Herstellung von Klangholz


öhe., Bild: Abcmedia, fotolia.com
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Geigenbau aus Pilzholz. Die Empa hat 2009 für Furore in der Musikwelt gesorgt: Eine Geige aus Holz, welche die Forscher mit Pilzen behandelt hatten, übertraf in einem Blindtest den Klang einer Stradivari. Das Projekt «Pilzgeige» wird nun fortgesetzt.
In Europa sind Streichinstrumente seit dem Mittelalter bekannt. Aus der damaligen Fidel der Minnesänger entwickelten sich im 15. Jahrhundert die Gamben und die Violenfamilie. Wer die Violine erfunden hat, ist nicht bekannt. Ihre bis heute praktisch unveränderte Form ist seit etwa 1540 gebräuchlich und stammt aus Oberitalien, wo der Geigenbau während des 16. Jahrhunderts einen grossen Aufschwung erlebte. Andrea Amati gründete seine berühmte Geigenbauschule im Cremona. Nach Amatis Tod im Jahr 1580 erlangte die Kunst des Geigenbaus durch seine Nachfolger und Schüler eine Meisterschaft, die bis heute unübertroffen bleibt. Zu den bekanntesten zählen Antonio Stradivari und Giuseppe Guarneri, für deren Geigen Liebhaber heute Preise in Millionenhöhe bezahlen. Diese Beträge werden oft nicht für das Musikinstrument, sondern für die Antiquität bezahlt. Die Zeit zwischen 1550 und 1750 war also die Blütezeit des Geigenbaus. Was nachher folgte, hatte den Charakter des Nachvollziehenden. In der Folge verbreitete sich der Geigenbau in ganz Europa. Es entstanden verschiedene Zentren, aus denen namhafte Geigenbauer hervorgingen.
Es gibt bis heute kein Rezept, wie eine klangschöne Geige zu bauen ist. Obwohl Wissenschafter versuchen, den bedeutenden alten Geigenbaumeistern unter Einsatz moderner Technik auf die Spur zu kommen, blieben deren Künste bisher unerreicht. Klar ist, dass das Zusammenspiel verschiedener Faktoren die Klangqualität einer Geige bestimmt.
Von fundamentaler Bedeutung ist die sorgfältige Auswahl der Hölzer. Das Klangholz muss von höchster Qualität sein. Stradivari kam die «Kleine Eiszeit» zu Hilfe, die von 1645 bis 1715 herrschte. In Mitteleuropa gab es damals lange Winter und kühle Sommer. Dadurch wuchsen die Bäume nur sehr langsam und gleichmässig. Dies gilt als ideale Voraussetzung für gutes Klangholz: Das Fichtenholz, welches für die Resonanzdecke der Geige verwendet wird, sollte unter anderem einen geringen Spätholzanteil und maximal zwei Millimeter breite Jahrringe haben.
Des Weiteren spielt der Geigenbauer eine massgebende Rolle. Seine Erfahrung, seine Beziehung zum Holz und sein handwerkliches Können tragen wesentlich zum Wohlklang eines Instruments bei. Die Bedeutung des Geigenbauers wird auch von der Tatsache unterstrichen, dass die industrielle Fertigung von einigermassen schön klingenden Geigen bisher nicht gelungen ist.
Die Schweiz spielte in der Geschichte des Geigenbaus bisher keine grosse Rolle. Doch dies könnte sich nun ändern. Die Arbeitsgruppe Holzschutz und Biotechnologie um Francis Schwarze erforscht an der Empa in St. Gallen seit Jahren den gezielten Einsatz von Pilzen zur Optimierung von Holzeigenschaften. Mit Hilfe des Weissfäulepilzes Physisporinus vitreus gelang es Schwarze, Fichtenholz mit hervorragenden Klangeigenschaften herzustellen. Im September 2009 traten zwei «Pilzgeigen» in einem Blindtest gegen eine Stradivari aus dem Jahr 1711 an. Der britische Violinist Matthew Tusler spielte hinter einem Vorhang insgesamt fünf Geigen, darunter seine eigene Stradivari, zwei pilzbehandelte und zwei unbehandelte Modelle. Der Fachjury und dem Publikum gefiel der Klang einer der pilzbehandelten Geigen am besten, sie hielten sie gar für die Stradivari. Diese Geige war aus Holz hergestellt, welches der Pilzbehandlung am längsten ausgesetzt war, nämlich während neun Monaten.
Damit ist auch gleich ein weiterer Faktor genannt, der die Klangqualität einer Geige beeinflusst: der Musiker. Jürg Jecklin, lange Jahre als Tonmeister bei Radio DRS 2 tätig, ist überzeugt: «Eine Geige klingt erst, wenn sie gespielt wird. Beurteilt wird also immer die Kombination Geiger und Instrument. Jeder grosse Geiger spielt das für ihn richtige Instrument. Das kann eine Stradivari, eine Amati oder Guarneri sein, aber natürlich auch ein neues Instrument. Derartige Tests müssen also immer relativ betrachtet werden.»
Immerhin scheint es gelungen zu sein, dank der Pilzbehandlung des Holzes und den Fähigkeiten des Badener Geigenbauers Michael Rhonheimer eine Violine mit der einer Stradivari ähnlichen Klangqualität zu bauen. «Die Pilzbehandlung verhilft der Geige, im Vergleich zu einer unbehandelten, zu einem wärmeren und runderen Klang», so Schwarze. Der Pilz greift die Spätholzzellwände an. Dadurch verringert sich die Holzdichte und das Holz wird homogener. Gleichzeitig verändert die Pilzbehandlung die Biegefestigkeit und die Schallgeschwindigkeit des Holzes nicht. Genau diese Eigenschaften hatte das Klangholz, das Stradivari seinerzeit zur Verfügung stand: geringe Dichte und hohe Schallgeschwindigkeit.
Für die Fortsetzung des Projekts «Pilzgeige» hat der Forscher mit der Walter-Fischli-Stiftung einen neuen Geldgeber gefunden, wie die Empa Anfang Dezember mitteilte. Damit aus pilzbehandeltem Klangholz bald einmal Geigen in genügend grosser Stückzahl gebaut werden können, will Schwarze ein standardisiertes Biotech-Verfahren entwickeln. Nur dann kann ein allfälliger Industriepartner die Technologie auch massentauglich weiterverwerten. Es gilt nun, die Parameter für die Holzbehandlung so weit zu normieren, dass eine bestimmte Qualität des Klangholzes garantiert werden kann. Wahrlich kein einfaches Vorhaben bei einem von Natur aus variablen Material wie Holz.
Das Folgeprojekt startete Anfang September 2011 und ist auf drei Jahre angelegt. Bevor der Basler Instrumentenbauer Michael Baumgartner mit der Fertigung der Geigen aus Pilzholz beginnen kann, müssen die Forscher an der Empa noch zahlreiche Untersuchungen an behandeltem und unbehandeltem Holz durchführen. Später wird es dann auch wichtig sein, mit Fachleuten der Psychoakustik zusammenzuarbeiten, um zu verstehen, wie Violinspieler und Zuhörer die Musik einer Pilzgeige wahr- und aufnehmen.
www.empa.chVeröffentlichung: 12. Januar 2012 / Ausgabe 2/2012
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