Hindernisse überwinden

Bilder: SZ, Monika Hurni

Kurs für Küchenbauer.  Um eine Küche den Bedürfnissen behinderter Menschen anzupassen, sollte sich der Schreiner in deren Situation einfühlen können. Zu diesem Zweck hat Küche Schweiz im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil LU einen Sensibilisierungskurs angeboten.

17 Jahre ist es her, seit sich das Leben von Harry Suter schlagartig verändert hat. Bei einem Autounfall verletzt er sich so schwer, dass er für den Rest seines Lebens im Rollstuhl sitzt. Heute ist Suter 44 Jahre alt und als Sozialarbeiter im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil tätig, wo am Dienstag vergangener Woche auch der Sensibilisierungkurs des Branchenverbandes Küche Schweiz stattfand. In einem kurzen Vortrag gewährte Suter den neun in der Küchenbranche tätigen Kursteilnehmenden einen Einblick in seinen Alltag.

Danach wurden die praktischen Fertigkeiten der Küchenspezialisten für einmal auf eine etwas andere Art getestet. Im Rollstuhl sitzend, erkannten sie rasch, wie viele Hindernisse es für Menschen mit einer Gehbehinderung im Alltag zu überwinden gilt. «Sie als Fussgänger dürfen Sport machen, wenn Sie Lust dazu haben», erklärte Suter, «wir im Rollstuhl müssen Sport machen, um unseren Körper zu stärken und ein aktives Leben führen zu können.»

Jeder Fehler ist ein Kapitalfehler

«Wenn Ihnen bei der Küchenplanung ein Fehler unterläuft, dann ist das für die Kunden ärgerlich, aber sie gewöhnen sich irgendwann an den veränderten Arbeitsablauf, Menschen mit einem Handicap gewöhnen sich nie daran», sagte Marlies Segenreich, die seit über zehn Jahren in der Küchenbranche tätig ist und sich intensiv mit dem Thema des hindernisfreien Küchenbaus befasst hat. Während sich die Kursteilnehmenden mit Rollstuhl, Rollator und Krücken in der Küche einer behindertengerechten Wohnung des Paraplegiker-Zentrums bewegen, wird schnell klar, worauf sich die Aussage der Küchenexpertin stützt. Denn wie soll man, im Rollstuhl sitzend, beispielsweise eine Pfanne mit kochendem Wasser vom Herd zur Spüle bringen, wenn diese nicht über die Abdeckung geschoben werden kann?

Aus den Augen, aus dem Sinn

Mit ganz anderen Problemen hat Manuela Emmenegger im Alltag zu kämpfen. Bei der Operation eines Hirntumors wird ihr Sehnerv verletzt und seither ist ihr Gesichtsfeld stark eingeschränkt. «Was auf meiner linken Seite geschieht, kann ich optisch nicht wahrnehmen», erklärt sie. Und mehr noch: «Alles was links von mir geschieht, ist nicht nur aus den Augen, sondern auch aus dem Sinn.» So müsse sie beispielsweise Oberschränke in der Küche bewusst schliessen, um später nicht dagegen zu laufen.

Diese Einschränkungen führen bei Emmenegger nicht nur zu einer erhöhten Stressbelastung, sondern auch zu ständiger Erklärungsnot ihren Mitmenschen gegenüber.

Ein klein wenig können sich die Kursteilnehmenden in ihre Situation einfühlen, indem sie in den «Age Explorer», den von Blum zur Verfügung gestellten Alterssimulationsanzug, schlüpfen und versuchen sich in der Küche zurechtzufinden. Gar nicht so einfach mit getrübtem Seh- und Hörvermögen, eingeschränktem Gesichtsfeld, Gewichten im Anzug, steifen Gelenken und Handschuhen. Und doch einfach – denn es besteht weder Zeitdruck, noch braucht man sich bei den Mitmenschen zu rechtfertigen, und der Anzug ist bei Bedarf schnell wieder ausgezogen.

mh

Veröffentlichung: 24. September 2015 / Ausgabe 39/2015

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