Ein «Puzzle» aus 224 Platten

Die rund 100 kg schweren Platten sind lediglich gelegt. Durch die Schräge der Kurve tendieren sie nach innen zu rutschen, was die Rundbahn verkeilt und stabilisiert. Bilder: SchreinerZeitung

Sprintbahn.  In der Schweiz gibt es zwei Indoor-Rundbahnen, auf denen Leichtathletikwettkämpfe ausgetragen werden dürfen. Eine davon steht seit 36 Jahren in Magglingen. Das Oval besteht grösstenteils aus Holz und wird jedes Jahr für die Hallensaison neu aufgebaut.

Kaum einmal ist Leichtathletik so hörbar, wie wenn die Athleten in Magglingen über die Bahn donnern. Das hat seinen Grund, denn die Unterkonstruktion der altehrwürdigen Rundbahn ist aus Holz. Seit 1976 stellen die Mitarbeiter des Bundesamts für Sport (Baspo) die temporäre Konstruktion Anfang Wintersaison auf, um das Gebilde aus unzähligen nummerierten Teilen Anfang Jahr bereits wieder im Lagerraum unter der Galerie verschwinden zu lassen. Dann wird die Halle mit dem bezeichnenden Namen «End der Welt» für die anderen Sportarten verfügbar.

Was lange währt …

«Diese Halle war nie eigentlich als Wettkampfhalle gedacht», sagt Toni von Mühlenen. Der ehemalige Chef der Abteilung «Infrastruktur und Betrieb» beim Baspo hat den Aufbau der Sprintbahn etliche Male miterlebt. Er weist indirekt darauf hin, wie kontrovers die Bahn politisch diskutiert worden ist und immer noch wird. «Fast wäre einmal die gesamte Rundbahn in die Romandie gezügelt worden», sagt er, denn in Magglingen gebe es ständig einen Kampf zwischen den verschiedenen Sportarten um ein Stück gedeckten Wintersportplatz.

Doch das nur nebenbei. Die Bahn ist legendär, auch wenn ihr Kurvenradius in der Theorie zu eng ist für schnelle Läufe. Aus diesem Grund verlaufen die vier Bahnen in einer Steilwandkurve. Die Fliehkraft drückt die Athleten in den Bodenbelag hinein, wenn sie aus der Geraden in die enge Kurve laufen. Die Innenbahn befindet sich da auf Bodenhöhe. Der höchste Punkt – der Aussenradius auf Bahn vier – kommt auf 1,30 m über dem Nullpunkt zu liegen. Das ergibt eine Schräge von 17°. Aufgrund der engen Platzverhältnisse beträgt eine Runde auf der Innenbahn lediglich 187 m, während dieselbe in der Regel in Sporthallen 200 m misst. Trotzdem stammen die meisten Hallen-Schweizerrekorde über Sprintdistanzen noch heute aus Magglingen. Die Athleten starten da gerne.

Dabei hat die Anlage 2006 Konkurrenz erhalten. In St. Gallen steht eine alternative Indoor-Anlage für Leichtathletik. Die neue Technik macht es möglich: Statt aufgesetzt ist die Bahn hier in den Hallenboden integriert. Mithilfe von elektrisch gesteuerten Spindeln lässt sich die Kurve aus dem Boden heben, wenn Bedarf besteht. Anderenfalls ist sie flächenbündig und wird von ausfahrbaren Tribünen verdeckt.

Der Aufbau beginnt

«Ganz zu Beginn, vor über dreissig Jahren, war die Halle in Magglingen für den Aufbau fast eine Woche lang gesperrt», erinnert sich Toni von Mühlenen an den Tag zurück, an dem die Bahn zum ersten Mal aufgestellt wurde. Heute geht dasselbe in eineinhalb Tagen über die Bühne. Dass die Handgriffe sitzen, sieht man sofort, wenn die Mitarbeiter zu Werke gehen, als gälte es, die Zeit des Vorjahres zu unterbieten. Zuerst holen sie die palettierten, nummerierten Einzelteile aus den Lagerräumen unter der Galerie hervor. Die Unterkonstruktion besteht aus vorgefertigten Spanten aus Fichtenholz. Diese in der Geraden flachen T-Hölzer wachsen zur Kurve hin zu immer höheren Dreieckskonstruktionen heran. Sie werden im Abstand von ungefähr 80 cm aufgestellt und durch das Auflegen der um die 100 kg schweren Bahnsegmente fixiert. «Damit der Kurvenradius stimmt, müssen wir uns an die gelbe Markierung auf dem Hallenboden halten», erklärt Heinz Rohrbach, der als Hallenwart den Aufbau leitet. Mit der letzten Platte schliesslich wird die Bahn fixiert. «Dann sehen wir, ob exakt gearbeitet wurde», erklärt Rohrbach. Durch das Eigengewicht und dank der Steilwandkurve verkeilt sich das Oval von selbst.

Die Fugen meistern

Die Kurve verläuft in drei unterschiedlichen Radien, so dass der Sprinter weich in die Kurve geleitet wird. Konstruiert hat sie Hermann Schürmann, ein deutscher Architekt aus Münster, spezialisiert auf den Bau von Radrennbahnen. «Der Belag wurde meines Wissens seinerzeit auch in Deutschland auf die Holzsegmente gegossen», erinnert sich Hermann Stuber. Mit seiner Schreinerei Stuber & Cie AG in Schüpfen bei Bern hat er viele Jahre lang die Bahn unterhalten. «Es galt jeweils, das durch den Gebrauch entstandene ‹Spiel› auszugleichen», sagt er. Kleine Ausbesserungen nimmt das Baspo-Team indessen gleich selber vor.

Die insgesamt 4 m breite Bahn besteht aus 224 Segmenten. Durch das Eigengewicht der Platten gelingt es, den Nutzbelag plan zu montieren. Nur wenige Segmente müssen in die Unterkonstruktion verschraubt werden, um den Versatz zwischen den Platten auszugleichen». Das Team von Heinz Rohrbach macht alles, damit sich die Sprinter vollends auf ihren Lauf konzentrieren können; was auch wichtig ist. Gerade jetzt, wo für die Europameisterschaften 2014 im eigenen Land trainiert wird, dürfte man es am «End der Welt» noch ein paar Mal donnern hören.

«Sprintbeläge bauen wir sehr selten ein», sagt Dino Frassetto, Spezialist für Bodenbeläge bei der Walo Bertschin- ger AG. «Die meisten Sporthallen erhalten einen Universalbelag, der sämtliche in der Halle praktizierten Sportarten zulässt», ergänzt er. In Magglingen habe man vor 36 Jahren die Lösung einer temporär errichteten Sprintbahn gewählt, um den Leichtathleten gerecht zu werden. So konnte man auf der Laufbahn einen schnellen «Tartan»-Belag einsetzen, während in der Halle ein Mehrzweckbelag zum Einsatz kam. Heute sind Leichtathletikbahnen im Indoor-Bereich oft in den Hallenboden intergriert und mit demselben Belag bestückt wie der Rest der Halle. Die Kurve kann dann hydraulisch oder mittels Spindeln in die gewünschte Neigung gebracht werden. Bei solch ausgeklügelten Konstruktionen muss jedoch bedacht werden, dass die Fläche der Kurve beim Hochfahren kleiner wird. Dies hat unter anderem Auswirkungen auf den Belag.

Geschichte des «Tartans»

«Tartan», der Belag, der Athleten schnelle Zeiten ermöglicht, ist ein Markenname der Firma 3M. Er wurde 1961 für Pferderennen entwickelt und erstmals in den USA eingebaut. Bald entdeckten die Leichtathleten den Belag für ihre Zwecke, so dass 1968 in Mexiko die ersten Olympischen Spiele auf «Tartan»-Belag stattfinden konnten. Im gleichen Jahr wurden in Europa drei Freiluftstadien mit diesen Belägen ausgerüstet, unter anderem die Bahn im Zürcher Letzigrund. Ein Jahr später entstand die Aussenanlage in Magglingen. Während die ersten «Tartan»-Beläge noch Quecksilber enthielten, waren diese ab Mitte der 80er-Jahre frei von Schwermetallen. Seit einiger Zeit gilt der «Mondo»-Belag als schnellste Oberfläche für Sprintwettkämpfe.

Diverse Unterkonstruktionen

Je nachdem, für welche Sportart der Boden ausgelegt ist, sind flächenelastische oder punktelastische Bodenbeläge einsetzbar. Heute sind auch kombiniert-elastische Mischformen erhältlich (siehe SchreinerZeitung Nr. 29/2008, Seite 10) . Zusammen mit den verfügbaren Unterkonstruktionen kann genau auf die Anforderungen der Halle eingegangen werden. In jedem Fall sollte beim Verlegen der Spezialist beigezogen werden. Dino Frassetto weist darauf hin, wo am ehesten Fehler passieren können:

  • Bei einem Schwingboden ist es wichtig, die Schifthölzer der Un- terkonstruktion mit Leim und mechanischer Befestigung sicher zu fixieren.
  • Der Boden benötigt wie ein schwimmend verlegtes Parkett genügend Abstand zum Rand.
  • Der Schwingboden muss in jedem Fall unterlüftet sein.
  • Aufgrund aufsteigender Feuchtigkeit darf im Innenraum niemals direkt auf Beton montiert werden.
www.walo.ch

MW

Veröffentlichung: 06. Dezember 2012 / Ausgabe 49/2012

Artikel zum Thema

25. April 2025

Die Berufslehre soll attraktiv bleiben

In Deutschland und Österreich beginnen immer weniger Jugendliche eine Berufsausbildung. Deren Regierungen wollen deswegen eingreifen. In der Schweiz sieht es hingegen aktuell noch besser aus.

mehr
24. April 2025

Ein Böögg für das eigene Sechseläuten

Wer Zuhause einen Böögg wie die Zürcherinnen und Zürcher verbrennen möchte, um den Winter zu vertreiben, kann sich eine kleine Version der Stiftung RgZ bestellen. 

mehr

weitere Artikel zum Thema:

News