Heisse Sache: Schreiner und Solarkocher


Bild: Sommer Holzwerkstatt GmbH Diese Solarkocher aus Buchenholz können hierzulande als Kochhilfe im Garten oder beim Campieren verwendet werden.
Bild: Sommer Holzwerkstatt GmbH Diese Solarkocher aus Buchenholz können hierzulande als Kochhilfe im Garten oder beim Campieren verwendet werden.
Entdeckt. Wie eine Schreinerei mit Solarkochern, Solarkocher mit illegalem Holzschlag und illegaler Holzschlag mit Madagaskar in Verbindung stehen – das zeigt diese Geschichte eines sechs- köpfigen Betriebes, der sich Ökologie und Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben hat.
Meilenstein in der Geschichte der Sommer Holzwerkstatt GmbH: Sie gewann eine Sonderauszeichnung des Nachhaltigkeitspreises, welchen die Zürcher Kantonalbank vor wenigen Tagen vergeben hat. Seit 1998 hat sich das Kleinstunternehmen aus dem zürcherischen Rifferswil auf Schreinerarbeiten im Bereich Massivholzmöbel, Küchen und Innenausbau spezialisiert. Das Team besteht aus vier ausgebildeten Schreinern, einer Hilfsschreinerin sowie einem Lernenden. «Mit dem Sonderpreis hat die ZKB unser Engagement im Bereich Ökologie und Nachhaltigkeit gewürdigt», freut sich Daniel Sommer, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Frau Christine Sommer führt.
Fast ausschliesslich zertifiziertes Holz aus der Region, energieeffiziente Transportfahrzeuge und Recycling-Papier im Büro werden verwendet – das sind einige der Stichworte, welche bei der Sommer Holzwerkstatt GmbH dazu beitragen, dass die Umweltbelastung in den letzten Jahren kontinuierlich reduziert werden konnte. Schon seit Beginn seiner Geschäftstätigkeit setzt Daniel Sommer zum Beispiel auf Öle statt Lacke sowie auf Massivholz anstelle von Verbundplatten.
Im Bewerbungsdossier für den ZKB-Nachhaltigkeitspreis hat das Unternehmen auf drei Schwerpunkte fokussiert: die umweltfreundliche und nachhaltige Produktion, die sozialen Strukturen innerhalb des Teams, die allen Mitarbeitenden Teilzeitarbeit ermöglichen, und das Sozialprojekt mit Solarkochern. Diese Solarkocher werden im zugerischen Baar endgefertigt, und zwar innerhalb eines Arbeits- und Bildungsprogramms für stellensuchende Jugendliche, die nach der Schule keine Lehrstelle gefunden oder eine Ausbildung abgebrochen haben. «Über 20 000 Franken haben wir in das Projekt mit den Solarkochern investiert», sagt Daniel Sommer. Damit will er mit seinem Unternehmen einen Beitrag leisten, um der Abholzung von Tropenwäldern in Madagaskar entgegenzuwirken. Der Reinerlös aller verkauften Kocher geht an die gemeinnützige Organisation «Association pour le Développement de l’Energie Solaire Suisse-Madagascar» (Ades). «Früher war Madagaskar eine grüne Insel, bedeckt mit vielen Wäldern. Heute ist ein Grossteil dieser Waldbestände weggerodet, verbrannt oder illegal über den Edelholzmarkt abgesetzt worden», betont Marc Hubacher, Leiter Marketing und Mittelbeschaffung bei Ades. Jährlich verschwinden auf Madagaskar auf diese Weise 200 000 Hektaren Wald. Das entspricht der Fläche der Kantone Zürich und Genf zusammen.
Auf Madagaskar wachsen heute noch rund 12 000 Pflanzenarten, daneben gibt es unzählige Tierarten, viele davon leben ausschliesslich auf Madagaskar. Sie alle sind akut bedroht. Rund 80% des geschlagenen Holzes wird für das traditionelle Kochen auf offenem Feuer verwendet. Brennholz ist aber teuer, was die ohnehin schon armen ortsansässigen Familien zusätzlich belastet. Deshalb stellt Ades heute in Madagaskar selber Solarkocher und Energiesparöfen her und verkauft sie zu vergünstigten Preisen an die lokale Bevölkerung. «Damit leisten wir mit einfachen Mitteln einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Wälder vor der Abholzung. Zudem wird der Boden vor Erosion und die Insel vor dem Verlust der Biodiversität geschützt», sagt Hubacher. Jeder einzelne Solarkocher trägt dazu bei, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Gleichzeitig lassen sich mit den Energiesparöfen etwa 65% an Brennholz einsparen. Darüber hinaus, so Hubacher, schont der emissionsfreie Gebrauch von Solarkochern das Klima und die Gesundheit der Bewohner.
Nach fünf bis sechs Monaten habe sich der Kauf eines Solarkochers bereits amortisiert, betont Ades-Geschäftsleiterin Regula Ochsner. Zudem generieren Herstellung und Vertrieb der Solarkocher neue Arbeitsplätze, insbesondere für junge Arbeitskräfte. Auch leiden die Menschen weniger unter Atemwegserkrankungen, weil sie nicht mehr täglich der schädlichen Rauchentwicklung ausgesetzt sind, die beim traditionellen Kochen mit Holzkohle entsteht. Der Solarkocher finde bei der lokalen Bevölkerung immer mehr Akzeptanz, sagt Regula Ochsner.
Mit dem täglichen Gebrauch von rund 1000 Solarkochern lassen sich pro Jahr rund 7200 Tonnen Brennholz einsparen. So kann in drei Jahren eine Fläche in der Grösse des Kantons Baselstadt vor Abholzung und Erosion gerettet werden. «Die Zukunft Madagaskars liegt bei den Kindern und Jugendlichen», betont Regula Ochsner. Ades engagiert sich deshalb auch in der Umweltbildung und erarbeitet in enger Kooperation mit lokalen Behörden innovative Schulprogramme, damit Kinder und Jugendliche für Umweltthemen sensibilisiert werden.
Zurück zu Daniel Sommers Betrieb im zürcherischen Rifferswil. Der Ades-Solarkocher der Sommer Holzwerkstatt GmbH sei ausschliesslich für unsere Breitengrade konzipiert, so dass er hierzulande problemlos an verschiedenen Standorten, etwa im Garten oder beim Campieren, eingesetzt werden könne, sagt Sommer. Er besteht aus massivem zertifiziertem Buchenholz aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern. Der Kochbehälter ist mit Aluminium ausgekleidet und die Hohlräume werden mit Schafwollisolation ausgestopft. Der Reflektor besteht – anders als bei bisherigen Solarkochern – aus hochwertigem Verbundwerkstoff, der einseitig mit verspiegeltem Aluminiumblech ausgestattet ist. Die Teile des Bausatzes sind alle so vorbereitet, dass ein müheloses Zusammenbauen möglich ist. Benötigt werden dafür die üblichen Handwerkzeuge sowie mit Vorteil ein Akkuschrauber. Eine ausführliche Bauanleitung erklärt Schritt für Schritt das Vorgehen beim Zusammenbau. «Mit dem Ades-Solarkocher kann man bei uns auf einfache und effiziente Art die Kraft der Sonne für das solare Kochen und Backen nutzen», fasst Daniel Sommer zusammen. Jeder hier verkaufte Solarkocher subventioniere zudem die Produktion der Solarkocher von Ades in Madagaskar. Über den Erfolg des Projekts entscheidet letztlich die Spendefreudigkeit der Bevölkerung.
www.sommerholz.chwww.adesolaire.orgAls Urvater des Solarkochers in Kistenform gilt Nicolas de Saussure (1767 bis 1845), Begründer der Pflanzenphysiologie. Die intensivere Verbreitung der Solarkocher setzte jedoch erst ab den 1970er-Jahren ein. Eduard Probst, ein pensionierter Schreiner aus Hölstein (BL), begann im Jahre 1983 mit der Konstruktion von Solarkochern. Die Idee reifte nach einem Aufenthalt in Tunesien, wo er beobachtet hatte, wie Beduinen in einer offenen Erdmulde auf von der Sonne erhitzten Steinen Brot backten.
Die ersten Kochkisten wurden aus Holz, Fensterglas, gebrauchten Offsetfolien und Isolationsmaterial gebaut. Dank besserer Isolation und Optimierung des Materials entstanden mit der Zeit Sonnenkocher, in denen Temperaturen bis 160° C erreicht werden können. Auch dem Klima, den Kochgewohnheiten und den vorhandenen Materialien in den verschiedenen Einsatzgebieten wurde Rechnung getragen. So sind in den 1980er-Jahren verschiedene Modelle entwickelt worden, die sich bewährt haben. Von 1984 bis 1998 reiste Eduard Probst nach Südafrika, Kenia, Togo, Usbekistan und Peru, um den Bau und die Funktionsweise der Sonnenkocher vorzuführen.
Veröffentlichung: 28. Februar 2013 / Ausgabe 9/2013
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