Für einmal blieben die Mädels unter sich

Das sind Hocker der zweiten Gruppe des Frauenförderungs-Workshops. Die Sitzfläche, die Furnierarbeit sowie die Beine konnten die Lernenden selbst bestimmen. Bild: Melanie Burri

Bei den diesjährigen Frauenpower-Workshops in Brienz haben die angehenden Schreinerinnen Hocker hergestellt. Sie haben jeweils einen Tag gedrechselt und einen geschreinert, was bei ihnen gut angekommen ist.

Im Kurszentrum Ballenberg in Hofstetten bei Brienz BE wird gearbeitet, es ist laut, und es fliegen die Späne. In der einen Werkstatt sind die Lernenden daran, mit der Oberfräse und dem dazugehörigen Zirkel die Sitzflächen für ihren Hocker zu bearbeiten. Die einen machen eine runde Sitzfläche, die anderen fräsen die Ecken heraus oder bevorzugen eine andere Form. Im anderen Raum laufen die Drechselmaschinen auf Hochtouren. Diese Gruppe arbeitet an den Hockerbeinen. Bereits zum vierten Mal bietet der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) im Rahmen der Frauenförderung solche Workshops an. Je 24 junge Frauen ab dem zweiten Lehrjahr (egal ob EBA oder EFZ) verbringen in zwei Gruppen jeweils drei Tage im Berner Oberland.

Neben dem Arbeiten in der Werkstatt stehen auch andere Aktivitäten wie Teamförderung auf dem Programm, und auch das Kennenlernen und der Austausch untereinander sind ein wichtiger Bestandteil.

Oberfräsenzirkel im Einsatz

«Die Lernenden können selbst entscheiden, wie die Sitzfläche und die Beine ihres Hockers aussehen sollen», sagt Samanta Kämpf, Projektleiterin Grundbildung beim VSSM, die den Workshop organisiert und den Hocker designt hat. Die Sitzfläche müsse Rundungen aufweisen, da sie diese mithilfe des Oberfräsenzirkels herausfräsen sollen. «In diese werden dann dekorative Furnierstreifen eingelassen.» Für die Befestigung der vier Beine haben sie eine Überplattung hergestellt, in der die Beine verkeilt wurden. «Auch beim Einlassen des Furniers sind die Lernenden frei und können das Holz für die Streifen wählen. Es ist schön, zu sehen, wie motiviert und aufgestellt sie an der Arbeit sind.»

Kämpf hat sich bewusst für die Arbeit mit der Oberfräse und dem Zirkel entschieden, weil Letzterer in den meisten Schreinereibetrieben nur selten zum Einsatz kommt und die jungen Frauen so etwas Neues lernen. «Manche setzen diese auch bei Wettkämpfen der Schreinermeisterschaften ein. Aber für die meisten ist es bestimmt etwas Neues.» Das Gleiche gilt für das Drechseln, das ihnen im Workshop von Ueli Mischler beigebracht wird.

Eine ruhige Hand ist gefragt

«Wir schauen im Workshop die Basics des Drechselns an. Das ist nicht allzu schwierig, und man hat schnell einmal ein Erfolgserlebnis», erzählt der gelernte Drechsler aus dem Thurgau, der mehrere Jahre in einem Schreinrereibetrieb gearbeitet hat, heute aber nur noch als Drechsler und Kursleiter tätig ist. «Möchte man in seinem Objekt ausgeprägtere Formen oder Profilierungen erreichen, dann ist das natürlich schon für Fortgeschrittene. Mal schauen, wie weit wir an einem Tag kommen.» Die jungen Frauen stellen sich sehr gut an und sind motiviert. Der Kursleiter freut sich. Auch die Stimmung innerhalb der Gruppen ist sehr toll und harmonisch. «Das Wichtigste beim Drechseln ist, eine ruhige Hand und den richtigen Schnittwinkel zu haben. Denn nur schon ein falscher Schlenzer, und es gibt einen Fehler in der Arbeit.» Die meisten Anfängerinnen und Anfänger wollen in der Regel zu viel Vorschub geben. «Beim Drechseln gilt aber: Weniger ist mehr. Also lieber langsamer machen.»

Wie die Hockerbeine aus Eschenholz aussehen sollen, bestimmen die angehenden Schreinerinnen selbst. «Nur die Länge ist vorgegeben», sagt Mischler. «Der Zapfen muss einfach 30 Millimeter umfassen. Und das untere Ende des Beines sollte nicht dünner als 20 Millimeter sein wegen der Stabilität.»

Das Drechseln machte neugierig

«Drechseln an sich scheint mir nicht so schwierig zu sein. Bisher habe ich noch nichts falsch gemacht», sagt Michaela Vonesch. «Aber alle vier Beine gleich hinzubekommen, das wird eine Herausforderung. Ich möchte, dass sich alle ähnlich sind.» Zuvor hat die 24-Jährige aus Regensberg ZH (Lehrbetrieb A. Grünenwald AG, Oberglatt ZH) noch nie gedrechselt. Die Oberfräse kannte sie hingegen schon. Der Workshop macht ihr Spass, und die Teilnahme hat sich gelohnt. Sie hat sich wegen des Drechselns angemeldet, wobei ihr auch der Schreinerteil gefällt. Vonesch befindet sich im dritten Lehrjahr, macht die Lehre aber verkürzt. «Ich habe schon Zeichnerin Tiefbau gelernt. Ich wollte dann aber raus aus dem Büro und etwas Praktisches machen, also lerne ich noch Schreinerin», erzählt sie. Ihre Zukunft sieht sie in der Schreinerbranche. Sie kann sich vorstellen, später einmal Arbeitsagogin zu werden.

«Das Drechseln läuft nicht schlecht. Aber es ist noch schwierig, zu spüren, wie fest man drücken darf», beschreibt Sarah Hochuli aus Nussbaumen AG. Sie ist im vierten Lehrjahr. Auf den Workshop wurde sie durch ihren Lehrbetrieb (Holz-Design Schreinerei Meier, Würenlingen AG) aufmerksam. «Ich finde den Kurs super. Er macht grossen Spass. Ich bin allein hergekommen und habe schnell Kontakte geknüpft. Alle sind sympathisch und nett.»

Gute Kontakte geknüpft

Joyce Kalumba aus Zürich (Schreiner Ausbildungszentrum Zürich, Zürich; viertes Lehrjahr) wollte bereits im letzten Jahr am Workshop teilnehmen, war dann allerdings verhindert. So ist sie diesmal dabei. «Ich finde, es hat sich gelohnt, mitzumachen. Es ist eine sehr schöne Arbeit.» Für sie ist das Drechseln wie auch die Arbeit mit dem Zirkel neu. Auch sie hat schnell Anschluss gefunden. «Zum Kennenlernen haben wir Übungen gemacht. Das war gut.» Auch Jessica Angehrn aus Tägerwilen TG wurde durch ihren Lehrbetrieb (Kocherhans AG, Kreuzlingen TG) auf das Angebot aufmerksam. «Ich finde das Drechseln schwieriger, als ich mir vorgestellt habe», sagt sie und lacht. «Aber jetzt habe ich den Dreh raus.» Auch die Schreinerarbeit am Hocker gefällt ihr. Sie hat noch nicht oft furniert, sie ist im zweiten Lehrjahr. «Es hat sich gelohnt, teilzunehmen. Auch weil ich viele tolle Mädels kennengelernt habe.» Sie ist allein hergekommen. «Als ich aus dem Bus ausgestiegen bin und die anderen gesehen habe, hatte ich gleich ein gutes Gefühl.»

www.vssm.chwww.drechslereiplus.com

nicole d’orazio

Veröffentlichung: 03. Oktober 2024 / Ausgabe 40/2024

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