Die Anwärter auf das Präsidium des Zentralvorstands (ZV) sind keine Unbekannten. Christian Kälin, Inhaber der Kälin Holztechnik AG in Trachslau SZ, Alt-Kantonsrat und ehemaliger Parteipräsident, ist seit 2022 Mitglied des ZV. Der 48-Jährige ist Vizepräsident der ZPK, Vorsitzender der GAV Verhandlungsdelegation und Delegierter von Bauen Schweiz. Neben der Familie mit vier Kindern findet er den Ausgleich als Mitglied des Schützenvereins. Zu seinen weiteren Hobbys gehören Reisen und Wandern.
Jürg Rothenbühler, Inhaber der Schreinerei Rothenbühler AG in Zollbrück BE, war 2006 bis 2018 bereits Mitglied des ZV. Der 53-Jährige ist Grossrat, hat aktuell das Präsidium der Berner VSSM-Sektion und der Lignum Holzwirtschaft Bern inne. Daneben ist er Vizepräsident von Swiss Label. Den Ausgleich findet der Vater zweier Kinder neben der Familie in der Musik. Er spielt mehrere Blasinstrumente.
- Schreinerzeitung: Was ist Ihre Motivation für die Kandidatur als ZV-Präsident?
- Jürg Rothenbühler: Ich bin tatsächlich von aussen her angefragt worden und habe mir gut überlegt, ob ich es machen will. Das Präsidium war bereits zu meiner Zeit im Zentralvorstand ein Thema, aber damals war dies zeitlich noch nicht möglich. Der Hauptgrund für die jetzige Kandidatur ist, eine Aussensicht in das Gremium zu bringen. Ich bin gut vernetzt. Der Verband macht sehr vieles sehr gut, aber manchmal bringt er die PS nicht auf den Boden. Das liegt an Kleinigkeiten, so hapert es manchmal mit der Kommunikation. Die Sichtbarkeit des Verbands und der Schreiner sind zentral. Der Verband sollte wieder vielmehr Dienstleister sein und weniger verwalten. Man sollte sich immer die Frage stellen: Warum kann man etwas nicht machen? Die Dinge an die Hand nehmen und hartnäckig sein.
- Christian Kälin: Ich habe ein hölziges Herz, und deshalb ist es mir viel wert, Zeit zu investieren, um den Schreinerberuf auf das Schild zu heben, das er verdient. Ich sehe noch ein Riesenpotenzial bei meiner Arbeit im ZV. Der Verband ist sehr gut organisiert und hat tolle Strukturen. Nun gilt es, dranzubleiben und weiterhin wertvolle Seilschaften zu bilden. Dazu gehört auch eine bessere Verknüpfung mit dem Innenausbaugewerbe. Im ZV herrscht eine gute Diskussionskultur. Ich hinterfrage Entscheide kritisch. Beschlüsse, die gefällt werden müssen, sollten möglichst einfach in die Sektionen getragen werden. Wir können noch so gute Angebote und Dienstleistungen haben, noch so gute Kampagnen machen, doch wenn diese die Sektionen und Schreinerbetriebe nicht erreichen, geht die Wirkung verloren. Der Verband muss sich auch politisch mehr einbringen, um einer der stärksten Branchenverbände zu bleiben.
- Schreinerzeitung: Sie haben beide die Kommunikation angesprochen. Was muss der Verband tun, um seine Mitglieder besser zu erreichen?
- Christian Kälin: Es sollte nur einen Kanal geben, nicht verschiedene Kanäle.
- Jürg Rothenbühler: Da bin ich anderer Meinung. Kommunikation funktioniert nicht nur auf einem Kanal. Man muss von oben nach unten, vor allem aber auch von unten nach oben kommunizieren. Dazu muss man auf die Piste gehen und mit Leuten reden. Es braucht viele unterschiedliche Kanäle, wie Social Media, die Schreinerzeitung oder Kreisschreiben. Wichtig ist, dass man adressatengerecht kommuniziert.
- Christian Kälin: Mit einem Kanal wollte ich ausdrücken, dass wir die Kommunikation auf eine klare Linie bringen müssen. Der Weg muss klar sein. Dafür muss man sich mit den Sektionen darüber einigen, wer was kommuniziert. Es ist wichtig, in die Sektionen und Betriebe rauszugehen, zuzuhören und sich die Frage zu stellen, womit man wen abholt. So können Zielgruppen definiert werden.
- Schreinerzeitung: Welches Thema ist für den Verband und die gesamte Schreinerbranche zentral?
- Jürg Rothenbühler: Aus- und Weiterbildung sind das A und O. Die müssen stets dem Zeitgeist angepasst werden, wie das mit der Revision der Grundbildung gerade geschieht. Die Weiterbildungsinstitute sollten nicht zu viele Vorgaben haben, wie sie die Inhalte aus dem Bildungsplan vermitteln, nur dass sie es tun. Wer das beste Wissen vermittelt, soll erfolgreich sein.
- Christian Kälin: Ja, die Berufsbildung ist ein zentraler Punkt. Die Berufslehre soll den selben Stellenwert haben wie ein Studium, also dem Bachelor gleichgestellt sein. Es ist extrem wichtig, den Schreinerberuf stärker zu bewerben und potenzielle Lernende sowie Quereinsteigende dafür zu begeistern. Ein gutes Mittel dafür ist die Dachkampagne, welche wir gerade neu lanciert haben (siehe SZ 15, Seite 22, Anm. der Redaktion). Sie hat ein Riesenpotenzial, vor allem dann, wenn sie von den Sektionen und Betrieben mitgetragen wird und der Funke überspringt.
- Schreinerzeitung: Wie können Schulabgängerinnen und -abgänger für den Schreinerberuf gewonnen werden?
- Christian Kälin: Stetig den Beruf bewerben. Steter Tropfen höhlt den Stein. Der Hinterste und Letzte muss wissen, was ein Schreiner macht. Ich höre oft: «Was, das macht ihr auch noch?» Wir müssen die Influencer abholen. Das habe ich als Jungschützenleiter gesehen, wenn du die Meinungsbildner erwischt, dann folgen auch die anderen. Wir müssen das Mindset vermitteln, dass eine Berufslehre nicht nur eine Berufslehre ist.
- Jürg Rothenbühler: Ich schreibe mir jedes Mal die Namen auf, wenn ein Baby zur Welt kommt, sodass ich mich dann fünf Jahre später melden kann. Nein, im Ernst, wir müssen Türklinken putzen, die Eltern ins Boot holen, die Schulen informieren, den Betrieb aufmachen, Lernende erzählen lassen. Ausserdem sollte die Qualität der Lehrbetriebe geprüft werden; man sollte Sterne wie bei Restaurants vergeben können, denn schlechte Lehrbetriebe schaden dem Ruf.
- Schreinerzeitung: Und was ist notwendig, um die ausgebildeten Schreinerinnen und Schreiner in der Branche zu halten?
- Jürg Rothenbühler: Als Verband können wir die Voraussetzungen schaffen, aber dann liegt es an den Betrieben, sie umzusetzen. Ich kenne Betriebe, die hätten gerne noch ein Horn, zur Znüni- oder Mittagspause. Die Zufriedenheit im Beruf hat nicht nur mit Lohn zu tun, sondern in einem hohen Mass mit Flexibilität. Da blockiert uns der GAV und bringt unsere Branche nicht mehr weiter. Ich habe immer eine grösstmögliche Flexibilität ermöglicht, im Wissen, dass ich mich damit in eine Grauzone bewege, gemäss GAV. Es kann nicht sein, dass ich wegen jedem kleinsten Ding, das ich den Mitarbeitenden zuliebe tue, ein Gesuch einreichen muss und noch Auflagen bekomme. Christian Kälin: Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, nicht zu viel Bürokratie, nicht den eigenen Ast absägen. Möglichkeiten geben, um sich im Betrieb weiterzuentwickeln, so bleiben die Mitarbeitenden auch. Man muss Sorge tragen zu den Leuten. Auch den geselligen Teil leben, denn dort finden die guten Gespräche statt, und wo es einem wohl ist, dort performt man auch besser.
- Schreinerzeitung: Mit dem GAV ist ein wichtiges Stichwort gefallen. Was braucht der neue GAV?
- Christian Kälin: Als Zentralvorstandsmitglied leite ich zurzeit die Verhandlungen für den neuen GAV. Dieses Amt wollte ich unbedingt, um möglichst gute Rahmenbedingungen aushandeln zu können. Der aktuelle GAV ist ein Unding. Es ist unmöglich, ihn zu lesen. Die Gewerkschaften handeln, als wären wir noch im Zeitalter der Industrialisierung, wo alle am Fliessband stehen und schlechte Arbeitsbedingungen haben. Wir Arbeitgeber stehen oft mehr für unsere Mitarbeitenden ein als die Gewerkschaften. Unternehmer können es sich nicht leisten, die Mitarbeitenden über den Tisch zu ziehen. Die Schwierigkeit besteht darin, alles unter einen Hut zu bringen, wie verschiedene Betriebsgrössen und Regionen. Ein riesiges Thema ist auch die Flexibilisierung.
- Jürg Rothenbühler: Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir den GAV noch brauchen, wir haben ganz viel im Arbeitsrecht und im Obligationenrecht geregelt. Ich persönlich bin der Meinung, wir brauchen ihn, kleinere Betriebe brauchen ihn. Grössere brauchen ihn nicht mehr, und es wird unsere Herausforderung sein, diese bei der Stange zu halten. Der GAV muss einfach, modern und zeitgemäss sein. Da müssen wir uns auch die Frage stellen, ob wir mit den richtigen Sozialpartnern am Tisch sitzen.
- Schreinerzeitung: Da spielen ja auch viele politische Themen mit rein. Müsste der Verband auch politisch aktiv sein?
- Jürg Rothenbühler: Ja, auf jeden Fall, auch wenn man sich da mal zum Fenster rauslehnen muss. Wir müssen Sorge tragen zum Werkplatz Schweiz; wir verlieren immer mehr Schreinereien, und es wird immer mehr im Ausland produziert; da geht Wertschöpfung verloren.
- Christian Kälin: Unbedingt. Der Verband muss Sachpolitik machen und für die Branche einstehen. Wir haben zu wenig Exponenten aus der Branche in der Politik.
- Schreinerzeitung: Ein grosses Thema ist die Flexibilisierung. In welchen Bereichen sehen Sie da besonderen Bedarf?
- Christian Kälin: Es ist ein absolutes Muss, die Rahmenbedingungen an den Zeitgeist anzupassen. Es müssen viele unterschiedliche Arbeitsstrukturen möglich sein, damit die Leute in der Branche bleiben. Da gehört sicher die Teilzeitarbeit dazu, aber auch beispielsweise die Viertagewoche. Darum kämpfen wir aktuell auch bei den GAV-Verhandlungen. Wichtig wäre es, die Regeln über die Abend- und Nachtzulagen anzupassen. Es kann nicht sein, dass ein Mitarbeiter gerne den Nachmittag mit seinen Kindern verbringen möchte und deshalb am Abend arbeitet und dies dann zulasten des Arbeitgebers geht. Dabei geht es nicht darum, dass die Arbeitgeber keine Zuschläge zahlen wollen, aber eben nur dann, wenn er die Abend- oder Nachtarbeit angeordnet hat.
- Jürg Rothenbühler: Das sehe ich auch so. Es kann aber nicht sein, dass dies immer auf Kosten der Unternehmer geht. Wir müssen die Freiheit haben, mit den Mitarbeitenden ein Reglement zu erstellen, das für beide Seiten passt. Oft haben die Mitarbeitenden Wünsche, welchen wir als Unternehmer laut GAV nicht entsprechen können. So möchten einige ein Teilzeitpensum in vier Tagen unterbringen, doch laut GAV hat er dann zu viele Stunden an einem Tag. Da braucht es ein Umdenken, wenn wir als Branche attraktiv bleiben wollen. Je mehr Freiheiten wir unseren Mitarbeitenden bieten können, desto attraktiver werden wir als Arbeitgeber. Da gehört ganz klar auch die Teilzeitarbeit dazu.
- Schreinerzeitung: Wenn Sie nach Ihrer allfälligen Amtszeit als Zentralpräsident zurückschauen, wo soll der Verband dann stehen?
- Jürg Rothenbühler: Ich sehe den Verband in Zukunft nicht so als klassischen, sondern als modernen Verband, der auch die fortschrittlichen Mittel nutzt. Er soll agil sein, sich stetig weiterentwickeln und keine «Spinnhuppele» ansetzen. Zufrieden wäre ich, wenn ich die Fluktuation aus der Branche wegbringen könnte.
- Christian Kälin: Ich wäre zufrieden, wenn der Schreinerberuf seinen guten Ruf behält und einer der beliebtesten Berufe bleibt. Der Verband muss stark auftreten. Wir müssen uns stetig messen, justieren und dem Zeitgeist anpassen. Dazu gehört auch, zu wissen, was die Branche bewegt.
- Schreinerzeitung: Apropos Zeitgeist: Ist künstliche Intelligenz eine Chance oder eine Gefahr für den Schreinerberuf?
- Jürg Rothenbühler: Eine Chance. Natürlich sehe ich auch Gefahren. Dies aber nicht unbedingt in der Schreinerbranche, sondern in der Welt, in Bezug auf Fehlinformationen. Für Unternehmen sehe ich die KI als gutes Instrument, gerade auch in einem Hochpreisland wie der Schweiz. Damit sollen Prozesse erleichtert und keine Mitarbeitenden abgeschafft werden. Diese Ängste haben sich ja auch bei der Einführung der CNC-Maschinen nicht bewahrheitet.
- Christian Kälin: Wie jede Neuentwicklung hat auch die KI ihre Chancen und Gefahren. Man sollte aber jede Chance packen. KI kann einem Betrieb einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen. Wichtig ist es, genau hinzuschauen, wie die Gesellschaft damit umgeht.
- Schreinerzeitung: Und zum Abschluss: Welche Eigenschaften zeichnen Sie aus?
- Jürg Rothenbühler: Ich bin ein Machertyp.Wenn ich etwas sage, dann mache ich es auch. Ich habe viele Ideen, kann zuhören, bin geerdet, ruhig, hartnäckig, geduldig und gesellig.
- Christian Kälin: Ich bin ein grundpositiver, freundlicher Mensch, ausgeglichen, unvoreingenommen, offen, ehrgeizig, oft aber auch ein stiller Beobachter. Ein Vollblutunternehmer mit Schreinerherz. Wenn ich etwas anfange, mache ich es fertig.
www.vssm.ch
Zwei unterschiedliche Prozedere
Sollte Christian Kälin zum Präsidenten gewählt werden, so entsteht im ZV eine Vakanz. Deshalb wird an der Delegiertenversammlung bereits ein neues Mitglied für den Zentralvorstand gewählt. Diese Person wird ihr Amt dann je nach Ausgang der Wahl per sofort oder erst in einem Jahr, zu Beginn der neuen Amtsperiode antreten. Die Amtsperiode im Zentralvorstand beträgt vier Jahre. Die nächsten Gesamterneuerungswahlen stehen somit 2026 an. Die Wählbarkeit der ZV-Mitglieder ist auf zwölf zusammenhängende Amtsjahre beschränkt. Die Amtszeit des Zentralpräsidenten beträgt grundsätzlich, einschliesslich dessen Amtsjahre als Mitglied des Zentralvorstands, 16 zusammenhängende Amtsjahre. Er ist jedoch ab seiner ersten Wahl zum Zentralpräsidenten für zwei volle Amtsperioden oder wenigstens acht Amtsjahre wählbar.
Monika Hurni, MH
Veröffentlichung: 24. April 2025 / Ausgabe 17/2025