Entscheidung an der Ecke

Verschiedenste Eckverbindungen und Fenstersysteme haben sich am Markt etabliert. Gehrungsverbindungen trifft man in der Schweiz eher selten an. Bilder (2): BFH

Stabilität.  Grossflächige Fenster und Verglasungen liegen im Trend. Aber halten die seit Jahrzehnten bewährten Eckverbindungen diesen Belastungen noch stand? Die Berner Fachhochschule (BFH) hat genau das untersucht.

Immer schlankere Fensterprofile, kombiniert mit immer schwereren Gläsern, stellen in Bezug auf die Fensterstatik eine Herausforderung dar.

Die Wahl der Eckverbindung muss der Fensterbauer sehr gut überdenken und auf die betrieblichen Anforderungen abstimmen. Neben der Fertigung sollten dabei auch die zu erwartenden statischen Anforderungen abgeklärt werden. Grundsätzlich lässt sich je nach Fenstersystem die Eckverbindung bei hohen Belastungen durch geeignete Massnahmen entlasten. Die Kunst ist es, diese wirtschaftlich zu gestalten und nur dann einzusetzen, wenn sie auch wirklich notwendig sind.

Aber gleich vorne weg: Die beste Eckverbindung im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Vielmehr müssen die Anforderungen aus Fertigung, Ästhetik und Statik gewichtet und daraus die beste Lösung für den Betrieb gewählt werden. Dazu ist es unerlässlich, die Festigkeitswerte zu ermitteln.

Wechsel kann sich lohnen

Die Frage der Verbindung stellt sich den Betrieben häufig dann, wenn eine Investition für den Ersatz der Hauptmaschine ansteht. Für die bisherige Verbindung spricht, dass sie sich in der Regel im Betrieb bewährt hat und für die produzierten Fenstersysteme das Werkzeug vorhanden ist. Dies erlaubt ein Weiterführen der Produktion mit relativ bescheidenem Planungsaufwand und wenig Übergangsverlusten.

Ein Wechsel des Eckverbindungssystems ist mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Dieser kann sich aber insbesondere dann lohnen, wenn gleichzeitig ein neues Fenstersystem eingeführt werden soll und dabei auch neues Werkzeug beschafft werden muss. Oder auch wenn Überlegungen zur Einzelteilfertigung und Einzelteillackierung gemacht werden. Das hat meistens auch Änderungen im Produktionsablauf zur Folge. Es empfiehlt sich, dabei genau und unabhängig abzuklären, ob sich die Eckverbindung für alle vorgesehenen Fenstersysteme eignet. Hier ist vor allem zu berücksichtigen, dass im Holzbereich eine äusserst grosse Variantenvielfalt vorhanden ist und die Systemanbieter kaum jede davon bereits geprüft haben.

Zum Beispiel müssen alle Glasfalzoptionen in Kombination mit Friesdimensionen und Profilierungen mit dem Eckverbindungssystem überprüft werden. Der Fensterbauer muss dabei in der Regel selber sehr viel Aufwand betreiben, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

Dazu gehört auch eine umfassende Berechnung der Kosten. Neben den Fertigungskosten kommen hier die Aufwände für die zusätzlichen Materialien wie Dübel, Schrauben, Schwalben usw. sowie deren Verarbeitung und Einbringung inklusive der dazu notwendigen Einrichtungen hinzu. Zudem eignet sich nicht jede Maschinentechno- logie für jede Verbindung.

Diese Faktoren muss man kennen

Die Erhöhung der Glasgewichte wie auch die immer grösseren Flügeldimensionen belasten die Fensterkonstruktion als Ganzes. Mit den bereits erwähnten schlanken Profilierungen geht bezüglich der Flügel-eckverbindung aber in der Regel auch ein Verlust an Verbindungs- und damit Klebefläche einher. Das kann die Tragfähigkeit einer Eckverbindung herabsetzen. Die Frage ist nun, ob die Festigkeit der Verbindung ausreicht und auch mit reduziertem Querschnitt genügend Reserve bleibt. Damit der Fensterbauer das beantworten kann, muss er die Festigkeitswerte kennen und die auf die Verbindung einwirkenden Lasten ermitteln. Folgende Punkte gilt es dabei zu berücksichtigen:

  • permanente statische Vertikallasten in geschlossenem und geöffnetem Zustand (Flügelgewicht)
  • kurzfristige statische oder dynamische Vertikallasten in geöffnetem Zustand (z.B. Person hält sich an Flügel fest)
  • dynamische Horizontallasten (Wind, stolpernde Personen)

Darüber hinaus spielen weitere Einflüsse eine Rolle:

  • Flügelabmessung unter Berücksichtigung des Seitenverhältnisses
  • Öffnungsart (Drehflügel, Drehkipp, Festverglasung)
  • Flügelrahmenprofil (Querschnitt, Profilierung)
  • Glaseinbau (Verklotzung, Verklebung)
  • Eckverbindung
  • Bandtyp

Wissen ist Geld

In Bezug auf die statischen Anforderungen können die Eckverbindungen auf ihre Festigkeit geprüft und die entsprechenden Bemessungswerte ermittelt werden. Ein solches Nachweisverfahren beschreibt die IFT-Richtlinie «Rahmeneckverbindungen für Holzfenster». Das Verfahren eignet sich bezüglich Statik aber nur für eine generelle Betrachtung.

Der Verkauf und die Arbeitsvorbereitung eines Fensterbaubetriebes benötigen verifizierte Vorgaben bezüglich der Systemgrenzen aller verarbeiteten Fensterprofilvarianten. Die Planer müssen im täglichen Arbeitsprozess schnell und unkompliziert die maximal möglichen Abmessungen für verschiedene Glas- und Öffnungsvarianten ermitteln können.Eine Überschreitung der zulässigen Grenzen kann fatale und teure Folgen haben. Andererseits ist es ärgerlich, wenn ein Mitbewerber den Zuschlag erhält, weil man selber unsicher war, ob die eigene Konstruktion den Anforderungen gewachsen ist. Entsprechend kann eine genaue Kenntnis der Möglichkeiten und Grenzen ein nicht zu unterschätzender, wirtschaftlicher Vorteil sein.

Welcher Faktor entscheidet?

Nun stellt sich die Frage, welcher der genannten Einflussfaktoren limitierend ist und entsprechend verbessert werden muss, um diese Fensterelemente mit geringem Risiko einsetzen zu können. Die Berner Fachhochschule hat hierfür folgende Untersuchungen durchgeführt:

  • Festigkeit von Fenstereckverbindungen
  • Festigkeit von Drehbändern
  • Optimierungsvarianten zur Verbesserung der Tragfähigkeit von Bändern
  • Tragfähigkeit und Bruchverhalten von gesamten Fensterkonstruktionen unter Vertikallast

Ziel war es, die Tragfähigkeit der Fensterkonstruktionen zu optimieren und zu verbessern sowie mit den Ergebnissen über Annäherungsverfahren kundenspezifische Systemgrenzen für die Fenstersysteme zu erarbeiten.

Die Festigkeit einer Fenstereckverbindung hängt dabei von ganz verschiedenen Faktoren ab:

  • Verbindungstyp (geschlitzt, geschraubt, gedübelt, Schwalbenverbindung, Kombinationen und Weitere)
  • Profilquerschnitt
  • Fensterkonstruktion (IV, Holz-Alu, Integral)
  • Glasstärke
  • Klebstoff
  • Verarbeitungsqualität, Toleranzen

Grosse Unterschiede bei Fenstertypen

Die Untersuchungen haben ergeben, dass nicht unbedingt der Eckverbindungstyp massgebend für die Festigkeit ist. Allerdings gibt es grössere Unterschiede zwischen den Fenstertypen. Die Glasscheibe leitet die auftretenden Kräfte über die Verklotzung in die Flügelkonstruktion. Bei Holz-Metall- oder Integralfenstern steht das Glas einseitig im Flügelquerschnitt, was eine ungünstige Lastverteilung innerhalb des Profils ergibt. Der direkt unter dem Glas liegende Bereich wird stärker beansprucht. Dies kann bei sehr schlanken Flügelprofilen zum Abscheren im Glasfalz führen. Wichtig sind in jedem Fall die optimale Position von Dübeln und Schrauben oder auch die geschickte Anordnung der Klebeflächen bei Schlitz-Zapfen-Verbindungen.

Einen weiteren Faktor stellen die variablen Glasstärken innerhalb eines Fenstersystems dar. Sie führen zu grossen Festigkeitsunterschieden in der Eckverbindung – je dicker das Glaselement, desto schwächer der Holzquerschnitt.

Schwierig zu beurteilen sind die Einflüsse von Bearbeitungstoleranzen in der Fertigung – dazu zählt auch die Klebstoffapplikation. Insbesondere ein manuelles Auftragen des Klebstoffes kann innerhalb einer Fertigungscharge grosse Streuungen bei den Bruchwerten zur Folge haben.

Gezielte Optimierungen sind gefragt

Die Festigkeit eines Flügels nur auf die Eckverbindung zu reduzieren, greift also zu kurz. Bei schweren Gläsern wird die Gesamtkonstruktion so weich, dass die Funktion ohne zusätzliche Massnahmen nicht mehr gegeben ist. Eine gezielte Verklebung der Scheibe mit dem Flügelrahmen entlastet die Eckverbindung und es lassen sich grössere Flügeldimensionen realisieren. Ebenfalls Potenzial birgt die Optimierung der Bandbefestigung im Flügel und Blendrahmen.

Die Forscher müssen nun entsprechende Berechnungsmodelle erstellen, mit deren Hilfe der Anwender die maximalen Flügeldimensionen und -gewichte mit einer akzeptablen Genauigkeit unter Berücksichtigung aller massgebenden Faktoren berechnen kann.

AHB/BFH

Umfassende Dienstleistungen

Die Berner Fachhochschule zählt zu den führenden Schweizer Bildungsinstitutionen im Bau- und Holzbereich. Im Rahmen von Forschungsprojekten und Dienstleistungen für die Wirtschaft entwickeln und optimieren Fachleute Produkte und Systeme unter anderem in den Bereichen transparente Fassaden, Fenster und Türen.

Im – nach internationalen Normen akkreditierten Labor – prüfen sie Bauteile und Produkte auf deren Eigenschaften hinsichtlich Gebrauchstauglichkeit sowie Sicherheit. Die Berner Fachhochschule verfügt zudem über eine notifizierte Prüfstelle für Fenster und Türen.

www.ahb.bfh.ch

Urs Uehlinger, Leiter ForschungseinheitFassadenelemente, Innenausbau und Möbel an der Berner Fachhochschule

Veröffentlichung: 21. Juni 2012 / Ausgabe 25-26/2012

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