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Schreinerlernende unterstehen nicht dem Gesamtarbeitsvertrag, sondern dem Obligationenrecht. Im Bild der Artikel zum Lehrvertrag. Bild: Nicole D’Orazio
Schreinerlernende unterstehen nicht dem Gesamtarbeitsvertrag, sondern dem Obligationenrecht. Im Bild der Artikel zum Lehrvertrag. Bild: Nicole D’Orazio
Wer bezahlt die persönliche Schutzausrüstung? Übernimmt der Lehrbetrieb die Kosten für die überbetrieblichen Kurse? Was passiert bei einem Schaden? Ein Überblick über die Rechte und Pflichten von Lernenden.
Im Betrieb läuft es so gut, dass der Vorgesetzte für alle Mitarbeitenden Überstunden einfordert. Abends soll länger und auch am Samstag gearbeitet werden. Die Lernenden sollen ebenfalls einen Mehreinsatz leisten. Eine angehende Schreinerin ist sich aber nicht sicher, ob das rechtens ist, und fragt beim Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) nach. Christof Burkard, Jurist beim VSSM, geht auf die verschiedenen rechtlichen Fragen ein und erklärt: «Jugendliche bis 16 Jahre dürfen keine Überstunden leisten und dürfen somit nicht dazu verknurrt werden, egal ob am Abend oder am Wochenende.»
Etwas anders ist es bei Jugendlichen bis 18 Jahre: Diese können innerhalb der Tagesarbeitszeit ab 6 Uhr sowie in der Abendarbeitszeit bis 22 Uhr zu Mehrzeit verpflichtet werden. Allerdings darf dabei die höchstzulässige Arbeitszeit von neun Stunden für Unter-18-Jährige nicht überschritten werden. Wichtig ist auch, dass dabei die minimale Ruhezeit von zwölf Stunden eingehalten wird. «Kommt es also einmal zu Überstunden, dürfen diese aber nur im Rahmen des Zumutbaren angeordnet werden.» Das gilt zum Beispiel zur Bewältigung ausserordentlicher Arbeiten, saisonbedingter Überlastung sowie bei unvorhergesehenen Ereignissen und zur Abwehr von Schäden.
«Sind Überstunden von Lernenden geleistet worden, müssen diese natürlich entschädigt werden», sagt Burkard. «Wir empfehlen die gesetzlich vorgesehene Kompensation mit zusätzlicher Freizeit im gleichen zeitlichen Ausmass innerhalb der nächsten 14 Wochen.» Falls das nicht möglich ist, könne der Lehrbetrieb die Überstunden auch auszahlen, dies allerdings mit einem Zuschlag von 25 Prozent.»
Und wie sieht es mit Arbeit am Samstag aus? «Die reguläre Arbeitszeit für Lernende bis 18 Jahre ist von Montag bis Freitag. Der Samstag ist für sie kein Arbeitstag», sagt der Jurist. Allerdings gibt es immer wieder Lernende, die in ihrer Freizeit im Betrieb für die Teilprüfung üben. «Ausnahmsweise kann eine Lernende oder ein Lernender freiwillig trainieren.» Es sei dann aber Pflicht, dass eine ausgelernte Betreuungsperson anwesend ist und die Lernenden überwacht werden. «Speziell beim Bedienen der Maschinen», betont Burkard. Im Allgemeinen sei es aber so, dass die betriebliche Bildung, dazu zählt zum Beispiel Nachhilfe im Lehrbetrieb, in die vertraglich geregelte Arbeitszeit gehören, also werktags stattfinden sollte.
«Gibt es zum Beispiel einmal einen Ausbildungsabend, muss dieser natürlich an die Arbeitszeit angerechnet werden.» Das gilt jedoch nicht, wenn jemand freiwillig eine Lernveranstaltung besucht oder Nachhilfe bei Ausbildungslücken nötig ist, die der oder die Lernende selbst verschuldet hat. «Nicht zulässig sind jedoch Strafarbeiten, Sanktionen oder Versäumnisse, die durch den Berufsbildenden verursacht wurden und aufgeholt werden müssen.» Bezüglich Sanktionen möchte er anfügen: «Wird jemandem als Strafe Arbeitszeit abgezogen, ist das rechtswidrig. Das darf man nicht.»
Eine Frage, die Burkard immer wieder gestellt wird, ist die nach dem Ferienanspruch. «Schreinerlernende sind nicht dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt, sondern für sie gilt das Obligationenrecht (OR). Dort ist der Ferienanspruch mit mindestens 25 Tagen geregelt», erklärt er. «Wenn der Lehrbetrieb grosszügiger sein möchte, geht das natürlich immer.» Das bedeutet allgemein, dass sich Lehrverträge ans OR und nicht an den GAV halten müssen.
Der Jurist hat auch schon Anfragen erhalten, weil einem Lernenden Minusstunden berechnet wurden, weil er längere Zeit krankgeschrieben war. «Aus einer krankheits- oder unfallbedingten Absenz entstehen nie Minusstunden», betont er. Ist eine oder ein Lernender krankgeschrieben und deswegen arbeitsunfähig, handelt es sich um eine unverschuldete Absenz am Arbeitsplatz. Nach OR (Artikel 324a) ist der Lohn für eine gewisse Zeit zu 100 Prozent geschuldet. Andere Vereinbarungen im Lehrvertrag, zum Beispiel der Einbezug des Lernenden in die kollektive Krankentaggeldversicherung des Betriebes, sind möglich.
Eine wiederkehrende rechtliche Frage ist die nach der Kostenübernahme der persönlichen Schutzausrüstung (PSA). «Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass der Arbeitgeber den Angestellten die PSA zur Verfügung stellen und damit auch die Kosten übernehmen muss», sagt Melanie Burri, Projektleiterin Grundbildung beim VSSM. Zur allgemeinen Schutzausrüstung gehören gemäss Suva in der Regel Gehörschutz, Schutzbrille, Schutzschuhe, Atemschutzmaske für Oberflächenbehandlung und Schutzhandschuhe. Bei Bedarf und je nach Gefährdung kommen hinzu: Staubmasken, Schutzhelm und Schutzkleidung wie Leuchtwesten. Was die Arbeitskleidung und das Werkzeug angeht, ist ebenfalls der Lehrbetrieb in der Pflicht.
Der Arbeitgeber ist auch in der Zahlpflicht, wenn es um die überbetrieblichen Kurse (üK) geht. «Bei uns melden sich immer wieder Kursleiter, die sich darüber beklagen, dass die Lernenden nicht mit vollständiger Ausrüstung in die Kurse kommen. Zum Beispiel, dass beim Lackieren nicht alle eine Schutzmaske mit Aktivkohlefilter dabei hätten», sagt sie. Das sei natürlich schade und ärgerlich, weil in den üKs die Anwendung der Schutzausrüstung zur Arbeitssicherheit und zum Schutz der Gesundheit korrekt erlernt und angewendet werden soll. Wegen der Kursbesuche dürfen keine zusätzlichen Kosten die Lernenden belasten. Solche, das wären zum Beispiel Fahr- oder Verpflegungskosten, müssen die Lehrbetriebe übernehmen.
Was aber, wenn ein Teil der PSA kaputt oder verloren geht? «Ist dies nicht grobfahrlässig passiert, sollte der Lehrbetrieb für den Ersatz aufkommen.» Diese Kostenübernahme gelte allerdings nicht für alles rund um die Berufsschule, betont Melanie Burri. «Dort sind die Lernenden beziehungsweise die Eltern in der Pflicht.» Ausser es wurde im Lehrvertrag anders geregelt, zum Beispiel bei den Kosten für Lehrmittel.
Wie sieht es mit Spesen aus? «Wenn ein Lernender vom Betrieb zum Beispiel mit dem Töffli oder mit dem persönlichen Auto auf eine Baustelle geschickt wird, muss er dafür Fahrspesen zahlen. Auch für die Verpflegung, wenn eine Rückkehr über Mittag nicht möglich ist», beschreibt Jurist Christof Burkard. Arbeitet die oder der Lernende hingegen im Betrieb, ist sie oder er selber für den Zmittag verantwortlich.
Es passiert leider immer wieder. Bei der Arbeit geht etwas schief, und es entsteht Sachschaden. Oder auf der Baustelle fährt jemand rückwärts in eine Mauer, und es gibt eine Beule. Wer haftet dafür? «Häufig geht es bei Sachschäden um Autounfälle», erzählt der Jurist. Das OR (Artikel 321e) erlaubt dem Arbeitgeber, dem Angestellten für vorsätzliche Schäden die ganzen Kosten zu übertragen. Zum Beispiel wenn jemand mit voller Absicht etwas kaputt macht.
Für normale Unfälle gibt es hingegen drei Kriterien: Hat der Arbeitgeber die Fähigkeiten des Angestellten gekannt? Ist die Person gut instruiert worden? Wie häufig kommen Schäden vor? «Eine Grundregel besagt, dass dem Arbeitnehmenden nicht mehr als die Hälfte der Kosten übertragen werden dürfen. Bei Lernenden noch weniger. Es kann aber sein, dass man wirklich etwas bezahlen muss.» In der Regel übernimmt der Lehrbetrieb jedoch die Kosten, denn eine auszubildende Person stehe ja im Lehrverhältnis, und da seien Schäden nicht auszuschliessen. «Ich empfehle aber jeder und jedem, den Versicherungsschutz zu prüfen.»
Smartphones sind ein treuer Begleiter. Darf man aber auch während der Arbeit draufschauen oder eine Nachricht beantworten? «Der Lehrbetrieb darf die persönliche Nutzung während der Arbeitszeit verbieten. Wenn aber erwartet wird, dass ein Lernender während der Montage auf dem Handy erreichbar ist, geht das natürlich nicht.» Als Auszubildender sollte man sich allgemein besser auf die Arbeit konzentrieren und das Smartphone nur in den Pausen hervornehmen und sich nicht ablenken lassen.
Wenn jemand raucht und oft rausgeht, kann es sein, dass der Arbeitgeber verlangt, dafür auszustempeln. «Das wäre korrekt. Auch darf innerhalb der allgemein zugänglichen Räume wegen des Nichtraucherschutzes nicht geraucht werden», sagt der Jurist. Und wenn eine Jugendliche oder ein Jugendlicher angetrunken zur Arbeit kommt, muss er oder sie damit rechnen, nach Hause geschickt zu werden. «Die vorgesetzte Person muss wegen ihrer arbeitgeberischen Fürsorgepflicht sofort reagieren. Das Gleiche gilt, wenn jemand bekifft ist. «Nicht zulässig ist jedoch, wenn der Lehrbetrieb systematisch Urintests fordert. Lieber lässt man es gar nicht so weit kommen. Lernende haben auch eine Verantwortung», sagt Burkard.
Veröffentlichung: 07. November 2024 / Ausgabe 43/2024
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