Feuchte Luft in trockene Tücher bringen
Über eine solche Düse gelangt die Feuchtigkeit in die Raumluft der Schreinerei von Brändi. Bild: Sven Bürki
Über eine solche Düse gelangt die Feuchtigkeit in die Raumluft der Schreinerei von Brändi. Bild: Sven Bürki
Luftbefeuchtung. Eine niedrige relative Luftfeuchtigkeit kann zu gesundheitlichen Beschwerden und zu technischen Herausforderungen in der Produktion führen. Eine Luftbefeuchtungsanlage kann Abhilfe schaffen, wie das Beispiel von Brändi zeigt.
Viel zu schnell waren sie wieder vorbei, die langen, sonnigen Sommertage. Mit dem Herbst kommen die tieferen Temperaturen und der Nebel, die Bäume bereiten sich mit ihrer farbenprächtigen Übergangsmode auf den Winter vor, und in den Innenräumen werden die Heizungsregler allmählich hochgedreht. Das Heizen bringt jedoch nicht nur angenehme Temperaturen in der Wohnung, im Büro und in der Werkstatt mit sich, sondern auch ein häufig auftretendes Problem: nämlich die trockene Luft in den geheizten Räumen. Schuld daran ist die Physik, denn sie lehrt uns, dass kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann als warme.
Ein Beispiel aus dem Merkblatt «Luftbefeuchtung» von Energie Schweiz macht das Ganze etwas anschaulicher: Wenn die Aussenluft bei 0 °C 40 % relative Luftfeuchtigkeit enthält, hat sie einen absoluten Wasserdampfgehalt von etwa 1,5 Gramm Wasser pro Kilogramm Luft. Wird die Luft jedoch auf 21 °C aufgeheizt, ohne zusätzlich Feuchte hinzuzufügen, macht der vorhandene Wasserdampf nur noch rund 10 % des maximal möglichen Gehaltes aus, da die Luft bei dieser Temperatur bis zu 16,7 Gramm Wasser pro Kilogramm Luft aufnehmen könnte.
In einem benutzten Raum wird die relative Luftfeuchtigkeit aber mit grosser Wahrscheinlichkeit mehr als 10 % betragen, denn in der Regel finden sich darin einige Feuchtequellen. So fungiert beispielsweise der Mensch als natürlicher Befeuchter. Bei ruhiger Tätigkeit und Raumtemperatur gibt eine Person etwa 50 Gramm Wasser pro Stunde ab. Bei rudimentärer körperlicher Betätigung, zum Beispiel bei Haushaltsarbeiten, beträgt die Wasserdampfabgabe pro Stunde gar 130 Gramm. Weitere Feuchtequellen, die das Raumklima beeinflussen, sind Pflanzen. Aber auch das Kochen, das Duschen oder das Trocknen von Wäsche leisten ihren Beitrag. In der Wegleitung zur Verordnung zum Arbeitsgesetz wird der physiologisch optimale Bereich für die relative Luftfeuchtigkeit vorgeschrieben. Dieser sollte zwischen 30 und 60 % liegen. Wird dieser Bereich über längere Phasen unterschritten, kann dies zu Beschwerden führen.
Symptome, die einer zu trockenen Raumluft zugeschrieben werden, sind beispielsweise brennende Augen, trockene Schleimhäute und juckende Haut. Auch Atemwegsinfektionen und eine geschwächte Immunabwehr können ihre Ursache in einer tiefen Luftfeuchtigkeit haben.
Reizungen durch zusätzliche Faktoren wie beispielsweise Staub oder Lösungsmittel können durch eine zu trockene Luft verstärkt werden. «Besonders Personen mit empfindlichen Schleimhäuten und Allergiker leiden häufiger in der kalten Jahreszeit, da trockene Schleimhäute durchlässiger sind für Allergene, aber auch für Krankheitserreger», sagt Thomas Zünd. Inzwischen im Ruhestand hat Zünd über zwei Dekaden andere Firmen zum Thema der gesunden Luftqualität in Innenräumen beraten und zusammen mit der Organisation Lunge Zürich und der Lungenliga Schweiz die Beratungsstelle «Gesunde Luft» gebildet. «Personen ohne gesundheitliche Beschwerden stecken niedrige Raumluftfeuchten in der Regel besser weg», sagt Zünd. Vielleicht arbeitet auch jemand ein Leben lang in einer solchen Umgebung und hat nie Probleme. «Manche Personen sind einfach resilienter als andere», erklärt Zünd.
Während sich die optimale Luftfeuchtigkeit in der Theorie recht einfach definieren lässt, ist es in der Praxis nicht ganz so leicht.
«Diese Vorgabe von 30 bis 60 % relative Luftfeuchtigkeit nimmt keinerlei Bezug auf die individuellen Umstände in einem Raum», sagt Zünd. So hat beispielsweise auch die Temperatur einen Einfluss darauf, wie trocken man die Luft wahrnimmt. Ein, zwei Grad Temperaturunterschied können einen grossen Einfluss auf das individuelle Empfinden haben. Zudem sollte die Temperatur auch der Körpertätigkeit angepasst werden (siehe Abbildung unten).
Ein weiterer Faktor, der das Raumklima beeinflusst, ist die generelle Luftqualität. Feinstaubbelastete Luft wird in der Regel als trockener wahrgenommen. «Erfahrungen zeigen: Menschen, die in Reinräumen mit staubfreier Luft arbeiten, fühlen sich auch noch bei nur 8 % Luftfeuchtigkeit wohl», heisst es etwa im Beitrag «Der Hype ums perfekte Raumklima» des Schweizer Radio und Fernsehen (SRF).
In einer Schreinerei sieht das natürlich anders aus. Hier wird es auch mit der besten Absaugung immer Staub in der Luft haben. Deshalb macht es Sinn, die Parameter des Raumklimas im Auge zu behalten. Auch, weil da in der Regel Feuchtequellen wie Pflanzen oder trocknende Wäsche fehlen. «Man kann aber nicht ungerichtet die Feuchtigkeit in einem Raum erhöhen und erwarten, dass damit die Luftqualität automatisch besser wird», sagt Zünd. Es empfiehlt sich, in jedem Fall mit einer Fachperson zu sprechen und gegebenenfalls Messungen vorzunehmen. Denn werden die 60 % relative Luftfeuchtigkeit über einen längeren Zeitraum überschritten, besteht das Risiko, dass sich Schimmelpilze bilden. In diesem Zusammenhang sind auch Schnupfen, Bronchitis, Asthma und chronischer Husten nachgewiesen. Aus diesem Grund müsse die Feuchtigkeit immer geregelt zugeführt werden, wie Zünd sagt.
In der Schreinerei von Brändi in Kriens LU hat man sich vor rund zwei Jahren für die Installation einer Luftbefeuchtungsanlage mit Hochdruckzerstäubung entschieden. Produktionsleiter Jonas Leder erinnert sich an die Zeit davor zurück: «Man hat im Alltag wirklich gemerkt, dass die Luft bei uns in der Schreinerei über die Wintermonate zu trocken ist.» Zudem sei es bei Aufträgen immer wieder zu Problemen mit Rissen und Massdifferenzen gekommen. Das habe dazu geführt, dass ganze Produktionsschritte angepasst worden seien. «Beim Ulmer Hocker von Designer Max Bill mussten wir zum Beispiel darauf achten, dass wir direkt nach dem Bearbeiten der Verbindungen verleimen können, da sonst die Fingerzinkenverbindung nicht mehr gepasst hätte», sagt Leder. Und bei der Verbindung von Längs- zu Querholz unten am Fuss sei es zu Massdifferenzen gekommen.
Interne Messungen ergaben, dass die relative Luftfeuchtigkeit in der Werkstatt zeitweise nur rund 20 % betragen hat. «Die Messungen haben wir mit Unterstützung unseres zentralen Dienstes gemacht, der für die Infrastruktur der Stiftung zuständig ist», sagt Leder. «Somit konnten wir früh für das Thema sensibilisieren, was wohl das Sprechen des Budgets vereinfacht hat.» In dieser Phase habe man sich auch nach einem Referenzobjekt umgeschaut und konnte bei der 1a Hunkeler AG in Ebikon LU eine entsprechende Anlage besichtigen.
Den Auftrag ausführen durfte schliesslich die Paul Schenk AG in Ennetbürgen NW. «Die Hochdruckpumpe konnte im Keller ideal platziert werden, damit der Weg der Leitungen sowohl in den Bankraum als auch in den Maschinenraum möglichst kurz ist», sagt Leder.
Nebst der Pumpe ist ein Wasserfilter für die Sedimentabscheidung, eine UV-Lampe zur Entkeimung und eine Osmoseanlage zur Abscheidung von Mineralstoffen in das System integriert. Eine Wasserenthärtungsanlage war bereits vorhanden und konnte angeschlossen werden. Kostenpunkt der Anlage inklusive Installation und Kernbohrung für die Leitungsführung vom Keller in die Etage der Produktion: rund 35 000 Franken. Eine Investition, die sich bezahlt gemacht hat, wie Leder sagt. «Das Raumklima in der Werkstatt ist seither merklich angenehmer, und die technischen Probleme mit dem Schwinden und Quellen sind nicht mehr aufgetreten.»
Zu Beginn habe man aber durchaus auch Respekt gehabt, schliesslich vertragen sich Wasser und Maschinentische aus Gusseisen nicht sonderlich gut. «Bisher haben wir aber keine schlechten Erfahrungen gemacht, auch an den Orten, an denen eine Düse direkt über einer Maschine angebracht ist», sagt Leder. «Der ausgestossene Wassernebel ist so fein, dass sich die Feuchtigkeit sofort in der Luft verteilt, und bis jetzt hat es auch nirgends getropft.»
Die Zerstäubung passiert sehr geräuscharm. Während im Bankraum manchmal ein leises Zischen wahrnehmbar sei, höre man im Maschinenraum gar nichts. Eine Sensorik sorgt dafür, dass die relative Luftfeuchtigkeit konstant bei um die 50 % gehalten wird. In den warmen Monaten läuft die Anlage hingegen nur periodisch ein paar Minuten pro Tag aus hygienischen Gründen. Somit wird das Wasser in den Leitungen laufend ausgetauscht. Einmal pro Jahr wird ein Service empfohlen. Dabei werden die Wasserfilter ersetzt und das Leitungssystem desinfiziert. Dafür wird Desinfektionsmittel in die Luftbefeuchtungsanlage eingespeist, welches am Ende der Leitungen wieder in Kanistern aufgefangen wird. Anschliessend werden die Leitungen mit Trinkwasser durchgespült.
Seit der Installation im November 2022 hat die Luftbefeuchtungsanlage bei Brändi rund 717 Betriebsstunden im Maschinenraum und 227 im Bankraum aufgezeichnet. Die Differenz liegt unter anderem in der Raumgrösse begründet und darin, dass im Maschinenraum über das grosse Werkstatttor eine grössere Luftumwälzung stattfindet. Aber auch die Absauganlage und die Raumtemperatur haben einen Einfluss auf die Befeuchtungsintervalle. Rund 29 Kubikmeter Wasser liefen im letzten Jahr durch das System. Daraus ergibt sich ein Wasserverbrauch von 3625 Litern pro Monat bei einer angenommenen Heizungsperiode von acht Monaten. Was im ersten Moment nach sehr viel klingt, relativiert sich aber aus wirtschaftlicher Sicht schnell einmal, geht man von einem Wasserpreis um die 2 Franken pro 1000 Liter aus.
Das Beispiel Brändi zeigt, dass die Feuchtigkeit in der Luft einen grossen Einfluss auf Mensch und Material in einer Werkstatt hat. Aber auch in der Oberflächenbehandlung kann eine geregelte Befeuchtung Sinn machen. Wer wissen möchte, wie die Luftfeuchtigkeit das Lackierergebnis beeinflusst und welche Arten von Befeuchtungsanlagen es gibt, kann dies im Dossier «Raumklima» auf der Website der Schreinerzeitung nachlesen. Hier finden sich weitere Artikel zum Thema.
Veröffentlichung: 07. November 2024 / Ausgabe 45/2024
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