Ganz besondere Unikate


Ein pilzmodifizierter Stamm mit einem solch durchgehenden Pilzmuster ist eine grosse Seltenheit.
Ein pilzmodifizierter Stamm mit einem solch durchgehenden Pilzmuster ist eine grosse Seltenheit.
Spezialwerkstoffe. Die Roser AG konnte einen Buchenstamm mit Pilzbefall zu einem ganz besonderen Furnier verarbeiten. Bei der Verarbeitung solcher pilzmodifizierten Hölzer gibt es für den Schreiner ein paar Punkte zu beachten.
Den meisten Waldspaziergängern wäre der mit Pilzen übersäte Buchenstamm im Unterholz keiner Beachtung würdig gewesen. Und auch so mancher Furnierspezialist hätte über den unscheinbaren Stamm hinweggesehen, wenn er auf der Suche nach passendem Rundholz für die Furnierherstellung gewesen wäre. Im folgenden Beispiel hatte das Schicksal mit dem Holz der Buche jedoch etwas anderes, weitaus Spezielleres vor. Nachdem der Stamm im nahen Schwarzwald gefällt und nicht herausgerückt worden war, hatten es sich darauf natürlicherweise Pilze und Insekten gemütlich gemacht. Als ein Forstmitarbeiter zu einem späteren Zeitpunkt den pilzbefallenen Stamm bemerkte, setzte er sich mit Tobias Scherg, dem Geschäftsführer der Roser AG in Birsfelden BL, in Verbindung. «Es ist sehr schwer, einen pilzmodifizierten Stamm zu finden, welchen man auch zu Furnier verarbeiten kann», erklärt Scherg. Ist der Befall zu wenig fortgeschritten, weist der Stamm nur am Rande Spuren auf, ist der Befall hingegen bereits zu weit fortgeschritten und auch das Lignin zersetzt, verliert das Holz seine Struktur und zerfällt. Von zehn solchen Stämmen entwickelt sich mit Glück bei einem ein brauchbarer Pilzbefall. «Für uns ist es das erste Mal, dass wir einen Stamm in dieser Qualität zu Furnier verarbeiten konnten», sagt Scherg. Weil pilzmodifizierte Furniere in ihrer Optik sehr unterschiedlich und speziell ausfallen, benötigt es einen Verarbeiter mit passendem Kundenstamm und Erfahrung. Im Falle des besagten Buchenstammes hat sich ein grosser Innenausbauer aus Amerika gemeldet, der genau solche Hölzer bei sich an Lager haben will. «Für uns ist es umso schöner, dass wir für dieses besondere Furnier so rasch einen Käufer finden konnten», sagt Scherg.
Da der Fund eines solchen Stammes sehr selten ist, gibt es auch Unternehmen wie die deutsche Mehling-Wiesmann GmbH, welche die Pilzmodifikationen technisch unterstützt. Unter dem Namen «Trüffel Buche» führt der Furnierhersteller rund 40 000 Quadratmeter des pilzmodifizierten Furniers im Sortiment. Wie genau eine solche gesteuerte Modifikation abläuft, ist ein gut gehütetes Geschäftsgeheimnis. «Wir versuchen, optimale Voraussetzungen für den Pilzbefall zu schaffen», sagt Alexander Fiedler, Diplomdesigner Musikinstrumentenbau und Gitarrenbaumeister. Auch unter den optimalen Bedingungen ist ein Erfolg noch lange nicht garantiert, und es benötigt Jahre, bis ein Stamm das erforderliche Stadium erreicht. «Es ist ein dynamischer Prozess vom lebenden Holz bis zur Erde, und wir versuchen, den Stamm zum richtigen Zeitpunkt zu ernten», sagt Fiedler.
Für die Pilzmodifikation eigen sich neben der Buche auch Ahorn, Pappel oder Kirsche. Buche hat hier ganz klar den Vorteil, dass das Holz im Vergleich günstig und gut verfügbar ist. «Da die Ausbeute sehr gering ausfällt, ist das Risiko bei teuren Holzarten oftmals zu hoch. Zudem kann das Ergebnis nicht vorgegeben werden. «Da es sich um einen natürlichen Zersetzungsprozess handelt, bekommt jeder Stamm ein einzigartiges Erscheinungsbild», sagt Fiedler. Deshalb ist es nicht möglich, die Optik von pilzmodifiziertem Holz genau zu beschreiben oder einzuordnen. «Es gibt Stämme, die erhalten eine surreale Farbgebung, andere eine Musterung durch die Demarkationslinien oder einen sonstigen Ausdruck.»
Wenn sich der Schreiner für ein solches Furnier entscheidet, sollte er bei der Verarbeitung ein paar Punkte beachten. Wie immer, wenn man mit exotischen oder besonderen Hölzern arbeitet, sollte eine Maske getragen und die Absaugung angeschaltet werden. «Es ist wissenschaftlich nicht belegt, aber wir empfehlen immer Schutzmassnahmen, da es sich um Pilzsporen handelt», sagt Fiedler. Auch bei der Verarbeitung muss sehr vorsichtig gearbeitet werden. «Das Furnier ist teilweise brüchig, und es kann zu Leimdurchschlag kommen», sagt Scherg. Weil sich neben den Pilzsporen meist auch noch Insekten im Holz breitgemacht haben, muss das Furnier häufig auch noch gespachtelt werden.
Bei der Oberfläche ist prinzipiell alles möglich, weil der Prozess der Pilzmodifikation nach der Trocknung gestoppt ist. Das Furnier saugt jedoch stärker als herkömmliche Furniere, weshalb Ölen nicht die erste Wahl bei der Oberflächenbehandlung ist. «Ich empfehle eine hochglänzende Oberflächenbehandlung, diese feuert das Furnier zusätzlich an», sagt Fiedler. Zudem muss beachtet werden, dass die Farbgebungen durch die Pilzmodifikation meist nicht UV-beständig sind und daher verblassen. Hier sollte eine Oberflächenbehandlung mit UV-Schutz verwendet werden.
Da es sich bei pilzmodifiziertem Furnier nicht um Standardware handelt, lohnt es sich, frühzeitig mit einem Furnierhändler in Kontakt zu treten, «Wir haben zurzeit zirka 1000 Quadratmeter an Lager», sagt Markus Barmettler, Geschäftsführer der Bollinger Furniere AG in Nürensdorf ZH. Für besondere Blickfänge oder Designakzente in einem Kundenauftrag reicht zudem meist weniger Furniermenge aus, was die Beschaffung von Furnier mit einheitlichem Erscheinungsbild vereinfacht. Neben dem Furnierbereich kommen pilzmodifizierte Hölzer auch oftmals als Massivholz im Bereich der Musikinstrumente, beispielsweise im Gitarrenbau, zum Einsatz.
Bei pilzmodifizierten Furnieren handelt es sich um individuelle Einzelstücke, die von der Beschaffung über die Verarbeitung bis hin zum fertigen Produkt ihre Eigenarten haben. «Der Schreiner muss sich bei der Wahl eines solchen Furniers bewusst dem Material und seinen Eigenheiten annehmen», sagt Tobias Scherg.
www.roser-swiss.chwww.bollinger.chwww.mehling-wiesmann.deVeröffentlichung: 18. November 2021 / Ausgabe 47/2021
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