Im Geist bleibt er ein Samurai

Tom Minder (62) segelte auf vielen Meeren und blickt trotz Schicksalsschlag nach vorn. Bild: PD

Leute. «Eigentlich wollte ich Veterinär werden», sagt der 62-jährige gelernte Schreiner Tom Minder mit einem Lachen und blickt daheim in Emmetten NW über den Vierwaldstättersee.

Auf ein Studium habe er aber keine Lust gehabt, denn er wollte möglichst schnell unabhängig werden und ausziehen von zu Hause. Minder ist in Reussbühl mit einer Schwester und einem Bruder aufgewachsen. Seine Eltern waren Hauswarte der Kantonsschule. «Mein Vater war Bauschreiner, so lag es nahe, dass ich auch Schreiner wurde.»

«Meine Fähigkeiten als Schreiner konnte ich auf der ganzen Welt gebrauchen.»

Nach der Lehre plante er, nach Australien zu gehen, doch vorerst landete er in Lausanne, wo er in einer Schreinerei arbeitete. «Es war eine interessante Zeit, ich fertigte Möbelstücke für gut betuchte Menschen rund um den Genfersee an.» Doch das Fernweh blieb, und er verliess für fünf Jahre die Schweiz. «Meine Fähigkeiten als Schreiner konnte ich auf der ganzen Welt gebrauchen», sagt er. Unvergesslich bleibt ihm die Zeit in Japan an einem klosterähnlichen Ort, wo er Aikido trainierte und einen Meistergrad machte. «Als kleiner Bub lernte ich Judo und brachte es bis an die Schweizer Meisterschaften, wechselte später aber zu Aikido», sagt Minder. Von Japan aus reiste er durch Südostasien. «In Bali war ich dann zur richtigen Zeit am richtigen Ort, denn ich fand dort einen Platz in der Crew eines älteren Zweimasters unter australischer Flagge.» Dies habe seinem Leben eine neue Richtung gegeben. Seither war er auf vielen Meeren auf Segeljachten und auch Frachtern unterwegs.

«Ich war an Orten, wo man selten westliche Leute trifft.» Dazu gehören die Salomon-Inseln oder Papua-Neuguinea. «In Australien, Neuseeland, Mexiko, Alaska und vielen anderen Orten habe ich meine Brötchen verdient.» Die abenteuerlichen Zeiten habe er in Tagebüchern festgehalten. Mit über 30 schloss Minder dann ein Studium in Informatik ab. Viele Jahre war er anschliessend als Projektleiter in der Informatik tätig. Bei der letzten Firma verantwortete er für rund 14 Jahre die Implementierungen und die Schulungen von Software-Anwendung in den über 100 Niederlassungen der Firma. «So reiste ich immer mit einem bestimmten Ziel, machte Leute glücklich und erleichterte ihnen die Arbeit. Ich brachte Augen in Indien, Arabien und vor allem in Lateinamerika zum Leuchten.» Seit etwas mehr als einem Jahr ist er nun pensioniert. «Ich hatte so viele Pläne, doch es kam anders», sagt er mit Wehmut. Seine Lebenspartnerin wollte mit ihm in den Ruhestand treten. Doch drei Wochen, bevor es so weit war, erhielt sie eine Krebsdiagnose. «Die verbleibenden dreieinhalb Monate konnte ich noch rund um die Uhr bei ihr sein.» Jetzt sei es schwierig, neue Pläne zu machen, aber das Leben müsse weitergehen.

Kraft geben ihm die Berge und das Segeln. «Beim Segeln kann ich abschalten. Du musst ständig hantieren, um vorwärtszukommen; leise mit der Kraft des Windes über das Wasser gleiten.» Im Dojo beim Aikido-Training sei er nicht mehr so viel anzutreffen, aber im Geist bleibe er Samurai. Dem Winter möchte er entfliehen. Südaustralien und Queensland sind ihm eine zweite Heimat geworden. Es gäbe noch so viel zu sehen und zu lernen. Aber das Wichtigste sei, dass er gesund und unabhängig bleiben kann.

Caroline Mohnke

Veröffentlichung: 14. Oktober 2024 / Ausgabe 41/2024

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