Grünstich ist eine Randerscheinung


Bild: Glas Trösch AG Beste Durchsicht: ein Geländer aus gebogenem Verbundsicherheitsglas des Typs «Extraweiss».
Bild: Glas Trösch AG Beste Durchsicht: ein Geländer aus gebogenem Verbundsicherheitsglas des Typs «Extraweiss».
Weissglas. Das Spezialglas ist optisch reiner und durchsichtiger als normales Floatglas. Dadurch ist es äusserst begehrt für Anwendungen im Fenster- und im Innenausbau. Doch Weissglas ist nicht gleich Weissglas: Es kann trotz Farblosigkeit teils gut sichtbare Unterschiede aufweisen.
Weissglas ist eine Besonderheit. Es wird in grossen Massen eingesetzt, über das Produkt existiert aber keine Regelung. In keiner Norm ist definiert, was es genau ist und welche Eigenschaften es hat. Bereits die Bezeichnung «Weissglas» führt zu teilweise weitreichenden Missverständnissen. Es handelt sich also um ein Glasprodukt, über das es noch viel Neues zu erfahren gibt.
Der Name «Weissglas» kann als Oberbegriff für eisenoxidarmes beziehungsweise eisenoxidärmeres Glas angesehen werden. Die Produkte der verschiedenen Hersteller sind bekannt als «Clearvision», «Diamant», «Extraweiss» oder «Optiwhite». Sie alle werden wie das normale Floatglas auch im Floatprozess durch kontinuierliches Aufgiessen und Fliessen über ein Zinnbad hergestellt.
Die Glasschmelze für Weissglas verfügt aber im Unterschied zum üblichen Floatglas über eine hohe Reinheit und einen möglichst geringen Eisenoxidanteil. Im normalen Floatglas ist das Eisenoxid verantwortlich für den leichten Grünstich. Das Weissglas weist dagegen eine farbneutrale Durchsicht auf, was sich insbesondere bei dickeren Glasaufbauten positiv auswirkt. Wegen dieser Eigenschaft kommt Weissglas vermehrt im Fenster- und Fassadenbau sowie im Innenausbau und bei Solarmodulen zum Einsatz.
Die bauphysikalischen Anforderungen – zum Beispiel eines Isolierglases im Fenster – können manchmal nur mit dem Einsatz von Weissglas erfüllt werden. Eine Anforderung aus energietechnischen Überlegungen ist etwa der Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert). Dieser setzt sich aus der direkten Energietransmission durch eine Verglasung sowie der sekundären Wärmeabgabe der inneren Glasscheibe zusammen und ist eine wichtige Grösse, wenn das Gebäude klimatechnisch ausgelegt werden soll. Dabei kann man nicht von einem «guten» und «schlechten» g-Wert sprechen. Je nach Bauvorhaben möchte man mehr oder weniger Globalstrahlung (Sonnenwärme) ins Gebäudeinnere dringen lassen.
Eine weitere, wesentliche bauphysikalische Grösse ist die Lichttransmission (Lt). Sie bezeichnet den prozentualen Anteil der Globalstrahlung im Bereich des sichtbaren Lichtes, der von aussen nach innen übertragen wird. Ziel ist es vielfach, eine möglichst hohe Lichttransmission ins Gebäude hinein zu erreichen. Aufgrund der höheren Reinheit erzielt man mit Weissglas einen höheren Lichttransmissions- und g-Wert.
Ausserdem verfügt Weissglas im Vergleich zu Floatglas über eine tiefere Energieabsorption. Es wird deshalb auch als mittlere Scheibe in einem Dreifachisolierglas eingesetzt, um dem Risiko des thermischen Glasbruchs entgegenzuwirken. Bezüglich dieser physikalischen Eigenschaften zeigen die Weissgläser unterschiedlicher Hersteller nur sehr geringe Unterschiede.
Trotz nahezu identischer physikalischer Eigenschaften hat aber jedes Weissglasprodukt seine eigene visuelle Erscheinung. Weissglas ist nicht gleich Weissglas, weshalb die Produkte nicht ohne Weiteres gegeneinander ausgetauscht werden können. Je nach Hersteller – oder sogar je nach Produktionsstandort – ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse, die teilweise einen Gelb-, Grün-, Blau- oder Graustich erahnen lassen. Je dicker das betrachtete Glas, desto eher können diese Unterschiede erkennbar werden. Bei Isoliergläsern haben zudem die Beschichtungen einen grossen Einfluss auf die visuelle Erscheinung.
Ein verbreiteter Irrtum betreffend Weissglas kommt im Zusammenhang mit Bauteilen mit freien Glaskanten, etwa bei Glasgeländern, Duschtrennwänden oder Glastablaren, zum Vorschein. Es wird meist davon ausgegangen, dass die Kantenansicht von Weissglas ebenso klar ist wie dessen Durchsicht. Abhängig von der Dicke und Abmessung muss man sich allerdings mit einer erkennbaren Einfärbung an der Glaskante abfinden. Dies lässt sich nicht vermeiden und gehört zum Weissglas dazu.
Als Beschreibung von Weissglas ist in der neuen Richtlinie 006 des Schweizerischen Instituts für Glas am Bau (Sigab) folgender Wortlaut zu lesen: «Weissglas wird in keiner Produktnorm, jedoch als Flachglas mit weniger als 200 ppm Eisenoxidanteil definiert.» Die Abkürzung ppm steht für «parts per million» (Teile von einer Million). Bei herkömmlichem Glas liegt der Eisenoxidanteil bei ungefähr 800 ppm.
Weil sich Weissglas durch seine visuellen Eigenschaften auszeichnet und sich diese nicht von Produkt zu Produkt vereinheitlichen lassen, sollte man auf einige Stolpersteine achtgeben:
Prozentangaben des Gesamtenergiedurchlasses (g-Wert) und der Lichttransmission (Lt-Wert) in Ausschreibungen von Fenstern und Fassaden sind wichtige, einzuhaltende Grössen. Diese können den Einsatz von Weissglas erfordern, obwohl im dazugehörigen Text nichts von Weissglas zu lesen ist.
Der visuelle Eindruck von Weissglas kann je nach Hersteller oder Herstellungsort variieren, was vor allem bei Glasbemusterungen zu beachten ist.
Bei Glasbemusterungen sollten nach Möglichkeit dieselben Aufbauten und Abmessungen gezeigt werden, die schliesslich auch zum Einsatz kommen.
Trotz der klaren Durchsicht ergibt sich bei der Betrachtung der Glaskante einer Weissglasscheibe eine Einfärbung, die sich nicht vermeiden lässt. Dieser Effekt wird bei zunehmender Dicke und Abmessung des Glases noch deutlicher.
Auf die Möglichkeit, Weissglas zu verwenden, sollte man unbedingt hinweisen. Kundinnen und Kunden sind über das Internet schnell informiert, dass es noch eine Alternative zum normalen Floatglas gegeben hätte, und können im Nachhinein (zurecht) geltend machen, sie seien nicht auf diese Option aufmerksam gemacht worden.
www.sigab.chVeröffentlichung: 12. Mai 2016 / Ausgabe 19/2016
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