Gut geschützt von Kopf bis Fuss

Zweckmässige Bekleidung sollte für jeden auf der Baustelle tätigen Handwerker selbst-verständlich sein. Bild: F. Engel

Arbeitsbekleidung.  Berufsunfälle sind im «hölzigen» Gewerbe nicht selten, obwohl Gefahren und Schutzmassnahmen bekannt sind. Aber der Arbeitsdruck verdrängt oft das Sicherheitsdenken. Eine zweckmässige Bekleidung beugt vor und ist schon «die halbe Miete».

«Es wird schon nichts passieren», denkt sich der Schreiner und fräst noch rasch eine Hartholzplatte. Er steht unter Termindruck. Doch dabei fährt ihm ein Holzsplitter direkt ins Auge. Jährlich betreffen 24,6% aller Unfälle im Schreinergewerbe den Kopf, mehr als die Hälfte davon geht ins Auge, so eine aktuelle Suva-Studie. Wenn persönliche Schutzausrüstung (PSA) schnell greifbar sei und die Sicherheitskultur im Betrieb gelebt werde, dann würden Schutzmittel auch bei eiligen Terminaufträgen eher benützt, so Franz Flury, verantwortlich für Arbeitssicherheit im Bereich Holz bei der Suva. Dabei müssten die Vorschriften zum Unfallschutz jedem Mitarbeiter im Betrieb bekannt sein.

Verpflichtungen auf beiden Seiten

Denn der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, seine Mitarbeiter über Gefahren und Schutzmassnahmen zu informieren und entsprechende Schutzmittel zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer wiederum verpflichtet sich, diese zu tragen und Defekte zu melden. Doch die letzte Verantwortung habe immer der Arbeitgeber, so der Experte für Arbeitssicherheit. Der Unternehmer muss beurteilen, ob Auge und Ohr, Kopf, Hand und Fuss den Tätigkeitsbereichen in seinem Betrieb entsprechend geschützt werden können. «Wegleitend für Schutzmassnahmen in Schreinereien ist die Siko 2000, ein branchenspezifisches Sicherheitskonzept, das auf dem UVG (Unfallversicherungsgesetz) und der VUV (Verordnung zur Verhütung von Unfällen) basiert», sagt Erich Erb, Siko-Fachmann.

Bevor einem Sehen ...

Zum Beispiel braucht es einen Augenschutz bei allen Tätigkeiten mit Splitterwurf, also bei Schleifarbeiten, und dort, wo die Staub-entwicklung hoch ist. Zum Einsatz kommen häufig Schutzbrillen mit der europäischen Norm EN 166. Dabei bietet der Markt eine breite Modellpalette abhängig von der jeweiligen Tätigkeit.

Neben der Beschichtung liegen Unterschiede ebenfalls in der Grösse des Sichtfeldes, des Tragekomforts und der Belüftung. Jeder Holz verarbeitende Handwerker irrt, der meint, bei kurzfristigen Einsätzen ohne Schutz auszukommen. Das zeigt sich vor allem beim Gehörschutz.

... und Hören vergehen

Denn jede Lärmbelastung – und sei sie noch so kurz – verlangt einen Gehörschutz. Grundsätzlich gilt, dass die angestrebte Lärmdämmung zwischen 75 und 80 dB liegen sollte. Übersteigt der Pegel diese Werte, wird es schädlich für die Ohren. Für die Gerätewahl empfiehlt sich also, den Lärmpegel abzüglich des SNR-(single number rating) Dämmwertes zu berechnen. Generell soll ein Gehörschutz mindestens 17 dB SNR aufweisen. Bei über 100 dB Belastung sind hohe Dämmwerte von über 25 dB zu verwenden.

Ein Tipp am Rande: Bei älteren oder hörgeschädigten Handwerkern können Schwächen mit modernen Hörgeräten korrigiert werden. Ausserdem gibt es von Siemens und Phonak inzwischen Hörgeräte, die wasserdicht sowie unempfindlich gegenüber Staub und Schmutz sind.

Doppelt hält meistens besser

Über die jeweiligen Einsatzformen von Gehörschutzkapseln und -stöpseln scheiden sich die Geister. Die einen bevorzugen Kapseln für dauerhafte Arbeiten an der Fräs- oder Kehlmaschine, während andere Stöpsel beziehungsweise Propfen vorziehen. Bei der Firma Knecht AG, dem rund 50-köpfigen Unternehmen aus Oberwil-Dägerlen mit Schreinerei, Zimmerei und Architekturbüro, kommt Beides zum Einsatz. «Wir arbeiten mit den Kapselgehörschützen von Peltor, OptimeIII (SNR 35 dB), ausserdem gibt es an verschiedenen Orten Spender mit Gehörschutzstöpseln (SNR 25 dB), die auf der Baustelle zusätzlich eingesetzt werden», sagt Oliver Schmitt, verantwortlich für den Einkauf der Arbeitskleidung.

Doch die doppelte Dämmung entspricht nicht der Summe beider SNR-Werte. Bei Extrembelastungen helfen die Lärmtabellen der Suva weiter. Auch bei den Schutzbrillen kommen in der Regel zwei Typen zum Einsatz: «Die klassische Schutzbrille hat jeder Mitarbeiter in seiner Kiste. Dann die Vollsichtbrillen mit Gummiband, die sich hervorragend für Bürst- und Schleifarbeiten an der Decke eignen», meint der Einkäufer.

Schuhe: probieren geht über studieren

Bei Sicherheitsschuhen setzt der Handwerksbetrieb auf durchtrittsichere Sohlen und Stahlkappen. Insgesamt gibt es drei verschiedene Produktarten auf dem Markt, je nach Druckeinwirkung, Dichtigkeit und Durchtrittsicherheit.

«Sicherheitsschuhe müssen bei uns die Anforderungen der europäischen Norm S3 erfüllen. Hier habe ich die Erfahrung gemacht, dass man sich nicht auf einen Schuh oder eine Marke fixieren kann. Jeder Mitarbeiter muss und soll probieren und vergleichen.» Das hartnäckige Vorurteil, Sicherheitsschuhe seien unbequem, und werden deshalb nicht getragen, geht heutzutage nicht mehr durch, denn neben hochwertigen Materialien können auch spezielle Einlagen geordert werden. Und auch in Bezug auf das Design gibt es Neues. So bietet beispielsweise die Firma Stuco mit dem Modell «Hiking» einen Sicherheitsschuh mit dem S3-Standard in farbenfroher Palette an. Dieser kann optimal auf das Designkonzept einer Firma abgestimmt werden.

Nicht Hals über Kopf

Wer insbesondere im Aussenbereich einer Baustelle tätig ist, kommt am Schutzhelm nicht vorbei. «Er ist auf der Baustelle obligatorisch, deshalb besitzt jeder Mitarbeiter einen», heisst es bei der Firma Knecht. Bewährt hat sich in seinem Betrieb der «Peltor G300». In der Regel erfüllt der klassische Industrieschutzhelm EN 397 diesen Zweck.

Entscheidende Unterschiede hingegen gibt es beim Atemschutz, denn Beizen, Imprägnierungen, Lacke und Öle können ätzend wirken. Der fein konzentrierte Spritzstaub ist wahres Gift für die Atemwege. Hier ist der Einsatz des richtigen Produkts von besonderer Wichtigkeit.

Schutzhandschuhe sind angesichts der rund 42% aller Unfälle an den Händen ebenfalls wichtig. Hier gibt es generelle Unterschiede bezüglich chemischer und mechanischer Risiken. Normierte Produktempfehlungen finden sich im PSA-Katalog. Als neuster Clou gelten die «Left & Right Gloves» der Firma Hultafors, die auf die jeweilige Tätigkeit der rechten beziehungsweise linken Hand abgestimmt und einzeln wählbar sind.

Auch die Hosen müssen sitzen

Funktionalität heisst das Zauberwort auch bei den Hosen. Für Arbeiten an der Motorsäge empfehlen sich Schnittschutzhosen. Generell gilt: Das Beinkleid muss vor allem praktisch sein. «Bankschreiner haben meist alles in der Nähe und mögen die Hosen am liebsten ohne angenähte Nageltaschen. Auf der Baustelle hingegen sind sie froh um Schlaufen, Ösen und Beintaschen für das gängigste Kleinwerkzeug», erklärt Oliver Schmitt von der Knecht AG.

Der Zimmermann mag es schlicht

Der Zimmermann jedoch trägt lieber keine Beintaschen, wählt dafür aber meistens Schwarz, während Schreiner in Beige gehen. Qualitätsunterschiede zeigten sich bei den Nähten und beim Stoff. «Die wirklich guten Hosen sind aus Mischgewebe (Polyester und Baumwolle) und die Kniepartien, Nagel- und Metertaschen werden mit Cordura verstärkt», so die Erfahrung von Schmitt. Und wie steht es mit dem Corporate Design? Eine einheitliche Hose für alle Mitarbeiter zu finden, ist für einen Mischbe-trieb wie die Firma Knecht AG schwer, angesichts so vieler verschiedener Wünsche und Bedürfnisse.

Anforderungen sehr verschieden

Dies bestätigt auch die jüngste Umfrage des dänischen Berufskleidungsherstellers F. Engel unter verschiedenen Schweizer Handwerkern. Während einem bei der getesteten «TechZone»-Hose die Kleingeldtasche fehlte, empfand der andere die vielen Taschen als verwirrend und cowboyähnlich im Aussehen. Ersterer lobte die schnellen Trocknungseigenschaft der Kleidung, während dem zweiten vor allem die Passform der grosszügig geschnittenen Hose zum Verstauen des Oberteils entgegenkam. Die Gebrauchseigenschaften wie auch Verarbeitung wurden einhellig positiv bewertet. Differenzen hingegen gabs wieder beim Design. Für die einen sind gleichfarbige Jacken und Hosen zu eintönig, was für den anderen gerade ein Muss ist. Insgesamt spielten Funktionalität, Haltbarkeit und der Tragekomfort die grösste Rolle und erhielten meistens Bestnoten.

Bei so vielen Meinungen fällt der Einkauf nicht leicht. Generell gilt bei der Knecht AG: T-Shirts werden en gros (200 Stück und mehr) bestellt, alle Schutzartikel sollten 10 bis 15 Mal am Lager sein. Bei Jacken und Gilets liegen etwa fünf Stück auf Vor-rat. «Beim Einkauf achte ich auf wiederkehrende Sonderaktionen der bewährten Artikel», so Einkäufer Schmitt.

Firmenname gehört dazu

Bei Textilaufdruck oder Stickerei mit dem Firmennamen ist die Entscheidung ebenfalls nicht einfach. Wer es als Verbandsschreiner schlicht mag, der trägt das Logo des VSSM als Identität mit. Der VSSM-Schreinershop führt auch die nötige Basiskleidung der namhaften Hersteller. Für ausgefeilte Wünsche braucht es den individuellen Service. Dafür muss vorab betriebsintern geklärt werden, welche Kleidungsstücke bedruckt, welche Schriftarten und wie viele Farben auf dem Schriftzug und Logo enthalten sein sollen und welche Grösse dafür am besten wirkt. Dies wiederum ist abhängig von der Position auf dem Kleidungsstück selbst und natürlich der Kleidungsgrösse. Die individuelle Beratung ist für die optimale Darstellung unabdingbar.

www.knecht-ag.chwww.stuco.chwww.hultaforsgroup.comwww.f-engel.comwww.vssm.ch

Checkliste Sicherheit

EN-Produkte gewähren Schutz

  • Gut sitzende Schutzbrillen beim Schleifen, Fräsen usw.
  • Für das Ohr: Kapseln und Pfropfen
  • Atemschutz bei Arbeiten mit Beizen, Lacken und Ölen
  • Schutzhandschuh je nach Risiko wählen
  • Schutzhelm bei Arbeiten auf der Baustelle
  • Hosen mit Schnittschutz bei Arbeiten mit der Motorsäge
  • Durchtrittsichere, stossfeste Schuhe
www.suva.chwww.siko2000.ch

MZ

Veröffentlichung: 15. August 2013 / Ausgabe 33/2013

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