Ein Türdrücker kommt selten allein

Wenn man die Varianten der Artwork-Serie von Hager sieht, fällt es so richtig auf: Beschläge aus einem Guss können einen Raum entscheidend prägen. Bilder: Hager Zierbeschläge AG

Durchgängigkeit beim design.  Oft fällt es erst hinterher auf, wenn alles fertig ist: Die Beschläge in einer Wohnung passen nicht recht zusammen. Das hätte nicht so sein müssen, gibt es inzwischen doch so manches an familienfreundlichen Beschlaglinien.

Noch den Türstopper oder die Stange für das Handtuch passend zu den Türdrückern, den Fensteroliven und den Bügelgriffen aus der Küche bestellen – das ist möglich, aber nach wie vor selten. Beim Thema Durchgängigkeit oder dem «Liniendenken», wie Markus Ziltener, Co-Gründer der U.S.W. AG in Thalwil ZH, es nennt, ist die Auswahl bislang auf einige wenige Hersteller beschränkt. Zumindest wenn es darum geht, dass Möbel und Interieur aus dem gleichen Holz geschnitzt sind wie die Baubeschläge oder gar die Badezimmerausstattung. Die Durchgängigkeit ist also meist von Lücken geziert.

Ein Grund dafür liegt in der Historie. «Der Türbeschlag war in der handwerklichen Fertigung immer sehr mit dem Schloss verbunden. Die Hersteller haben aber keine Möbelbeschläge gemacht», erklärt Adrian Hager, Geschäftsführer der Hager Zierbeschläge AG in Niederurnen GL. Später teilten sich Beschlag und Schloss auf. Die Trennung von Bau- und Möbelbeschlägen blieb aber ebenso erhalten. So passen manchmal schon die Oberflächen von Türband, Türdrücker und Hebeschiebebeschlag nicht zusammen. Und das wiederum passt nun gar nicht zur gehobenen Ausstattung eines Stockwerkeigentums in der Schweiz mit Seesicht.

Beliebte Beschläge haben Begleitung

Klar werden Beschläge heute in grossen Stückzahlen industriell gefertigt. Das senkt die Stückkosten und die Preise. Das aber geht auch auf Kosten eines durchgängigen Designs. «Entweder sind die Hersteller stark im Baubereich oder bei den Möbeln», sagt Hager. Abhilfe kann leisten, wer einen guten Überblick hat oder sich viel Zeit für die Suche nimmt. Zum äusserst beliebten Gehrungstürdrücker in Edelstahl lassen sich allerhand passende weitere Beschläge finden – von anderen Herstellern versteht sich. Eine echte Durchgängigkeit erreiche man so zwar nicht, aber eine Lösung lässt sich finden, sagt Hager. Schwieriger wird es mit abnehmender Häufigkeit eines Beschlages. Die zweifelsohne formschönen Beschlagentwürfe eines Walter Gropius und von anderen aus der Bauhaus-Zeit werden schon bei Innentüren selten eingesetzt und haben deshalb ihren Preis. Um ein Vielfaches höher aber sind die Preise, wenn dann auch noch alle anderen möglichen Beschläge von Hersteller und Handel vorgehalten werden sollen. Trotzdem gibt es gerade bei solchen edlen Varianten zumindest auch eine kleine Linie, samt Hebeschieber, den es freilich zur Zeit von Gropius noch gar nicht gegeben hat. Unternehmen wie U.S.W. und Hager lassen in solchen Fällen in Eigenregie Beschläge machen oder ändern vorhandene Lösungen ab. Damit übernehmen sie nicht nur die Funktion eines Handelsbetriebes, sondern sind auch Dienstleister, Manufaktur und Ansprechpartner für Architekten und Schreiner. «Es kommt vor, dass Kunden uns einfach Beschläge schicken, um Änderungen wie das Brünieren vorzunehmen, obwohl die Beschläge gar nicht von uns stammen», sagt Hager.

Wichtig für gehobene Ansprüche

Die Durchgängigkeit beim Beschlagdesign leben die beiden Partnerbetriebe schon lange. Auch die Akteure der Bauhaus-Schule hatten dieses Denken umgesetzt. Heute sei es vor allem abhängig von den Designern, den Architekten, aber auch vom Beschlaghersteller, ob ein Entwurf eine ganze Linie bildet oder ob es eher bei Einzelstücken bleibt. «Tür, Fenster und Hebeschieber aus einem Guss sind heute Standard», sagt Hager. Insofern hat sich doch etwas getan. Noch vor zehn oder 15 Jahren musste man oft noch passende Fenstergriffe zu den Türdrückern suchen gehen. Inzwischen scheint das Liniendenken breiter aufgestellt zu sein.

Auch treten immer wieder neue Akteure, die handwerklich auf hohem Niveau und mit alten Techniken arbeiten, auf den Plan. Beim belgischen Hersteller Jolie Handles etwa wird standardmässig jeder Entwurf in allen Varianten der kompletten Beschlagfamilie gefertigt. Der Aufwand ist riesig, weil jeweils eine eigene Giessform erstellt werden muss für jeden der Messingbeschläge. Auch beim Hersteller Formani denkt man die Linie bis ins Detail hin zum Schlüsselschild für Möbel oder dem Seifenspender. Der niederländische Designer Piet Boon hat für den Hersteller eine ganze Familie an Beschlägen entworfen. «Dieses Denken passt genau zu uns, weshalb wir Partner in der Schweiz sind», sagt Ziltener. Der Designer entwerfe auch Häuser und kenne deshalb auch das Bedürfnis nach einem durchgängigen Design.

Architektur in Perfektion

Mit solchen Ansprüchen spielt man freilich in der obersten Liga der architektonischen Gestaltung. Aber Ziltener ist sich sicher: «Beschläge sind sehr unterbewertet, wenn man das Gros der Bauherren und Architekten betrachtet.» Ein Griff kann einem Möbel und auch einem Raum eine besondere Note geben. Viele Kunden hätten ihr persönliches Aha-Erlebnis, wenn sie die Ausstellung in Thalwil besuchen und das Liniendenken sehen.

Es gebe aber immer noch zahlreiche Architekten, die einfach Räume planten, sich sehr um die Fassade kümmerten, aber nicht um die Türgriffe. Auch die Armatur im Badezimmer bekomme oft viel mehr Aufmerksamkeit als ein Fenstergriff, so Ziltener.

Wiederum nehme die Anzahl derer, die ein durchgängiges Beschlagdesign suchen, zu. Das Ganze hat natürlich auch seinen Preis. Während man für einen Gehrungsgriff einer Tür rund 120 bis 150 Franken ausgeben muss, liegen die Preise für einen Bauhaus-Türdrücker von Gropius schon beim Dreifachen.

Zunehmendes Interesse nimmt auch Adrian Hager wahr. «Architekten, vor allem auch Innenarchitekten und Schreiner, die gestalterisch gut aufgestellt sind, fragen immer öfter nach einem einheitlichen Design der verschiedenen Beschläge», so Hager. Deshalb seien auch Aufsteckhülsen für Türbänder ein Thema. Diese gehören ebenfalls zum Programm. So könne mit dem einfachen Hilfsmittel eine gestalterische Einheit erreicht werden. Denn Türbänder sind nach wie vor eine eigene Welt. Eher etwas schwierig sei auch die Haustür, räumt Hager ein. Der Grund dafür ist auch hier der gleiche. Innentüren gibt es in einem Gebäude zahlreiche, von einer Haustür gibt es jeweils nur eine. Es lohnt sich schlicht für die Anbieter nicht, ein durchgängiges Design anzustreben. Es sei deshalb wie bei den Hebeschiebern auch: Es kommt sehr auf die Stückzahl an. Wenn eine Serie gut ausgestattet ist, finden sich darin durchaus Stossgriffe. Das allerdings ist eher selten der Fall. Ebenfalls selten, aber punktuell vorhanden, sind Lösungen mit Sicherheitsfunktion. «Wir haben auch abschliessbare Fenstergriffe und Sicherheitsrosetten in den Linien», erklärt Ziltener.

Damit so etwas geht, stehen die Partnerschaften mit den Herstellern im Mittelpunkt. «Wenn wir ein neues Programm lancieren, dann schauen wir darauf, dass wir die Durchgängigkeit erreichen. So habe der italienische Hersteller von Design-Türgriffen dnd natürlich keine RZ-Rosetten im Programm, dennoch bietet Hager diese an, weil man sich selbst darum kümmert. «Wenn ein Hersteller sich nicht auf die Schweizer Besonderheiten, wie etwa RZ und 78 mm Lochabstand, einlässt, dann ist es eben kein Partner für uns», sagt Hager.

www.usw.chwww.hagerag.chwww.joliehandles.comwww.dndhandles.it

christian härtel

Veröffentlichung: 10. April 2025 / Ausgabe 15/2025

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