Im Wald wächst auch Strom

Die ORC-Anlage (Orga-nic Rankine Cycle) in Gossau erzeugt Wärme und Strom aus Holz. Bild: Andreas Keel

Holzenergie.  Die Stromerzeugung aus Holz steht am Anfang einer vielversprechenden Entwicklung. Im grösseren Leistungsbereich ist die entsprechende Technologie der Wärme-Kraft-Kopplung bereits vorhanden, im kleineren steht sie kurz vor dem Durchbruch.

Ende 2010 standen in der Schweiz insgesamt 645 516 Anlagen zur energetischen Nutzung von Holz in Betrieb. Davon erzeugten 645 503 Anlagen Wärme, doch lediglich 13 Anlagen erzeugten Wärme und Strom (Wärme-Kraft-Kopplung). Für die reine Wärmeerzeugung aus Holz steht heute eine ausgereifte, am Markt erprobte Technologie zur Verfügung, welche – vom Zimmerofen bis zum grossen Wärmeverbund – jedes Heizbedürfnis zu befriedigen vermag. Für jeden Investor und jeden Contractor ist es heute bei Bauvorhaben eine Selbstverständlichkeit, auch eine Variante Holzheizung zu evaluieren.

Weniger Wärme, mehr Strom

Das war vor zwanzig Jahren noch anders. Damals waren es einige Idealisten und Pioniere, welche auf die Holzenergie setzten. Und niemand hätte es damals für möglich gehalten, dass der Anteil der Holzenergie eines Tages dort sein würde, wo er heute ist, nämlich bei 8% ! Bezüglich Stromerzeugung aus Holz steht man heute exakt am gleichen Ort, wo man sich vor zwanzig Jahren bezüglich Wärmeerzeugung aus Holz befunden hat: nämlich ganz am Anfang einer vielversprechenden Entwicklung.

Das hat verschiedene Gründe: Ein Neubau benötigte 1975 durchschnittlich 22 Liter Heizöl pro Quadratmeter Energiebezugsfläche, bei einem Minergie-P-Haus sind es heute noch drei Liter. Auf der anderen Seite hat der Strombedarf unseres Landes in den letzten fünfzehn Jahren um 20% zugenommen. Es wird also immer weniger Wärme, dafür immer mehr Strom benötigt. Die tragischen Ereignisse vom 11. März 2011 in Fukushima mit dem darauffolgenden Grundsatzentscheid des Bundesrates vom 25. Mai 2011 zum Ausstieg aus der Atomenergie haben diese Entwicklung natürlich stark beschleunigt. Immerhin erzeugt die Schweiz bisher fast 40% ihres Stromes aus Atomkraft. Ein Ersatz dieses Anteils ist möglich, indem vermehrt erneuerbare Energien und eben auch Holzenergie eingesetzt wird. Die entsprechende Technologie der Wärme-Kraft-Kopplung ist im grösseren Leistungsbereich bereits vorhanden und erprobt, im kleineren Leistungsbereich befindet sie sich an der Schwelle zum Durchbruch.

Verschiedene Technologien

Die nebenstehende Tabelle zeigt eine Übersicht über die Holz-Wärme-Kraft-Kopplungs-anlagen zur Erzeugung von Wärme und Strom, die sich zurzeit in der Schweiz in Betrieb befinden.

Im ganz grossen Leistungsbereich finden wir die Technologie der Dampfturbine, im mittleren Leistungsbereich funktionieren die meisten Anlagen nach dem ORC-Verfahren, bei welchem anstelle von Wasser ein Thermoöl verdampft wird. Eine Besonderheit der Wärme-Kraft-Kopplung aus Holz besteht darin, dass – je nach Technologie – jeweils nur etwa 10 bis 25% der eingesetzten Energie in Elektrizität umgewandelt werden können, der Rest hingegen als Wärme anfällt. Die einzige Holzvergaseranlage, die zurzeit noch in Betrieb steht, ist diejenige der Genossenkorporation Stans (Holzverstromung Nidwalden). Im Jahr 2007 in Betrieb genommen, ist diese Anlage heute so optimiert, dass im Winter 2011/2012 erstmals ein zufriedenstellender elektrischer Anlagenwirkungsgrad resultierte.

Holzvergasung vor Marktreife

Bei den ganz grossen Kraftwerken auf der Basis der Dampfturbine dürfte das Potenzial zusätzlicher Anlagen zu denjenigen in Basel, Zürich und Bern (Inbetriebnahme 2012) und Domat/Ems relativ beschränkt sein, da solche Anlagen grosse bestehende Wärmenetze erfordern.

Bei den mittleren ORC-Anlagen hingegen zeigen die bestehenden Beispiele, dass ein sinnvoller Betrieb bereits ab einem Wärmeabsatz von vier bis fünf Megawatt liegt. Anlagen dieser Grössenordnung gibt es einige in der Schweiz, und der Zeitpunkt der Sanierung der ersten Kesselgeneration ist jeweils eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Möglichkeit der zukünftigen Stromerzeugung zu prüfen.

Im kleinsten Leistungsbereich gibt es immer mehr Hinweise und Anlagenbeispiele aus dem nahen Ausland (Deutschland, Österreich), welche zeigen, dass die Holzvergasung unmittelbar an der Schwelle zur Marktreife ist. So gibt es Anlagen im Leistungsbereich von 30 bis 150 kWel beziehungsweise 70 bis 300 kWth, die in unseren Nachbarländern bereits seit drei Jahren und mehr im Dauerbetrieb (> 4500 Stunden pro Jahr) funktionieren. Der Vorteil dieser Kleinanlagen ist der, dass die Problematik der Abwärmenutzung aufgrund der absolut viel kleineren Wärmemengen gegenüber Grossanlagen viel kleiner ist. Entscheidend für den definitiven Durchbruch der Vergasertechnologie wird sein, dass die Mittel der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) aufgestockt werden können. Genau in diese Richtung zielt die von Erich von Siebenthal Anfang Jahr im Nationalrat eingereichte Motion. Sie verlangt nämlich eine deutliche Erhöhung des «Waldholzbonus» für Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen aus Waldholz, da diese mit den heutigen Tarifen gegenüber Altholzanlagen nicht mithalten können.

Genügend Holz vorhanden

Holz für eine vermehrte Nutzung zur Erzeugung von Wärme und Strom hat es übrigens noch mehr als genug. Im Schweizer Wald wachsen jedes Jahr zehn Millionen Kubikmeter Holz nach. Das sind pro Tag 27 000 Kubikmeter Holz respektive 75 000 Schüttkubikmeter Holzschnitzel. Davon werden nicht einmal zwei Drittel genutzt.

Die Erfahrungen aus den Regionen mit Grosskraftwerken (Basel, Zürich) haben zudem gezeigt, dass auch nach der Realisierung solcher Grossanlagen immer noch genügend Rohstoff für die nachhaltige Versorgung weiterer Anlagen besteht. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Holzpreis stimmt.

AK

Veröffentlichung: 11. Oktober 2012 / Ausgabe 41/2012

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