Eine Brücke, die es in sich hat
Die neue Aubrücke nach einem Entwurf von Stararchitekt Calatrava wird am Samstag eröffnet. Bild: SZ, Elif Soysal
Die neue Aubrücke nach einem Entwurf von Stararchitekt Calatrava wird am Samstag eröffnet. Bild: SZ, Elif Soysal
Gemeinschaftswerk. Was mit einem zerstörerischen Feuer angefangen hat, endet nun mit einem Bau, der in die Geschichte der Zürcher Stadt Opfikon eingehen wird. Die neue Aubrücke verbindet ab Samstag die beiden Ufer der Glatt. Ein Beitrag über das Überwinden von Hindernissen.
Es waren einmal ein Opfiker alt Stadtrat, ein Stararchitekt und eine Lehrwerkstätte ... Das klingt wie der Anfang eines Märchens, ist es aber nicht. Dieser Beitrag erzählt die wahre Geschichte eines aussergewöhnlichen Bauwerks, das den Bewohnern und Besuchern der Zürcher Gemeinde Opfikon gewidmet ist. Doch zuerst kommt die Vorgeschichte über die Zeit, als sich alt Stadtrat, Stararchitekt und die Lehrwerkstätte noch gänzlich unbekannt waren.
In der Nacht auf den 14. April 2009 spiegelten sich Flammen auf der Wasseroberfläche der Glatt. Sie stammten von einem vorsätzlich gelegten Feuer, das die 200-jährige Aubrücke komplett zerstörte. Der materielle Schaden belief sich auf ungefähr eine halbe Million Franken.
Im Jahr 1809 hatte ein unbekannter Baumeister die Holzbrücke konstruiert, die damals Schwamendingen und Wallisellen verband. Erst in den 1970er-Jahren, als die Brücke nicht mehr so rege genutzt wurde, weil man andere Strassen und Brücken errichtet hatte, verschob man sie nach Opfikon. Trotz des Standortwechsels blieb der Zweck der Aubrücke derselbe: die Überquerung der Glatt. Nach dem Brand wurde nach einer neuen Möglichkeit zur Querung gesucht. Doch alle Versuche scheiterten – von einer typengleichen Holzbrücke bis zum einfachen Fussgängerübergang. Die Kosten für einen Neubau waren zu gross.
Obwohl sich der Stadtrat bemühte, eine neue Brücke über die Glatt zu bauen, konnten keine Fortschritte des Projekts erzielt werden. Bis sich der heutige alt Stadtrat Tony Steiner zu Wort meldete. Der Schreinermeister stellte dem Gemeinderat im Sommer 2010 seine Ideen vor. Ihm war wichtig, dass nicht einfach eine neue Holzbrücke gebaut wird. Der Bau sollte einzigartig werden und die Menschen zum Staunen bringen, so sein Ziel. Da kam ihm ein schub- ladisierter Entwurf des spanisch-schweizerischen Stararchitekten Santiago Calatrava gerade recht. Im Jahr 1991 hatten Calatrava und der Holzbau-Ingenieur Hermann Blumer eine Brücke in der Schweiz realisieren wollen, die es in dieser Form noch nicht gab. Das Projekt konnte jedoch nie verwirklicht werden. Es war als «nicht machbar» eingestuft worden, weil die Mittel nicht vorhanden waren. Nun, 25 Jahre später, wurde die elegant-geschwungene Holzkonstruktion plötzlich wieder aktuell.
Bevor der Gemeinderat die Vorschläge Steiners beriet, musste die altbekannte Frage beantwortet werden, die dem Projekt schon einmal zum Verhängnis geworden war: Wer deckt die hohen Kosten? Diese sollten sich auf 790 000 Franken belaufen.
Steiner wusste, dass dieser Betrag nicht aus der eigenen Tasche aufgebracht werden kann. Er erstellte ein Modell und rief zu einer Spendenaktion auf – mit Erfolg. Zudem erklärte sich die Stadt Opfikon dazu bereit, 300 000 Franken zu übernehmen. Weitere Spenden wie jene des Fussballclubs Glattbrugg helfen, die Kosten zu decken. Der gesamte Betrag sei zwar noch nicht beisammen, es fehle aber nicht viel, sagt Steiner.
So weit, so gut: Der Gemeinderat hiess das Projekt gut, die Vorbereitungen konnten beginnen, und auch der Spendentopf füllte sich immer mehr. Doch bis die neue Aubrücke stehen würde, musste doch noch viel getan werden. Bis Anfang 2016 konstruierte man das Grundgerüst der Bogenbrücke bei der Firma Blumer-Lehmann AG in Gossau SG, um sie danach nach Opfikon zu transportieren. Auf einem Platz neben der Glatt wurde die Brücke mit einer Spannweite von 38 Metern bis zum letzten Freitag fertiggestellt.
Zu den Helfern gehörten neben Zivilschützern aus Opfikon, die für die Naturtreppen zwischen den Gehwegen verantwortlich waren, auch acht Lehrlinge der Zürcher Lehrwerkstätte für Möbelschreiner (LWZ). Die angehenden Schreiner montierten wäh- rend einer Woche das Geländer aus bereits vorgefertigten Elementen. «Ich finde es eine tolle Sache, bei einem Projekt wie diesem mitzuwirken, die Arbeit macht uns allen viel Spass», erzählt Jaqueline, die im 3. Lehrjahr steht. Die Lernenden lassen sich auch nicht durch den Umstand aus der Ruhe bringen, dass die LWZ nach einem Entscheid des Zürcher Regierungsrats vor einer ungewissen Zukunft steht (siehe SZ Nr. 16/2016 und 24/2016). Im Gegenteil: Sie zeigen ausgezeichnete Teamarbeit.
«Diese Brücke wird etwas Einzigartiges, ein Kunstwerk, das nach den Kenntnissen des modernen Ingenieurholzbaus erstellt wird», sagt Tony Steiner. Ihm ist anzumerken, dass er viel Stolz mit dieser Brücke verbindet. Beim Beschreiten des Gehbelags, der aus geriffeltem Eichenholz besteht, thronen über einem die imposanten Bögen. Die oberen Bögen übernehmen die gesamten Druckkräfte, während die unteren Bögen die Zugkräfte aufnehmen. Diese verleimten Bögen und die Konstruktionshölzer bestehen wie das Geländer auch aus Lärchenholz, das unter Berücksichtigung des forstwirtschaftlichen Mondkalenders gefällt wurde. Als krönender Abschluss wurde auf der Konstruktionshöhe von 6,5 Metern ein Membrandach montiert.
Die Brücke steht Fussgängern, Wanderern und Velofahrern zur Verfügung und ist behindertengerecht. Nachts wird sie mit einer diskreten Beleuchtung in Szene gesetzt.
Am vergangenen Freitag war es nun endlich so weit – die 40 Tonnen schwere neue Aubrücke wurde mit einem 500-Tonnen-Kran über die Glatt gehoben und auf Fundamenten montiert. Bis zur Einweihung, die übermorgen Samstag, 2. Juli 2016, stattfindet, bekommt die Brücke den letzten Schliff. Die Feier beginnt um 15 Uhr und dauert bis 17 Uhr. Wer dabei sein möchte, kann einfach vorbeischauen.
www.aubrugg-opfikon.chwww.a-steiner.chwww.bbzh.ch/lwzwww.blumer-lehmann.chVeröffentlichung: 30. Juni 2016 / Ausgabe 26-27/2016