ISPM 15 und ISPM 08/15
Die Ankunft blinder Passagiere in Holzverpackungen nimmt mit dem Welthandel zu. Bild: Photocase, Claudia Arndt
Die Ankunft blinder Passagiere in Holzverpackungen nimmt mit dem Welthandel zu. Bild: Photocase, Claudia Arndt
Verpackungsholz. Zuletzt bedrohte der asiatische Bockkäfer, in Verpackungsholz eingeschleppt, die einheimischen Bäume. Verhindern soll das der internationale Standard ISPM 15. Doch wie wirksam kann das Verfahren in Ländern sein, wo völlig andere Bedingungen herrschen?
Mitten in die journalistische saure Gurkenzeit während der Sommerferien landete der Käfer und traf damit voll ins Schwarze. Mehrfach wurde die Einschleppung von Anoplophora Glabripennis, wie das Tier wissenschaftlich heisst, seit Herbst 2011 in der Schweiz nachgewiesen. Der aus Asien stammende Laubholzbockkäfer war nicht der erste invasive Eindringling, welcher in der Schweiz ankam. Eschen, Eichen, Ulmen oder Kiefern – sie alle sind bedroht durch Schadorganismen, die inzwischen in Europa aufgetaucht sind. In guter, oder besser gesagt, äusserst schlechter Erinnerung ist noch die letzte Epidemie durch den Feuerbrand, der viele Schweizer Obstbäume das Leben gekostet hat. Offensichtlich inzwischen sensibiliert, sorgte so das asiatische Insekt für besonderes Aufsehen. Denn wie bei so vielen verschleppten Organismen kann sein Wirken ohne Gegenspieler unter guten Lebensbedingungen verhängnisvolle Wirkungen auf die einheimischen Bäume haben. Der «besonders gefährliche Schadorganismus» befällt gesunde Laubbäume und kann diese zum Absterben bringen.
In die Schweiz kamen die Käfer wohl als blinde Passagiere im Larvenstadium, versteckt in Holzverpackungen von Steinen aus China. Speziell trainierte Spürhunde suchten nach weiteren Larven und Eiern, damit der Käfer sich hierzulande nicht einnisten kann. Ob die nachsorgenden Massnahmen erfolgreich sind oder nicht, «wird sich erst in zwei Jahren zeigen, denn so lange dauert die Entwicklungszeit des Insekts», sagt Beat Forster von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Derzeit würden Richtlinien ausgearbeitet für die Überwachung des weiteren Verlaufs der Attacke. Nach Schätzungen der EU-Kommission richten eingeschleppte Arten jährlich Schäden in Höhe von mehr als umgerechnet 14 Mrd. Franken an. Invasive Organismen bedrohen aber nicht nur Europa, die Auswirkungen durch eine Verbreitung von ortsfremden Arten in Form von Insekten, Pilzen und Bakterien gilt weltweit für alle Staaten. Die Kalamitäten in den USA Anfang der 90er-Jahre haben erst dafür gesorgt, dass man über mögliche Massnahmen nachgedacht hat. Und Neuseeland kämpft seit Jahren gegen die europäische Wespe, mit mässigem Erfolg. Diese aber ist mutmasslich nicht über das Verpackungsholz dorthin gelangt. Wie viele fremde Arten in den Ländern der Welt für Artensterben sorgen, weiss keiner genau.
Eingepackt im globalen Warenfluss
Das Volumen des Welthandels wächst und wächst. Und mit ihm die Menge an Verpackungen, vor allem aus Holz, die mitreisen. Im letzten Jahr wurden Waren im Wert von mehr als 18 Billionen US-Dollar auf die Reise geschickt. Die Liste der Hauptexporteure wird seit einigen Jahren von China angeführt, es folgen die USA und Deutschland. Schätzungsweise 6 Mio. m3 Holz verlassen China als Verpackungsmaterial pro Jahr. Und das ist offensichtlich das Hauptproblem.
Zum Schutz vor der ungewollten Verschleppung von Schadorganismen wurde 2002 eine Richtlinie durch die International Plant Protection Convention (IPPC) beschlossen. Dieser Unterorganisation der Food and Agriculture Organization (FAO) gehören weltweit über 170 Staaten an. In der Richtlinie enthalten sind die International Standards for Phytosanitary Measures (ISPM). Die Num-mer 15 darin regelt die Massnahmen für Verpackungen aus Rohholz, weshalb sich die kurze Bezeichnung ISPM 15 Standard in der Branche eingebürgert hat. Dieser Standard wurde nach und nach in vielen Ländern der Welt eingeführt. Darunter auch in der Schweiz, den Ländern der EU und den USA. Seit 2006 gilt auch in China der ISPM 15 Standard. Und genauso in Indien, Ägypten, Kolumbien oder Nigeria.
«Allerdings», merkt Holzagent Pierre Clénin an, «sind zwar die Grundlagen in den Ländern desselben Ursprungs, doch haben Interpretation und Ausführung in vielen Ländern unterschiedliche gesetzliche Regelungen hervorgebracht.» Selbst innerhalb Europas gäbe es relevante Unterschiede, so Clénin. So hat Italien jahrelang generell eine technische Trocknung dem ISPM 15 Standard gleichgesetzt. Erst im März des letzten Jahres wurde verfügt, dass der Nachweis entsprechend dem Standard explizit geführt werden muss.
Es gibt zwei Verfahren, den Schutz herbeizuführen. Einmal die chemische Behandlung mit Methylbromid, bei der für 24 Stunden eine bestimmte Mindestkonzentration des Giftes im Holz erreicht und diese im Verlauf des Verfahrens dreimal gemessen werden muss. Die Behandlung mit Methylbromid ist in vielen westlichen Ländern wegen der Umweltrelevanz nicht mehr zulässig. Hier kommt dagegen die Hitzebehandlung zum Einsatz. Dabei muss im Inneren des Vollholzes über eine Dauer von mindestens 30 Minuten eine Temperatur von 56 °C einwirken, um die Schädlinge abzutöten. Für beide Verfahren braucht es Messungen bei der Einrichtung und eine regelmässige Kontrolle, wie sie in der Schweiz durchgeführt wird. Das kostet und setzt nebenbei eine entsprechende technische Ausstattung sowie eine fachkundige Durchführung gut geschulten Personals voraus.
Das gilt auch, wenn die Hitzebehandlung durch eine technische Trocknung erfolgt. «Für einen Querschnitt von 100 × 160 mm braucht es dann gut zehn Stunden bei einer Temperatur von 65 °C», weiss Thomas Lädrach, Geschäftsführer der Reinhardt Holz AG in Erlenbach im Simmental als Lieferantin für die Schweizer Verpackungsunternehmen.
Und diese erfahren wiederum von ihren Kunden auch öfter etwas über die Verpackungshölzer aus dem Ausland. «Von unseren Kunden höre ich, dass Bretter von Verpackungen aus dem Ausland durchaus Wurmlöcher aufweisen. Sie können auch leer sein, aber das man weiss man natürlich nicht», erklärt Peter Birrer, Geschäftsführer der Kistenfabrik AG in Merenschwand. «Um den ISPM 15 Standard durch Hitzebehand-lung einhalten zu können, muss im Zentrum des Holzes gemessen werden, und wer die Länder der Erde etwas kennt, der weiss, dass die Umsetzung unter Umständen dort auf Schwierigkeiten stösst», so Birrer.
Entsprechend behandelt werden muss nach ISPM 15 lediglich rohes Holz, also keine Holzwerkstoffe, die während der Produktion eine Umwandlung erfahren haben, wie etwa Sperrhölzer oder Spanformteile.
Der asiatische Laubholzbockkäfer hat für die Schweiz zumindest auch eine positive Folge: Die zuständigen Behörden kommen in Bewegung. So wurde der Dachverband Lignum aufgefordert, Stellung zu beziehen und dieser wiederum hat auch den Verband der Schweizerischen Holzverpackungs- und Pallettenindustrie (VHPI) zur Mitarbeit eingeladen. In einem jüngst erstellten Positionspapier für die Lignum (das dem Autor vorliegt) heisst es in Bezug auf China unmissverständlich: «Der ISPM 15 Standard wird in China nicht eingehalten. Den Fachleuten ist dies bekannt.» – «Es sind nicht die unterschiedlichen Gesetzgebungen der einzelnen Länder, sondern die Betrügereien der Unternehmen und die ungenügenden staatlichen Kontrollen, die dazu geführt haben, dass ISPM 15 heute ein Marktnachteil sein kann, wenn der Standard korrekt angewendet wird».
Für Ruedi Heim, Geschäftsführer der Ki- fa AG in Aadorf ist die Nichteinhaltung des ISPM Standards nicht nur wegen der ungleichen Kostensituation äusserst ärgerlich. «Die Holzverpacker geraten im Schadensfall unter Generalverdacht», weiss Heim, und fordert deshalb bessere Kontrollen seitens des Zolls bei der Einfuhr. Man fühlt sich auch ungerecht behandelt. «Wir hören von Kunden auch, dass nach ISPM 15 korrekte Verpackungen aus der Schweiz an der chinesischen Grenze beanstandet werden», so Heim. Auch Peter Birrer berichtet von Fällen, wo etwa die Kennzeichnung kritisiert wurde in China, obwohl sie richtig ausgeführt wurde.
«Aber auch in europäischen Ländern werden die ISPM-15-Bestimmungen nicht eingehalten, wie Rechtsfälle zeigen», erklärt Pierre Clénin, der das Papier für den VHPI verfasst hat. Da aber die Holzschädlinge aus Europa auch dort verbreitet sind, also gewissermassen «gleichartig», misst Clénin dem nicht so grosse Bedeutung zu. «Die Marktnachteile der Schweizer Unternehmen durch die vorschriftsgemässe Anwendung des Standards bleiben natürlich», so Pierre Clénin.
Der Experte bestätigt die Beobachtungen der Schweizer Holzverpackungsbetriebe. «In China kennen viele Zollbeamte ISPM 15 nach wie vor nicht.» Während also die europäische und schweizerische Holzexportwirtschaft in China restriktiven Einfuhrkontrollen unterworfen ist, werden Importgüter aus China mit Holzverpackungen in der Schweiz nicht kontrolliert.
Für Steinlieferungen aus sogenannten Dritt-staaten, also allen Ländern ausser den Mitgliedern der Europäischen Union sowie dem Fürstentum Liechtenstein, haben die zuständigen Ämter deshalb eine Allgemeinverfügung herausgegeben. Der Import solcher Steinlieferungen mit Holzverpackungen ist jetzt meldepflichtig, damit die Zollverwaltung dementsprechend kontrollieren kann. Der VHPI fordert, dies zur ständigen Einrichtung zu erheben und die erforderlichen personellen Kontingente dafür einzurichten. Aber das Positionspapier geht noch weiter: «Es ist umgehend eine Deklarationspflicht bei chinesischen Holzverpackungen einzuführen und der Nachweis von ISPM 15 flächendeckend zu überprüfen», heisst es in dem Papier. Für das derzeit in Verhandlung stehende Freihandelsabkommen mit China solle schriftlich eine Schutzklausel bezüglich der Schutzmassnahmen ISPM 15 eingebracht werden. «Dadurch wäre die Rechtssicherheit für beide Seiten gegeben», sagt Clénin.
www.ippc.intwww.vhpi.chwww.bafu.admin.chwww.pflanzenschutzdienst.chVeröffentlichung: 09. November 2012 / Ausgabe 45/2012
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