Durchblick im Paragrafendschungel


Symbolbild: Gerd Altmann (Pixabay)
Symbolbild: Gerd Altmann (Pixabay)
Rechtliches. Muss der Lehrbetrieb die persönliche Schutzausrüstung bezahlen? Was tun, wenn ein Lernender Überstunden schuften muss und sich aber nicht traut, die Chefin oder den Chef darauf anzusprechen? Ein Ratgeber zu Vorschriften und Rechten.
Mehr als 100 Überstunden und regelmässige Arbeitseinsätze am Samstagmorgen – eine Lernende ist unsicher, ob das rechtens ist. Doch sie traut sich nicht, ihren Chef darauf anzusprechen. Zudem war sie vor einer Weile zu 100 Prozent krankgeschrieben und fehlte bei der Arbeit. Ihr Lehrbetrieb zahlte ihr zwar den vollen Lohn, verrechnete ihr jedoch dem Ausfall entsprechende Minusstunden. Die Lernende weiss nicht, was sie nun tun soll. Ihre Eltern fragten deswegen beim Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) nach.
«Das ist ein besonderer Fall, weil gleich einige Dinge zusammenkommen», sagt Jurist Peter Bernhauser, der den Rechtsdienst des VSSM betreut. Er versucht, die Rechtsgrundlage zu den einzelnen Punkten aufzuzeigen. «Zuerst muss ich aber festhalten, dass für Lernende der Gesamtarbeitsvertrag, der GAV des Schreinergewerbes, grundsätzlich nicht anwendbar ist. Ausser dies wurde im Lehrvertrag ausdrücklich anders vereinbart.» Für Auszubildende gelten deswegen normalerweise die Vorschriften des Obligationenrechts (OR). Ein Lehrvertrag sei ein besonderer Einzelarbeitsvertrag, der im OR geregelt sei, sagt Bernhauser.
Überstunden: Bis zum vollendeten 16. Lebensjahr dürfen Jugendliche nicht zu Überstunden angehalten werden. Ältere können jedoch innerhalb der Tagesarbeitszeit ab 6 Uhr sowie während der Abendarbeitszeit bis 22 Uhr zu Überzeit verpflichtet werden. «Die höchstzulässige Arbeitszeit von neun Stunden darf für Jugendliche bis 18 Jahre jedoch nicht überschritten werden.» Zudem sei die minimale Ruhezeit von zwölf Stunden einzuhalten. «Ein Betrieb darf Überstunden nur im Rahmen des Zumutbaren anordnen. Und das nur zur Bewältigung ausserordentlicher Arbeiten, saisonbedingter Arbeitsüberhäufung, unvorgesehener Ereignisse sowie zur Abwehr von Schäden», sagt Bernhauser. Jedoch müssen diese Überstunden mit zusätzlicher Freizeit im gleichen zeitlichen Ausmass innerhalb der nächsten 14 Wochen entschädigt werden. «Der Betrieb kann die Überstunden auch auszahlen. Und das mit einem Zuschlag von 25 Prozent, wenn die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten wird.» Die Zeitkompensation sei einer Geldentschädigung jedoch vorzuziehen.
Arbeitszeiten: Die reguläre Arbeitszeit für Lernende ist von Montag bis Freitag. Samstags dürfen sie nicht zur Arbeit zitiert werden. «Gelegentlich stellt sich die Frage betreffend Nachhilfe im Lehrbetrieb», sagt Peter Bernhauser. «Grundsätzlich steht für die betriebliche Bildung die vertraglich geregelte Arbeitszeit zur Verfügung.» Besondere Bildungsveranstaltungen wie zum Beispiel ein Übungsabend sind an die Arbeitszeit anzurechnen. Das gilt aber nicht für freiwillige Lernveranstaltungen und Nachhilfe bei Ausbildungslücken, die der Lernende zu verantworten hat. «Nicht akzeptabel sind hingegen angeordnete Aktionen ausserhalb der Arbeitszeit, die Strafcharakter haben, oder solche, die Ausbildungslücken, die vom Berufsbildenden zu verantworten sind, füllen sollen.»
Krankheit und Unfall: Ist ein Lernender krankgeschrieben und deswegen arbeitsunfähig, handelt es sich um eine unverschuldete Absenz am Arbeitsplatz. Für einen beschränkten Zeitraum ist der Lohn zu 100 Prozent geschuldet (Artikel 324a im OR). Andere Vereinbarungen im Lehrvertrag, speziell der Einbezug des Lernenden in die kollektive Krankentaggeldversicherung des Betriebes, sind möglich. «Aus einer krankheits- oder unfallbedingten Absenz entstehen aber nie Minusstunden», betont der Rechtsanwalt.
Unterstützung: «Wenn ein Lernender sich nicht traut, den Chef auf die Unstimmigkeiten anzusprechen, wendet er sich am besten ans kantonale Berufsbildungssamt.» Der dort für die Lernenden und die Lehrbetriebe zuständige Ausbildungsberater kenne sich mit solchen Problemen aus und wisse, wie man weiter vorgehen solle, sagt Bernhauser. Die Berufsbildungsämter prüfen auch jeden Arbeitsvertrag von Lernenden und segnen ihn ab.
Eine rechtliche Frage, die immer wieder auftritt, ist diejenige nach der Kostenübernahme der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) . «Ja, das kommt häufig vor, obwohl der Fall eigentlich klar ist», sagt Peter Bernhauser. «Der Arbeitgeber muss dem Angestellten die PSA zur Verfügung stellen, also auch die Kosten dafür übernehmen.» Das ist gesetzlich vorgeschrieben.
Zur allgemeinen Schutzausrüstung gehören in der Regel Gehörschutz, Schutzbrille, Schutzschuhe, Atemschutzmaske für Oberflächenbehandlung und Schutzhandschuhe. Bei Bedarf und je nach Gefährdung kommen hinzu: Staubmasken, Schutzhelm und Schutzkleidung wie Leuchtwesten, wie die Schweizerische Unfallversicherung Suva empfiehlt.
«Mir kommen immer wieder Klagen zu Ohren, dass Lernende in die überbetrieblichen Kurse ÜK nicht die geforderte Ausrüstung mitbringen», sagt Irene Schuler Stäger, Leiterin Grundbildung beim VSSM. «Zum Beispiel wenn es ums Lackieren geht, haben nicht alle eine persönliche Schutzmaske mit Aktivkohlefilter dabei.» Im ÜK geht es ja vor allem auch darum, die Anwendung der Schutzausrüstung zur Arbeitssicherheit und zum Schutz der Gesundheit korrekt zu erlernen und anzuwenden.
Allgemein könne man sagen, dass alle Kosten, die für die ÜKs anfallen, vom Arbeitgeber übernommen werden müssen, sagt Schuler Stäger. Alle Kosten hingegen, die für die Berufsschule anfallen, muss der Lernende beziehungsweise müssen dessen Eltern übernehmen – ausser im Lehrvertrag wurde etwas anderes abgemacht. Die Betriebe können zum Beispiel auch nicht dazu verpflichtet werden, sich an den Kosten für die Fahrprüfung zu beteiligen. «Wenn, dann machen sie das freiwillig.»
Als guten Ratgeber empfiehlt sie die Website berufsbildung.ch. «Dort gibt es ein Lexikon, in dem man alle erdenklichen Stichwörter wie das Arbeitsgesetz nachschlagen kann.» Auch auf der Website der Suva sind viele Informationen zur PSA und zur Sicherheit in der Lehre abrufbar.
Veröffentlichung: 05. März 2020 / Ausgabe 10/2020
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