Elektronisch hinter Schloss und Riegel

Mit den modernen Zutrittssystemen sind zuweilen weder Verkabelungen im Möbel noch sichtbare Komponenten auf der Aussenseite vonnöten. Bild: Dormakaba Schweiz AG

Möbelschlösser.  Ein Schloss sollte in erster Linie intuitiv zu bedienen sein und eine zuverlässige Zutrittskontrolle gewährleisten. Bei modernen, elektronischen Möbelschlössern rücken die Smartphones vermehrt in den Fokus – und die sichtbaren Komponenten in den Hintergrund.

Die grifflose Front ist im modernen Möbelbau ein vertrautes Bild. Eine grosse Bandbreite an Push-to-open-Beschlägen macht die Umsetzung solcher ebenen Frontflächen ohne hervorstehende Elemente für den Schreiner und Möbelbauer einfach und naheliegend. Soll der Inhalt solcher Möbel nun aber mit einem Schloss oder Zutrittssystem gesichert werden, ist die Auswahl an möglichen Lösungen erheblich eingeschränkt. Unmöglich ist es allerdings keinesfalls, denn mit einem elektronischen Möbelschloss kann der Inhalt des Schrankes, des Fachs oder der Schublade durchaus gegen den Zugriff Unbefugter gesichert werden, ohne dass auf der Aussenseite der Front sichtbare Komponenten angebracht werden müssen.

RFID und Bluetooth

Eine Technologie, die bei elektronischen Zutrittslösungen seit Jahrzehnten eingesetzt wird, ist Radio Frequency Identification (RFID). Dabei empfängt ein Lesegerät im Möbelschloss die Daten eines RFID-Transponders und löst das Öffnen beziehungsweise das Schliessen des Schlosses aus. Beim Transponder handelt es sich um ein Schlüsselmedium, wie etwa eine Karte oder einen Chip. «Die RFID-Technologie ist auch heute noch der Standard bei elektronischen Möbelschlössern», sagt Thomas Vogler, Geschäftsführer der Xlock GmbH im österreichischen Lochau. Der Trend gehe aber hin zu Bluetooth-fähigen Schlössern, die über das Smartphone verwaltet und bedient werden können. «Bei Systemen mit RFID braucht es immer eine PC-Software und ein Programmiergerät, was ein gewisses Know-how erfordert», sagt Vogler. «Die Verwaltung der Bluetooth-Schlösser über eine App ist wesentlich einfacher und verständlicher.»

Technologische Grenzen

Die Bluetooth-Technologie hat aber auch in technischer Hinsicht einen Vorteil gegenüber Lösungen mit RFID, denn bei Letzterem ist die mögliche Distanz zwischen Lesegerät und Schlüsselmedium begrenzt. Das liegt daran, dass die Schlüsselkarten oder -chips in der Regel passiv sind und über keine eigene Energieversorgung verfügen. Die Energie für die Kommunikation zwischen Schlüssel und Schloss muss demnach von der anderen Seite, sprich dem Schloss kommen. So setzen die Physik sowie die Qualität des verwendeten Schlüsselmediums bei der RFID-Technologie gewisse Grenzen, was die mögliche Frontstärke des Möbels angeht. Die gängigen Plattenstärken im Möbelbau sind mit den heutigen RFID-Systemen aber durchaus möglich – auch ohne Lesemodul auf der Aussenseite der Front. Eine Kennzeichnung des Auslesebereiches ist meist dennoch sinnvoll, da die Position des Schlosses ansonsten von aussen nicht ersichtlich ist. Das kann etwa mit einer dezenten Einfräsung in der Front erfolgen. «Bei metallischen Fronten brauche es jedoch in jedem Fall eine separate Antenne oder eine, die in den Griff integriert ist», sagt Vogler. Denn das Metall schirme die RFID-Signale komplett ab. Bei Möbelschlössern mit Bluetooth fallen diese Einschränkungen weg. «Der Einsatz ist auch in Metallschränken problemlos möglich, und die Signalübertragung funktioniert theoretisch auch über die Distanz von zehn Metern», sagt Vogler.

Digitales Espagnoletten-Schloss

Auch wenn Bluetooth-Schlösser eine Bedienung mit Smartphone möglich machen, sei diese Variante bis jetzt nicht so populär. «Viele Unternehmen setzen nach wie vor auf RFID-Karten oder -Schlüsselanhänger», sagt Vogler. Bei den Schlössern der Xlock GmbH sei deswegen auch immer ein RFID-Leser integriert.

Ausserdem kann auch ein Zahlenfeld für die Bedienung per PIN oder ein Lesemodul für Fingerprint angedockt werden. So etwa auch beim Drehstangenschloss «Xlock 180» des Unternehmens. Das batteriebetriebene Schloss ist für den Einsatz in Schränken mit Doppeltüren und in Kombination mit einer Espagnoletten-Stange vorgesehen. Über die App «Xlock Manager» kann das Schloss programmiert und verwaltet werden. Durch die Anbindung über Bluetooth lassen sich zum Beispiel die Zutrittsberechtigungen in Echtzeit kontrollieren und aktualisieren. Mit der Koppelung per Gateway (Internet-Brücke zwischen dem Schloss und der Cloud) lässt sich das Schloss auch aus der Ferne öffnen und steuern. Zudem können so auch PINs oder IDs aus der Ferne programmiert, geändert oder gelöscht werden.

Offizieller Vertriebspartner der Xlock GmbH ist die A-Pact GmbH mit einer Geschäftsstelle in St. Margrethen SG.

App-Lösungen

Auch die PS GmbH aus Egg in Österreich bietet für das Management ihrer Produkte eine App-Lösung. So können die Möbelschlösser mit der «PSLocks»-App über die Anbindung per Bluetooth verwaltet und bedient werden. Jedes Schloss wird hierfür mit einem vierstelligen Benutzercode in der App registriert. Der Administrator kann die gespeicherten Schlösser danach individuell benennen, zu Gruppen zusammenstellen sowie Zutrittsberechtigungen vergeben. Für den Einsatz in öffentlichen Räumen wie etwa in Schulen, Fitnesscentern, Schwimmbädern oder überall dort, wo temporäre Wertfächer Verwendung finden, gibt es zudem die «Puplic Storage»-App. Diese können die Besucher kostenlos herunterladen und somit pro Smartphone ein Wertfach belegen. Der Administrator hat etwa die Möglichkeit, die maximale Belegungsdauer zu definieren. Die PS-Schlösser können aber auch in eine eigene App des Anwenders eingebunden und bedient werden. Denn die Schnittstelle (API) zu den Schlössern ist offen und für jedermann verfügbar, wie das Unternehmen schreibt.

Auch für Schiebetüren und Schubladen

Aus dem Sortiment der PS GmbH kann unter anderem das Möbelschloss «Solo» per App bedient werden. Es eignet sich sowohl für Fronten mit Scharniersystem als auch für Schiebetüren oder Schubladen. Nebst der Version mit Bluetooth-Technologie ist das Schloss in den Ausführungen RFID mit 125 kHz (Standards EM4102 bzw. EM4200) und RFID mit 13,56 MHz (Standard Mifare ISO 14443A) erhältlich. Das «Solo» ist batteriebetrieben. Es kann optional auch an einem externen Netzteil angeschlossen werden. Das Schloss wird auf der Innenseite der Front montiert und ist somit von aussen nicht sichtbar.

Beim RFID mit 125 kHz in Kombination mit einer Schlüsselkarte nennt das Unternehmen bis zu 25 Millimetern als mögliche Lesedistanz. Bei den RFID-Schlössern sollte ein Mindestabstand von 100 Millimetern zwischen zwei Schlössern eingehalten werden. Schweizer Vertriebspartner der PS GmbH sind die Opo Oeschger AG, die Glutz AG sowie die easyID Solutions GmbH.

Fünf Jahre Strom ohne Kabel

Auch das Schrankschloss «dormakaba 21 10» der Dormakaba Schweiz AG wird von innen verbaut und benötigt keine sichtbaren Komponenten auf der Aussenseite der Front. Es ist für den Einsatz in Büros, Schulen oder im Gesundheitssektor gedacht und kann auch bei Schubladen eingesetzt werden. Das RFID-basierte Schloss eignet sich für Frontstärken bis 22 Millimeter und funktioniert kabellos mit Batterien. Wie das Unternehmen schreibt, sollen diese bis zu fünf Jahre halten. Sind sie trotzdem einmal erschöpft, wird dies angezeigt. Ein eingebauter Energiespeicher sorgt zudem dafür, dass sich die Tür auch noch öffnen lässt, sollten die Batterien trotzdem einmal komplett leer sein. Nebst einer Riegelüberwachung erkennt ein zusätzlicher Kontakt unberechtigte Öffnungsversuche und löst in einem solchen Fall einen Alarm aus.

Das Schrankschloss lässt sich in die Standalone- und Online-Zutrittslösungen von Dormakaba integrieren. Somit kann der Zugang zu Räumen sowie die Öffnung von Schränken mit einem Zutrittsmedium erfolgen. Zudem unterstützt das Schloss die RFID-Standards Legic advant, Mifare DESFire und OSS-SO (Version 2021-06). Vertriebspartner der Dormakaba Schweiz AG sind unter anderem die Hasler & Co AG, die Koch Group AG und die Rudolf Geiser AG.

Drei-Punkte-Verriegelung

Ebenfalls ohne Verkabelung kommt das Möbelschloss «M300» der Lehmann Vertriebsgesellschaft GmbH aus. Bei dem Schloss des Unternehmens mit dem Hauptsitz in Minden (D) erfolgt die Energieversorgung mittels handelsüblicher AA-Batterien. Es eignet sich aufgrund einer Drei-Punkt-Verriegelung besonders für Karteischränke und hohe Schrankfronten.

Das Schloss kann wahlweise über RFID-Transponder, Bluetooth oder Funk bedient werden. Zusätzliche Module für den Zugang per PIN oder Fingerprint können ebenfalls angebunden werden. Jede Steuereinheit arbeitet autark und erlaubt es, individuelle Zugriffsberechtigungen zu programmieren.

Not-Bestromung von aussen

Mit einem innen liegenden RFID-Leser kann das «M300» ohne sichtbare Komponente auf der Frontaussenseite betrieben werden. Das Unternehmen empfiehlt jedoch den Einsatz eines aussen liegenden Lesers, da somit das Schloss bei leeren Batterien zur Not auch von aussen mit Energie versorgt und geöffnet werden kann.

Das Möbelschloss kann sowohl rechts als auch links montiert werden und ist auch als Ein-Punkt-Version erhältlich. Schweizer Fachhandelspartner des Unternehmens ist die Opo Oeschger AG. Die elektronischen Möbelschlösser sind jedoch nicht im Sortiment von Opo geführt. Für die Beratung zu den Produkten kann direkt mit der Lehmann Vertriebsgesellschaft GmbH Kontakt aufgenommen werden.

www.xlockgroup.comwww.pslocks.comwww.dormakaba.comwww.lehmann-locks.com

Sven Bürki

Veröffentlichung: 10. April 2025 / Ausgabe 15/2025

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