Garantiert gute Aussichten?

Kommt schlicht daher: Das mit dem Red Dot prämierte Fenster «LFensterCUBEflat» ist aus geölter Eiche. Die Auszeichnung soll sich nachhaltig auf das Profil der Siegerfirma auswirken. Bild: Lehmann Arnegg AG

Designpreise.  Alle Jahre wieder: International renommierte Wettbewerbe im Bereich Gestaltung reizen zum Mitmachen. Auch zwei Schweizer Schreiner sind unter den diesjährigen Preisträgern. Die SZ befragt die Prämierten zu Bedingungen, Gefahren und veränderten Zukunftsperspektiven.

Red Dot Award, IF Award sowie Interior Innovation Award: drei grosse Wettbewerbsnamen, welche für hochstehende gestalterische Leistungen stehen. Dazu kommen Auszeichnungen und Prämierungen von gu-ten, noch besseren und den allerbesten Produkten an jeder Messe, an jeder grösseren Veranstaltung. Der mediale Rummel um die Preise ist alljährlich gross. Doch daneben kann die Auszeichnung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung eines Betriebs durchaus lohnend sein. Ebenso Schweizer Schreiner haben ein Auge auf die begehrten Prämierungen geworfen – und konnten punkten. Doch was bewegt Holz verarbeitende Unternehmen überhaupt zu einer Wettbewerbseingabe?

Gewagte Aussage: «Design vor Funktion»

Eine Voraussetzung dafür ist, dass man Design als eine Basis seiner Entwurfsarbeit betrachtet. Die Lehmann Arnegg AG, ein Fenster- und Türenproduktionsbetrieb aus Arnegg SG, geht sogar noch einen Schritt weiter. Ihr Leitbild lautet «Design vor Funktion». «Ich bin der Überzeugung, dass ho- he technische Eigenschaften bei qualitativ hochstehenden Produkten eine Selbstverständlichkeit sein müssen», sagt Daniel Leh-mann, Geschäftsführer und Inhaber des gleichnamigen Betriebes. Und für den Kundenanspruch an Individualität sei ein gu-tes Design unumgänglich. Schon länger bewundert der Bauingenieur herausragende ästhetische Leistungen, die mit dem sogenannten roten Punkt ausgezeichnet werden. Das «LFensterCUBEflat» hat seinem Betrieb nun vor zwei Monaten die begehrte Auszeichnung «Red Dot Design Award Winner 2013» in der Kategorie Produktdesign eingebracht.

Im Team zum Ziel

«Wir erhielten viele positive Rückmeldungen von unserer Kundschaft für diesen Fens-tertyp. Das bestärkte uns in der Idee, damit am Wettbewerb teilzunehmen», so der Geschäftsleiter. Zusammen mit seinem Entwicklungsteam aus Schreinern und Technikern hatte er das Fenster in rund fünf Monaten erarbeitet. Dessen Designmerkmale: eine komplette Flächenbündigkeit im Innen- und Aussenbereich sowie die reduzierte, am Kubus angelehnte Proportion. Die technischen Anforderungen von Beschlägen und Griffen folgen dieser Gestaltung. Ausserdem sind die Holzart und die Farben des Holz-Metall-Fensters frei wählbar. «Und es entspricht in energetischer, sicherheitstechnischer sowie bauphysikalischer Hinsicht den derzeit höchsten umsetzbaren Anforderungen», sagt Daniel Lehmann. Die Beurteilung durch die Jury erfolgt anhand eines Potpourris verschiedener Faktoren wie Funktionalität, Innovationsgrad, Langlebigkeit, formale Qualität, Ergonomie, öko-logische Verträglichkeit, symbolischer wie auch emotionaler Gehalt.

Indirekte Wertschöpfung

Man möchte meinen, dass nach einer derartigen Auszeichnung die Nachfrage nach diesem Produkt nicht zu stoppen ist. «So einfach ist es leider nicht», weiss Daniel Lehmann. Die Nachricht muss auch beim Bauherren und der Kundschaft ankommen. Dafür sorgt die hauseigene Kundenzeitschrift sowie entsprechende Presseberichte. Ebenfalls in sozialen Netzwerken ist darüber zu lesen. «Wir haben gegenwärtig verschiedene Projekte in Ausführung, aber im Schnitt vergeht ein halbes Jahr von der Lancierung eines neuen Produkts bis dieses auf dem Markt Fuss gefasst hat», so der Fachmann. Doch die Nachfrage entwickle sich gut. Und die Auszeichnung unterstütze das Designprofil des Unternehmens.

Für viele Insider der Branche wie Architekten, Designer, Schreiner und Innenraumgestalter sind die Wettbewerbe durch die verschiedenen Sparten und Preiskategorien etwas verwirrend. Und trotzdem: einige Unterschiede lassen sich bei den drei grossen, internationalen Aussschreibungen fest-stellen (siehe Tabelle) .

Bernhard Sievi, Leiter Design und Entwicklung beim Möbelbauunternehmen Novex AG in Hochdorf, kennt die internationalen Designpreise. Bereits 2010 erhielt er für «Basic», ein intramodulares Stahlmöbelprogramm, einen Red Dot Award Winner. «Das war eine richtige Triebfeder für unsere Entwicklungsabteilung», betont der gelernte Möbelschreiner und heutige Designer. In diesem Frühjahr gewann sein «Caddy LC21», ein mobiler Schreibtischschrank, den IF Award Winner 2013 in der Kategorie Produktdesign. Doch bezüglich der Nachfrage berichtet der Entwicklungsleiter Ähnliches wie Daniel Lehmann. «Es gibt keine direkte Messbarkeit des Preises etwa in Form einer übergrossen Nachfrage.» Das Produkt ist bereits auf dem Markt eingeführt. «Doch das Unternehmen erfährt eine starke Ausstrahlung bezüglich Image und Bekanntheit», sagt Bernhard Sievi. Man könnte von einem Schneeballprinzip sprechen. Denn die Novex AG gewann dadurch «Caddy-affine» Architekten für grössere Bauvorhaben. Der Preis sei wie ein Motor für den Imageprozess. Und der Entwickler fühle sich dadurch in seiner Arbeit angespornt.

Grossauftrag als Starthilfe

Dabei war der Entwurf für einen ganz anderen Wettbewerb gedacht; und zwar im Rahmen einer Neubauausschreibung der Pädagogischen Hochschule Zürich. Und die Novex AG erhielt tatsächlich den Zuschlag für 800 solcher mobilen Schreibtischschränke. Angesichts dieses Erfolges war der Weg zur Wettbewerbseingabe nicht mehr weit. Neben einem Produktbeschrieb mit Beispielbildern musste zusätzlich ein physisches Modell eingereicht werden. Bernhard Sievi schätzt an seiner Arbeit, dass er keine theoretischen Konstrukte entwickeln muss. Als ursprünglicher Handwerker ist ihm die Verbindung von Ästhetik und Funktionalität sehr wichtig. «Ich finde es immer wieder spannend, mit neuartigen Materialien, Formen und Funktionen zu experimentieren und die Grenzen der industriellen Fertigungsmöglichkeiten auszureizen.» Das Produkt «Caddy LC21» ist ein Beispiel dafür. Front, Decke und Boden des Schreibcontainers sind aus weiss lackiertem Holz. Dies verleiht dem Produkt eine angenehme Haptik. «Die Seitenteile aus Feinblech sind so ausgeprägt, dass die Kantenführung sichtbar wird», erklärt der Designer. Diese ist schmal und wirkt dadurch fein, was für den Charakter von Stahl ungewöhnlich ist. Die Front lässt sich zur Öffnung komplett in der Seitenwand versenken. Dadurch behält das Produkt seine formale Eigenständigkeit. Gleiches gilt für die Schubladen im Innern, die jeweils aus einem Teil gearbeitet sind.

Karrierestart als Möbelschreiner

Vor zehn Jahren dachte der Entwickler nicht an solche Erfolge. Damals hatte der gelernte Möbelschreiner seinen Studienabschluss der Höheren Fachschule für Technik und Gestaltung Zug in der Tasche – und konnte bei Novex einsteigen. «In Konstruktion und Entwicklung hatte ich praktische Kenntnisse bezüglich Feinblech, Stahl und Kunststoffverarbeitung erwerben und vertiefen können.» Sein Einstieg in die Produktentwicklung des Unternehmens war für ihn eine logische Folge. «Ich weiss es zu schätzen, dass mir der Aufstieg innerhalb des Betriebes gelungen ist, bei dem ich mir auch die Sporen verdient habe.»

www.lehmannag.chwww.novex.chwww.wogg.chwww.red-dot.orgwww.ifdesign.dewww.imm-cologne.com

Interview

Bernhard Sievi ist Leiter Design und Entwicklung bei der Novex AG. Der gelernte Möbelschreiner erhielt für «Caddy LC21» den Red Dot Award 2013. Er studierte an der Höheren Fachschu- le für Technik und Gestaltung Zug.

SCHREINERZEITUNG: Herr Sievi, fühlen Sie sich der HFTG auch 10 Jahre nach ihrem Abschluss verbunden?

Bernhard Sievi: Das ist richtig. Ich bin bis heute mit dem Rektor Beat Wenger in Kontakt. Der Studiengang ist für mich ein wichtiger Meilenstein in meinem Schaffen. Ich konnte mir ein breites Wissen erarbeiten und eine gute Basis legen für meine darauffolgenden Arbeiten.

Wurden Sie von der HFTG speziell geförder?

Während meines Studiums haben sich gewisse Stärken weiter herauskristallisiert. Räumliches Vorstellungsvermögen, skizzieren, kreative Lösungserar-beitung oder 3-D-CAD. Ich habe mit an der Schule erarbeiteten Projekten an Wettbewerben teilgenommen. Mein erster Erfolg war der Press Chair an der Perspektiven 03 in Basel. Dies zusätzliche Engagement wurde von der Schule unterstützt.

Haben Sie einen Tipp, wie man als Designer den Einstieg findet?

Stets an seine Fähigkeiten glauben, diese gezielt ausbauen und sich schon während der Studienzeit mit Entwicklungs- oder Wettbewerbsprojekten aus- einandersetzen. Das Wichtigste ist, sich gewisse Freiräume für komplett andere kreative Tätigkeiten zu erhalten, um sich neu aufzuladen.

www.hftg.chwww.sievidesign.ch

MZ, JB

 

Veröffentlichung: 23. Mai 2013 / Ausgabe 21/2013

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