im Treppenbau ungeübter Schreiner ohne Weiteres selber eine Massaufnahme machen. «Wichtig ist, nicht nur das senkrechte Mass zwischen oberer und unterer Ebene zu messen, sondern auch den Boden auf Niveau zu überprüfen», sagt Schreiner Carigiet. Geht es aber um komplexe Formen, kommt man mit ein- fachen Linearmessungen nicht mehr aus. Dann kommen Linearlaser, Punktlaser oder im Extremfall sogar Tachymeter zum Einsatz. Mit ihnen kann man Punkte im Raum dreidimensional ausmessen und die Daten im CAD räumlich darstellen. «Hochkom-plexe Geometrien lassen wir auch schon mal von einem Geometer ausmessen», erzählt Erwin Walker. Nur so kann eine komplexe Struktur sicher ins CAD übertragen werden. Bei einfacheren Formen lohnt es sich ebenso, ein paar Grundsätze zu beachten. Der Zeitpunkt zur Massaufnahme zum Beispiel soll immer erst dann erfolgen, wenn die rohe Bodenkonstruktion gesetzt ist und die Wände mit einem Grundputz versehen sind. Zudem macht es Sinn, neben den Hauptmassen immer auch die Diagonalen zu messen, um das Resultat überprüfen zu können. «Mit Lasermessgeräten lässt sich das gut bewerkstelligen», so Hubert Carigiet.

Achtung: Trittschall

Zu guter Letzt bleibt die Montage übrig, bei der man gemäss Walker einiges falsch machen könne. «Immer wieder vernachlässigt wird das Thema Schall: Man muss sich schon sehr genau überlegen, in welches Bauteil man wie montiert, ohne dass der Trittschall beim Nachbarn für Ärger sorgt», sagt der erfahrene Treppenbauer. Die Montage von Spindeltreppen etwa erfolgt aus statischen Gründen immer auf die tragende Betondecke. Dort ist der Einsatz einer speziellen schalldämmenden Lagerung unumgänglich. Das Gleiche gilt für die Lagerung von Tritten in die Wände des Treppenhauses. «Für diese gibt es extra Schalldämm-lager, die man einfach in die gebohrten Löcher stecken kann», weiss Walker. Um die Löcher genau an der richtigen Stelle zu platzieren, druckt die Treppenbaufirma Bohrschablonen aus Papier aus, die man auf die Wand kleben kann. So lässt sich der Kronenbohrer genau ansetzen und lassen sich die Löcher erstellen.

www.bianchi-treppen.chwww.hubertcarigiet.ch

Schnell zu treppendaten

Mit dem Treppenbau-App der Ferdinand Hasler AG lässt sich keine Treppe planen, man kann aber sehr schnell Klarheit zur Realisierbarkeit einer Treppe erhalten. Mit nur wenigen Mass- angaben lassen sich Anzahl Tritte und die Masse ablesen und gleichzeitig wird die Berechnung nach der Schrittmassformel erstellt. Dieser Wert wird aus der Formel 2 × Steigung und 1 × Auftritt errechnet. Berechnen lassen sich aber nicht nur gerade Treppen, das App lässt auch die Konzeption von Wendeltreppen, abgewinkelten Treppen und Rampen zu. Bei den abgewinkelten Treppen stehen gleich mehrere Varianten zur Auswahl, auch solche mit ein oder zwei Podesten sowie eine oder zwei Kurven. Die Handhabung des App ist äusserst einfach und führt schnell zu verlässlichen Resultaten. Offensichtliche Falschangaben oder wenn die Werte in einem Bereich liegen, die keine Treppenkonstruktion zulassen, korrigiert die Software selber oder warnt, indem das Feld «Grafische Darstellung» rot erscheint. Trotz der einfachen Handhabung muss man einiges an Fachwissen mitbringen. Man muss etwa wissen, was ein Treppenauge ist und wo die Gehlinie verlaufen soll. Ansonsten bietet das App aber eine gute Basis, um die Eckdaten einer Treppe abzustecken. Das App ist kostenlos für «iPhone» und «iPad» im App-Store erhältlich.

www.hasler-treppen.ch

wi

Veröffentlichung: 08. November 2013 / Ausgabe 45/2013

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