«Jeder ist ersetzbar»

Ein Glücksfall für die Firmennachfolge: Michael (links) und Patrik Gasser junior lenken seit 2011 die Geschicke der neu gegründeten TG Gasser AG Küchen- und Möbelschreinerei. Bild: TG Gasser AG

Nachfolge.  Wer voll im Berufsleben steht, mag an den Ruhestand nicht denken. Doch im Fall der TG Gasser AG in Giswil hat sich die frühzeitige Weichenstellung gelohnt. Pünktlich zu seinem 65. Geburtstag konnte der Senior den Hut nehmen, seine Söhne führen den Betrieb fort.

Toni Gasser, wann haben Sie Ihren Betrieb an die Söhne übergeben?
Die Übergabe erfolgte am 30. Juni 2011; pünktlich zu meinem 65. Geburtstag im Oktober waren die restlichen Formalitäten erledigt. So ungefähr hatten meine Frau und ich uns das bereits vor 20 Jahren vorgestellt.
Sie dachten bereits mit 45 Jahren an die Nachfolge. Ist das nicht ein wenig früh?
Nein, denn es braucht viel Zeit, um den Ruhestand wie auch die Zukunft der Firma in die Wege zu leiten. Viele Patrons schieben das Thema vor sich her. Aber für eine private Altersvorsorge oder eine schuldenfreie Übergabe ist es mit 60 Jahren in der Regel zu spät.
Was überlegten Sie konkret?
Für uns stand der Erhalt von qualitativ guten Arbeitsplätzen im Vordergrund. Das heisst, unsere Fertigung sollte zur Übergabe auf dem neuesten Stand der Technik und möglichst schuldenfrei sein. Sollte keine Nachfolge gefunden werden, wollten wir die Firmentätigkeit aufgeben können. Deshalb steckten wir uns also das Ziel, bei meiner Pensionierung geschäftlich und privat abgesichert zu sein. Das hat auch unseren vier Kindern den Druck genommen, den Betrieb unbedingt weiterführen zu müssen. Freilich ist eine plötzliche Krankheit oder ein Todesfall nie planbar.
Wie konnten Sie schuldenfrei wirtschaften?
Wir waren wirtschaftlich erfolgreich und haben das Geld in der Firma belassen. So konnten wir in den letzten Jahren jede neue Maschine sofort bar bezahlen. Das heisst, die jetzigen Maschinen finanzieren die Nachfolgegeneration. Bei unserem Start im Jahr 1983 war es umgekehrt. Wir standen gewissermassen mit leeren Händen da und mussten mit den neu angeschafften Maschinen unsere Schulden abarbeiten.
Reizvolle Bedingungen für eine Nachfolge also. Doch mit Ihren Kindern konnten sie noch nicht rechnen, oder?
Das ist richtig. Unsere Kinder haben wir erst in ihren Zwanzigern dazu befragt und da gab es Tendenzen. Unser zweitältester Sohn Patrik wollte immer schon Schreiner werden und bildete sich später an der HF Bürgenstock zum Werk- und Schreinermeister weiter.
Michael, der Älteste, bildete sich nach der Schreinerlehre in CAD und CNC weiter, erwarb in der Handelsschule das Rüstzeug zum Kaufmann und legte schliesslich das Diplom als technischer Kaufmann ab. Beide schlossen 2003 ihre Ausbildungen ab. Danach haben wir die Verantwortlichkei-ten innerhalb der Toni Gasser AG neu geregelt.
Wie waren die Verantwortlichkeiten nach dem Einstieg Ihrer Kinder geregelt?
Unsere Geschäftsleitung wurde um unsere beiden ältesten und unsere Tochter Franziska erweitet. Dadurch hatte ich endlich Zeit, vermehrt Geschäftsleiteraufgaben wahrzunehmen, das heisst, etwa liegengebliebene Optimierungen und Rationalisierungen voranzutreiben, um das Unternehmen auf kommende Veränderungen vorzubereiten.
Welche Aufgaben fielen Ihrem Nachwuchs zu?
Franziska war für den zentralen Wareneinkauf zuständig. Michael übernahm die Verkaufsleitung einschliesslich des Verkaufsbudgets sowie die Ausstellung und Kundenpflege. Patrik wurde verantwortlich für die Avor, die Fertigung und die Kostenkontrolle. Nach einer Übergangszeit von acht Jahren waren die Kinder mit den Betriebsabläufen, Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten vertraut. Und diese Aufgabenteilung hatte sich bestätigt. Patrik ist nach der Übergabe zudem Geschäftsleiter und Michael Delegierter des Verwaltungsrates.
Das klingt nach einem Glücksfall. Was meinten die jüngeren Geschwister?
Das ist tatsächlich ein Glücksfall. Die meisten KMU streben eine familieninterne Regelung an, aber oft fehlt das Interesse, oder die anstehenden Erwartungen und Belastungen sind zu gross.
Warum wählten Sie eine Neugründung?
Wir wollten alle vier Kinder erbrechtlich gleichstellen. Zu diesem Zweck haben wir einen Wirtschaftsstudenten beauftragt, die beste Lösung in finanzieller, erbrechtlicher und steuerlicher Sicht zu erarbeiten. Eine Trennung von Schreinerei und Liegenschaften erschien sinnvoll. Daraufhin wandelten wir die einstige Toni Gasser AG in die TG Verwaltungs AG um, die meiner Frau und mir gehört. Diese AG besitzt die Liegenschaften und vermietet die Räumlichkeiten an die neu gegründete Schreinerei TG Gasser AG sowie an Dritte.
Wie erfolgte die erbrechtliche Gleichstellung?
Vor der Übergabe legten wir zusammen mit den Kindern eine mögliche Erbregelung fest. Dabei sollten die laufenden Firmen- aktivitäten von den Nachfolgern käuflich erworben werden. Die Maschinen und Einrichtungen gelten als Erbvorbezug. Diesen erhielten Michael und Patrik also durch die Neugründung der TG Gasser AG. Die nicht beteiligten Kinder sind erbrechtlich gleichgestellt.
Welche Rolle spielten die Finanzen?
Die Fremdfinanzierung war eine Hürde, denn die von den Banken angebotenen Betriebskredite reichten bei Weitem nicht für einen Neustart. So wurden die Betriebskredite von der TG Verwaltungs AG zur Verfügung gestellt, um erste Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Aber auch die Steuerangelegenheiten waren ein wichtiges Kapitel.
Viele Nachfolger wünschen sich steuerliche Erleichterungen. Wie war das bei Ihnen?

Die anfallenden Steuern bei einer Firmenauflösung oder Umfirmierung sind nicht zu unterschätzen. Wir haben bei jedem Abschluss einen Steuerexperten zugezogen, einerseits für eine gesetzliche Optimierung, andererseits um den Firmenwert realistisch zu ermitteln. So wussten wir immer, was auf uns zukommt.

Mischen Sie noch mit in der Geschäftsleitung?

Nein, ich habe keine Aktienanteile der TG Gasser AG. Ich liefere meine Ideen, wenn meine Söhne mich fragen, ansonsten halte ich mich gern raus. Bald nach dem Einstieg meiner Söhne ins Geschäft habe ich bemerkt, dass nicht immer der Chef zum Kunden muss. Denn inzwischen baut die Generation der 30- bis 40-Jährigen, und diese jüngere Kundschaft hat eher einen Draht zu meinen Söhnen als zu mir.

Fiel Ihnen der Abschied nie schwer?

Ich bin mit Leib und Seele Schreiner und Unternehmer gewesen. Aber für meine anderen Interessen wie Berg- und Skitouren, Biken, Fotografie und Reisen fehlte oft die Zeit. Auch die Familie und Freunde kamen zu kurz. Nun können wir das nachholen oder mit unseren fünf Grosskindern etwas unternehmen. Man muss loslassen können, wenn es an der Zeit ist. Jeder ist ersetzbar, und wer das nicht glaubt, nimmt sich selbst zu ernst.

Entspannt in den Ruhestand

Von langer Hand geplant

Toni Gasser ist VR-Präsident der TG Gasser AG Küchen- und Möbelschrei-nerei in Giswil, früher Toni Gasser AG. Seine Söhne Michael und Patrik haben den Betrieb 2011 komplett übernommen – und zwar punktgenau wie vom Vater geplant. Vor 20 Jahren machte er sich bereits Gedanken zur Nachfolgeregelung bei seiner Pensionierung. Mit 65 Jahren, so wie er sich das gewünscht hatte, konnte er in den Ruhestand gehen. Dies gelang durch rechtzeitige Weichenstellungen in Sachen privater Altersvorsorge wie geschäftlicher Strategie sowie erbrechtlicher Regelungen. Die Ambitionen seiner Söhne bezeichnet er als Glücksfall.

www.tg-gasser.ch

mz

Veröffentlichung: 06. Dezember 2013 / Ausgabe 49/2013

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