Ich sitze, also bin ich

Seine Kurse sieht Schreinermeister und Personal Coach Christian Kusch als handwerkliches und zwischenmenschliches Angebot. Bilder: Sitzen, wie ich will

Schreinerkurse.  «Sitzen, wie ich will»: Unter diesem Titel bietet Schreinermeister Christian Kusch besondere Möbelschreiner-Kurse an. Ziel ist es, seinen ganz persönlichen Stuhl zu erschaffen. Der Weg dorthin ist eine Mischung aus Handwerk, Persönlichkeitsentwicklung und Begegnung.

Ein Stuhl ist ein Stuhl. Es gibt kleinere und grössere, schönere und weniger schöne, bequemere und weniger bequeme. Doch im Endeffekt sind sie alle eines – eine Sitzgelegenheit. Nicht mehr und nicht weniger. So sieht das zumindest der Stuhl-Laie. Für Möbelschreiner Christian Kusch ist ein Stuhl derweil noch viel mehr. «Auf den Stuhl setzen wir uns bewusst hin», beginnt der Fachmann seine Stuhl-Philosophie. Egal ob in einem Café, einem Restaurant oder bei Freunden, man wähle stets ganz bewusst einen passenden, behaglichen Platz. Kein anderes Möbelstück sei uns körperlich näher als der Stuhl. «Weshalb sollten wir dann nicht auch bewusst unseren ganz besonderen, individuellen Stuhl selber bauen, einen Stuhl, in dem wir tatsächlich sitzen, wie wir wollen?», fragt Kusch rhetorisch und hat somit auch gleich in wenigen Sätzen sein Kursangebot beschrieben. Denn unter dem Titel «Sitzen, wie ich will» bietet er Interessierten genau das an – die Möglichkeit, ihren ganz eigenen, individuellen Stuhl herzustellen. Das – und noch vieles mehr.

An sich selber bauen

Das Kursangebot «Sitzen, wie ich will» richte sich an die unterschiedlichsten Menschen, erklärt Kusch. Handwerkliche Vorkenntnisse benötige es dabei nicht. Im Gegenteil. «Eigentlich ist es umso besser, je weniger handwerkliche Vorkenntnisse vorhanden sind», sagt der Schreinermeister, der zudem auch noch diplomierter Arbeitsagoge und Personal Coach ist. Denn so kommen die Teilnehmer wie unbeschriebene Blätter zu ihm und können der Fantasie dementsprechend komplett freien Lauf lassen. Das gefällt Kusch besonders.

Freien Lauf lässt der 49-Jährige in seinen Kursen, die jeweils in seiner Werkstatt im basel-landschaftlichen Oberwil stattfinden, auch den Gesprächen zwischen ihm und den Kursteilnehmern – wenn es denn gewünscht ist. Denn für Kusch ist «Sitzen, wie ich will» nicht bloss ein rein handwerkliches, sondern eben auch ein zwischenmenschliches Angebot. «Zu mir kommen zum Beispiel auch Leute nach einem Burnout oder nach einer Depression», erklärt er. Leute, die durch die handwerkliche Arbeit und durch die Gespräche wieder näher zu sich selbst finden können. Denn genau das sei sein eigentliches Ziel mit seinem Angebot. Ganz nach dem Kursmotto: «Bauen wir bewusst unseren eigenen Stuhl, bauen wir auch an uns selber.» Dementsprechend persönlich und emotional sind denn auch die Rückmeldungen, die Kusch von den Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern erhält. «Mit dem Stuhlbauen ist auch mein Rückgrat gewachsen», lässt zum Beispiel Carola auf der Kurs-Homepage wissen. Claudia wiederum hält fest, dass «die Arbeit an meinem eigenen Stuhl mich vieles aus einem anderen Blickwinkel erkennen und sehen lässt».

«Legospiel für Erwachsene»

Kusch selber hat im Laufe seines Lebens schon an so manchem Möbelstück gebaut – und natürlich auch immer wieder an sich selber, wie er lachend verrät. Dass es ihn eines Tages in Richtung Schreinerhandwerk ziehen würde, war für ihn schon früh klar. «Als kleiner Junge liebte ich das Legospielen und die schier endlosen Möglichkeiten, die es bot», erinnert er sich. Und die Schreinerei sei für ihn, in ihrer ganzen Vielseitigkeit, so etwas wie ein «Legospiel für Erwachsene». Ohnehin ist Vielseitigkeit ein ganz zentraler Aspekt in seinem Berufsleben. So arbeitete der gebürtige Deutsche zehn Jahre in Freiburg im Breisgau als selbstständiger Möbelschreiner und Möbeldesigner, sammelte später über elf Jahre Erfahrungen als Werklehrer und Arbeitsagoge mit Jugendlichen in verschiedenen Schulen in Freiburg, Zürich und Basel und begann später auch noch als Personal Coach zu arbeiten. All diese gesammelten Erfahrungen und Eindrücke kann er nun in sein Kursangebot mit einfliessen lassen.

«Leidenschaftlicher Möbelschreiner»

Noch befindet sich das, seit gut einem Jahr bestehende, «Sitzen, wie ich will»-Angebot in der Anfangs- und, wie es Kusch selber formuliert, Findungsphase. Die Nachfrage nach dem handwerklich-persönlichkeitsentwickelnden Erlebnis ist derweil schon recht hoch. Eine Nachfrage, die in Zukunft wohl noch steigen wird. Denn seit diesem Sommer kann das Angebot auch über die Klubschule Migros gebucht werden. «Das ist natürlich fantastisch», sagt Kusch glücklich. Aber trotzdem. Auch wenn die Zahl der Kursbesucher in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren immer weiter in die Höhe steigen sollte, seine Arbeit als Kundenmöbelschreiner will Kusch nicht aufgeben. «Ich bin leidenschaftlicher Möbelschreiner», sagt er. Er geniesse ganz einfach die Abwechslung und die damit verbundene Spannung, die ihm seine Arbeitswelt bereithalte. Und als Teil einer Patchworkfamilie mit fünf Kindern dürfte es ihm wohl auch in der privaten Welt nicht langweilig werden.

Informationen zum Kurs

In 90 Stunden zum eigenen Stuhl

Für das Designen, Planen und Bauen eines eigenen Stuhles, begleitet von einem persönlichen Coaching, rechnet Christian Kusch jeweils mit rund 90 Stunden Arbeitsaufwand. Diesen Zeitraum können die Kursteilnehmer flexibel und individuell nach ihren jeweiligen Möglichkeiten gestalten: ganztags, halbtags oder stundenweise. Gearbeitet wird in den «Sitzen, wie ich will»-Kursen grundsätzlich mit Multiplexplatten aus Birke oder Buche, die beliebig zu einer Stuhlskulptur verleimt werden können. In dieser Bauweise können auch handwerklich eher wenig vorgebildete Menschen der Komplexität eines Stuhles Ausdruck geben. Laut Kusch ist es auch möglich, im Rahmen des Kurses einen Stuhl aus Massivholz zu bauen. Das sei jedoch zeitlich aufwendiger und je nach Holz- art etwas teurer. Die Kurskosten können im unentgeltlichen Erstgespräch individuell angefragt werden.

www.sitzen-wieichwill.ch

fb

Veröffentlichung: 25. August 2016 / Ausgabe 34/2016

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