Ein unterschätztes Risiko


In allen vor 1990 erstellten Gebäuden kommt Asbest häufig vor. Bei unsachgemässem Umgang können seine Fasern den Lungen der Bauhandwerker sehr gefährlich werden. Bild: Suva
In allen vor 1990 erstellten Gebäuden kommt Asbest häufig vor. Bei unsachgemässem Umgang können seine Fasern den Lungen der Bauhandwerker sehr gefährlich werden. Bild: Suva
Asbest als Gesundheitsrisiko. 2011 starben auf Schweizer Strassen 119 Autoinsassen. Fast gleich viele Tote pro Jahr fordert der lungenschädigende Asbest. Und Schreiner sind massiv davon betroffen: Kein anderer Bauberuf hatte bisher so viele Asbestopfer zu beklagen wie die Schreinerbranche.
Trotz des bereits seit 1990 gültigen Verbotes asbesthaltiger Produkte sind in der Schweiz längst nicht alle Anwendungen von früher aus der Welt geschafft. Problematische Baumaterialien kommen insbesondere bei Umbauten und Abbrucharbeiten immer wieder zum Vorschein. Und da sind oft Schreiner beteiligt: Wenn es zum Beispiel gilt, die alte Küche herauszureissen, sanierungsbedürftige Fenster zu demontieren, Leichtbauplat-ten zu ersetzen oder den nicht mehr zeitgemässen «Novilon»-Belag zu entfernen. Bei diesen und vielen weiteren Abbrucharbei-ten können Asbestfasern in gesundheitsgefährdenden Mengen freigesetzt werden.
Schreiner reissen oft auch Werkstoffe und Bauteile heraus, die urspünglich von ganz anderen Bauhandwerkern montiert wurden. Feuerfeste Platten unter Leuchten gehören in diese Kategorie genauso wie Fliesenkleber von keramischen Wand- und Bodenbelägen. In solchen Fällen geht vielen Beteiligten das Bewusstsein ab, dass es sich um gefährliche, weil asbesthaltige Materialien handeln könnte. Dazu kommt, dass seinerzeit beim Einbau die Gefährdung für Menschen in vielen Fällen deutlich geringer war als sie heute beim Herausreissen ist. Dies besonders, wenn niemand die fraglichen Materialien als asbesthaltig erkennt und demzufolge keine speziellen Vorsichtsmassnahmen getroffen werden.
Dass die Schreinerbranche besonders stark von der Asbestproblematik betroffen ist, zeigt ein Blick in die Suva-Statistik: Keine andere im Baubereich tätige Berufsgruppe weist ähnlich viele Todesfälle auf. Seit ihre Zahl erfasst wird, starben nicht weniger als 90 Schreiner an einer asbestbedingten Berufskrankheit. Und die Gefahr ist gross, dass noch weitere dazukommen, denn die Fälle asbestbedingter Berufskrankheiten nehmen weiterhin zu.
Dies hat viel damit zu tun, dass es nach der Asbestbelastung lange dauert, bis eine Krankheit ausbricht. Diese Latenzzeit beträgt zwischen 15 und 40 Jahre und hängt stark vom Krankheitsbild ab. Wer also vor Inkrafttreten des Asbestverbots (1990) den gefährlichen Fasern ausgesetzt war, leidet heute möglicherweise noch immer nicht an einer Krankheit. Sie kann aber jederzeit ausbrechen. Bei den Bauberufen kann die Anzahl Betroffener auch deshalb weiter steigen, weil zum Beispiel die Schreiner nach wie vor riskieren, mit einer ungesunden Konzentration von Asbestfasern in Kontakt zu kommen, insbesondere bei Abbrucharbeiten in Umbauten. Dies lässt sich nur mit gezielten Massnahmen zur Sensibilisierung verhindern.
Wenn Schreinereien in vor 1990 erstellten Gebäuden tätig sind, müssen sie abklären, ob durch ihre Arbeiten Asbestfasern frei- gesetzt werden können. Dies schreibt zum einen die Ermittlungspflicht bei Asbestverdacht vor. Andererseits sind die Unterneh-men gegenüber ihren Mitarbeitenden verpflichtet, alle zumutbaren Massnahmen zu treffen, um eine Gefährung durch Asbest zu verhindern. Es kommt dazu, dass die Schreinereien auch gegenüber ihren Kunden in der Pflicht stehen: Die Verseuchung eines Gebäudes mit Asbestfasern kann Haft-pflichtansprüche des Bauherrn gegenüber dem verursachenden Unternehmen zur Fol-ge haben. Das kann dann sehr teuer werden, wenn zum Beispiel die Bewohner für längere Zeit ausziehen müssen und für eine fachgerechte Entfernung der problematischen Materialien eine Spezialfirma beigezogen werden muss.
Es ist deshalb ganz wesentlich, dass bereits in der Offertphase eines Umbaus seriös abgeklärt wird, ob mit Asbestvorkommen zu rechnen ist. In Zweifelsfällen schafft eine Materialprobe Sicherheit, ob ein Werkstoff Asbest enthält oder nicht. Die Suva führt eine Adressenliste von Stellen, die Asbestanalysen in kurzer Zeit ausführen ( siehe Kasten auf Seite 22 ). Allerdings sind die Kosten für eine Probe recht unterschiedlich, ein Preisvergleich lohnt sich.
Stellt der Unternehmer fest, dass durch geplante Arbeiten die gefährlichen Fasern freigesetzt werden können, empfiehlt es sich, den Aufwand für deren fachgerechte Entfernung separat zu offerieren, dies unabhängig davon, ob er diese Arbeiten mit der eigenen Firma ausführen kann oder ein spezialisiertes Unternehmen beizieht. Es wird kaum ein Bauherr diesen Hinweis ignorieren und den Auftrag an jemanden vergeben, der vorhandenen Asbest ohne die erforderlichen Schutzmassnahmen entfernt. Zu direkt wäre die Bauherrschaft selber von diesem Problem betroffen.
Erkennt man ein Asbestvorkommen jedoch erst nach Beginn der Umbauarbeiten, ist der Druck auf alle Beteiligten gross: Am drohenden Baustopp mit grossen Umtrieben und Kosten hat niemand ein Interesse und kaum einer will daran schuld sein. Deshalb ist es gut möglich, dass unerwartet auftauchende problematische Materialien nicht gemeldet, sondern verdrängt oder im wahrsten Sinne des Wortes unter den Tisch gekehrt werden, mit gefährlichen Folgen für die beteiligten Handwerker, aber auch für die Bewohner einer Liegenschaft.
Doch wie erkennt man asbesthaltige Werkstoffe und wie geht man damit um? Für die Schreinerbranche stellt die Suva in Zusammenarbeit mit Siko 2000, der Branchenlösung im Bereich Arbeitssicherheit, entsprechende Unterlagen und Hilfsmittel zur Verfügung ( siehe Kasten rechts ).
Ein wesentliches Kriterium ist dabei die Unterscheidung zwischen fest- und schwachgebundenen Asbestprodukten. Festgebundene gelten als weniger gefährlich. Zu ihnen gehören zum Beispiel die unter dem Markennamen Eternit geläufigen Faserzementprodukte oder asbesthaltiger Fensterkitt. Bei Demontagearbeiten an festgebundenen Materialien muss man sich an die Vorschriften der einschlägigen Suva-Merkblätter halten und darf dabei keine mechanischen Bearbeitungen wie Bohren, Fräsen oder Brechen ausführen. In schwachgebundenen Asbestprodukten sind die Fasern nur lose in die Werkstoffe eingebunden. Isolationsmaterial zur Wärmedämmung und für den Brandschutz, Rückenbeschichtungen von Bodenbelägen, Asbest-Leichtbauplatten oder Rohrisolationen zählen zu dieser Kategorie, bei welcher der Asbestgehalt grösser ist als 40 Gewichtsprozent. Arbeiten an solchen schwachgebundenen Asbestprodukten dürfen nur von spezialisierten Unternehmen ausgeführt werden, welche von der Suva anerkannt sind.
Über die Risiken, die bei der Bearbeitung asbesthaltiger Materialien entstehen, sollen auch Immobilienbesitzer besser informiert sein. Dieser Zielgruppe bietet die Suva deshalb neu die Möglichkeit, selber eine erste Risikoabschätzung online vorzunehmen. Mithilfe von Anleitungen und Beispielbildern lassen sich auf einfache Weise alle Räume des Hauses sowie die erkannten Asbestquellen erfassen und dokumentieren.
Die Online-Anwendung zeigt aber nicht nur auf, wo asbesthaltige Produkte häufig vorkommen. Sie erklärt auch, wie sich Bewohner und Hauseigentümer bei Asbestgefahr richtig verhalten, wo sich weitere Abklärungen durch Spezialisten aufdrängen und wann solche für die Sanierung beizuziehen sind.
Es kann also durchaus sein, dass private Bauherren vor Umbau- oder Sanierungsarbeiten an ihrer Liegenschaft die beteiligten Handwerker mit einem solchen selber erstellten Asbestinventar konfrontieren.
www.suva.ch/asbest-inventarDie Suva und die Branchenlösung Siko 2000 stellen verschiedene Informationen zur Verfügung zum Erkennen und Analysieren asbesthaltiger Produkte:
Veröffentlichung: 25. April 2013 / Ausgabe 17/2013
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