Die Möbelschlösser der Zukunft
Kurz auf die «Hettlock»- Fernsteuerung gedrückt und schon entriegelt das Schloss ohne Berührung. Bild: Hettich AG
Kurz auf die «Hettlock»- Fernsteuerung gedrückt und schon entriegelt das Schloss ohne Berührung. Bild: Hettich AG
Berührungslos. Laut den Werbebroschüren bestehen zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für elek-tronische Möbelschlösser. Doch wo kann der Schreiner diese Systeme in einem normalen Auftrag sinnvoll einsetzen und was muss er beachten?
Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Möbelschlossvarianten auf dem Markt: vom einzelnen Möbelschloss über komplette Möbelschliesssysteme mit Zentralverriegelung bis zum aufsetzbaren Zylinder, um herkömmliche Möbelschlösser elektronisch zu erweitern.
Auch in der Zugriffsart hat man eine grosse Auswahl. Es kommen Chips, Fernbedienungen und Codekarten zum Einsatz. Die grosse Produktvielfalt erfordert eine genaue Bedarfsanalyse, um mit einem elektronischen Möbelschloss glücklich zu werden. Vom Ablauf in der Planung bis zum täglichen Gebrauch gibt es kleine Unterschiede zum altbekannten Möbelschloss, die es zu beachten gilt.
Auch die meisten grossen Beschlägehersteller und Händler sowie kleine Spezialfirmen bieten interessante und innovative Lösungen für den Schreiner an. Besonders zu beachten sind immer die Garantieleistungen und die nachträglichen Beschaffungsmöglichkeiten von Ersatzteilen, denn bei elektronischen Möbelschlössern wird auch die Wartung zu einem wichtigen Verkaufsargument. Diese Faktoren sind von System zu System neu abzuklären. Der Schreiner kann viele der anfallenden Wartungsarbeiten, wie zum Beispiel den Batteriewechsel selbst durchführen und in sein Dienstleistungsangebot aufnehmen. Bei batteriebetriebenen Systemen gilt es festzustellen, was für ein Batterietyp genutzt wird und ob ein möglicher Alternativbetrieb mit Akkuzellen möglich und auch sinnvoll ist. Bei Möbelschliesssystemen, die direkt über das Stromnetz versorgt werden, ist die Zuführung und Unterbringung der Kabel im Möbel und der Stromanschluss bauseits vorgängig mit einzuplanen.
Wenn Transformer verbaut werden müssen, brauchen diese genügend Platz und Luft, damit die Wärme entweichen kann. Je nach Möbelschlosssystem gibt es Grenzen, was die Benutzeranzahl und die Eingliederung in grössere oder bereits vorhandene elek-tronische Schliesssysteme angeht. Ansonsten gelten dieselben Regeln und Planungsdetails wie bei einem herkömmlichen Möbelschloss.
RFID, «Radio frequency identification» oder auf Deutsch: «Identifizierung mithilfe elek-tromagnetischer Wellen». Mit dieser Identifikationstechnik aus der Autoindustrie arbeiten die meisten elektronischen Schlösser auf dem aktuellen Markt. Benötigt wird ein Auswerter in Form eines Senders oder Empfängers, der im Schloss verbaut wird. Dieser ist auf einen Öffnungscode auf einer bestimmten Frequenz ausgelegt. Zum Öffnen braucht man den dazugehörigen Datenträger, der wie ein Schlüssel zu diesem Schloss passt. Je nach Einsatzgebiet, Schliesssystem und Kundenwunsch kann der Datenträger zum Beispiel als Chip oder Fernsteuerung zum Einsatz kommen. In puncto Reichweite gibt es je nach System grössere Unterschiede. Ist der Empfänger im Sichtbereich, sind je nach Hersteller bis zu zehn Meter Reichweite in einem offenen Raum realistisch. Diese Distanz verringert sich, sobald zum Beispiel eine Wand oder ein grösseres Möbelstück den direkten Sichtbereich unterbindet.
Es gibt von den Herstellern für fast alle erdenklichen Bereiche spezifische Möbelschlosslösungen: für Schiebetüren, Schubladen, Falttüren, Klappen, Faltklappen, Drehtüren, Rollläden und alles, was der Kunde vom Schreiner sonst noch wünscht. Der Trend geht aber immer mehr in die Richtung universal einsetzbarer Systeme, bei denen dasselbe Schloss für die verschiedensten Schliessmöglichkeiten verwendet werden kann. So gibt es zum Beispiel beim «Chiptronic»-Möbelschloss zwei Riegelöff-nungen (siehe Bilder unten) , die eine vielfältige Verwendung ermöglichen. Andere Systeme können durch Anbauteile erweitert werden und so in den unterschiedlichsten Anwendungen zum Einsatz kommen. Speziell für Schränke mit Espagnolettenschloss hat die Schlossfabrik Heusser AG ein neues Schloss mit der Bezeichnung «Espagnolettenschloss 3120» entwickelt. Da alle für den Schreiner relevanten Einbaumasse gleich dem herkömmlichen Terzaschloss sind, kann dieses einfach ausgetauscht werden und es ermöglicht so den Gebrauch mit einem elektronischen Zylinder. Somit kann ein bestehender Schrank elektronisch aufgerüstet werden und zum Beispiel mit einem Kaba-Zylinder in ein elektronisches Haussystem integriert werden. «Die steigende Nachfrage nach elektronischen Schlosslösungen erfahre ich jeden Tag bei Gesprächen mit Kunden», so Stephan Maag von der Schlossfabrik Heusser AG.
Bei manchen elektronischen Schliesssystemen kann der Zugriff extrem genau gesteuert und kontrolliert werden. Bei den sogenannten Zeitmodellen kann ein Schloss so eingestellt sein, dass es sich zu bestimmten Zeiten automatisch öffnet und sich dann zu der vorgeschriebenen Zeit wieder verschliesst. Es können auch zeitliche Einschränkungen gesetzt werden. Damit hat eine bestimmte Person nur zu bestimmten Wochentagen und vordefinierten Tageszeiten eine Zugriffsberechtigung auf das Schloss. So kann man zum Beispiel Sicherheits- und Personenkontrollen durchführen. Weiter hat man die Wahl, ob der Benutzer eine Einzeltürberechtigung hat oder Zugriff auf mehrere Schlösser, das heisst eine sogenannte Gruppenberechtigung, besitzt. Damit kann zum Beispiel der Bereichsleiter oder ein Aushilfsarbeiter auf vordefinierte Arbeitsplätze zugreifen. Für sol- che Zugriffssteuerungen wird ein separater Computer mit dem passenden Steuerungsprogramm benötigt. Hier ist eine spezifische Beratung mit der jeweiligen Herstellerfirma ratsam, wenn solche Systemlösungen gewünscht oder gebraucht werden.
Was tun, wenn die Batterie leer ist oder der Strom ausfällt? Für diese berechtigte Frage haben die Hersteller zwei verschiedene Antworten. Bei den einen Möbelschlosssystemen kann das Möbelschloss bei geringer Batteriespannung aus Sicherheitsgründen nicht mehr verschlossen werden. Bei anderen verschliesst es sich automatisch bei geringer Batteriespannung und kann konventionell nicht mehr geöffnet werden. Hier wird mit einer elektrisch geladenen Chipkarte dem Möbelschloss Spannung zum einmaligen Öffnen zugeführt, um die Batterie auszuwechseln. Je nach Einsatzort ist das Vorgehen bei Spannungsverlust ein Kriterium, das es individuell von Fall zu Fall abzuklären gilt. Wenn es sich um einen sensiblen Inhalt handelt, ist zum Beispiel die Wahl auf ein sich automatisch verriegelndes System angebracht.
Im Büromöbelbereich ist die Zugriffssteuerung ein Ansatz für die Zukunft und im Wohnbereich ist ein Einsatz in modernen Sideboards, Küchenmöbeln oder Vitrinen denkbar. Die Anwendung im Privatbereich wird dann interessant, wenn einheitliche Systeme im ganzen Haus verwendet werden können.
So hat man mit ein- und derselben Chipkarte vom Keller bis zum Estrich auf jedes Möbelschloss im Gebäude Zugriff.
www.würth.chwww.hettich.chwww.opo.chwww.heusser-schloss.chwww.kaba.ch
Häufig enthält die Montageanleitung auch gerade noch die Bedienungsanleitung für das Möbelschloss. Mit dieser sollte sorgfältig umgegangen werden, denn sie muss meist noch dem Kunden ausgehändigt werden. Eine Kopie für die Werkstatt erspart einem eine Nachbestellung.
Veröffentlichung: 02. Oktober 2014 / Ausgabe 40/2014